Es dämmert bereits, als wir den Gjendesee erreichen und unseren Colibri direkt am Ufer parken. Wir blicken auf eine grandiose Landschaft und beobachten, wie nach und nach das Spiegelbild der Berge im See versinkt. Absolute Stille. Wir stellen das Dach auf und richten uns häuslich ein. Wenn nicht ausdrücklich verboten, kann man in Norwegen, meist gegen eine kleine Gebühr, an Wanderparkplätzen übernachten und erspart sich so die morgendliche Anreise – einfach genial.

Die ersten Sonnenstrahlen lassen bereits die Berggipfel leuchten, also nichts wie raus aus den Federn. Draußen sind es knackige 2 Grad, und das, während man Anfang August zu Hause gerade wieder über eine Hitzewelle stöhnt. Mit dem ersten Boot stechen wir in den um diese frühe Uhrzeit noch spiegelglatten See.
An der Hütte Memurubu beginnt eine der beliebtesten Touren der Norweger, die jeder, der das Wandern liebt, einmal gegangen sein sollte, sagt man uns. Schon nach dem ersten schweißtreibenden Aufstieg wissen wir, warum. Das Panorama der Bergwelt des Jotunheimen-Nationalparks und vor allem der Blick auf die beiden Bergseen, die nur wenige Meter auseinander, aber dennoch 400 Höhenmeter voneinander getrennt liegen, lässt das Herz eines jeden Outdoorers höher schlagen.
Wild campen in Norwegen
Unterwegs sehen wir mitten in der Wildnis hin und wieder kleine Trekking-Zelte. Campen fernab der Zivilisation, dort, wo die Natur am schönsten ist, das ist Freiheit pur. Das „Jedermannsrecht“ macht dies in Norwegen möglich.
Knapp 200 Kilometer weiter nördlich muss der Colibri ordentlich ran. Durch enge Haarnadelkurven kämpft er sich steil hinauf zur auf knapp 1.500 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen höchsten mit dem Auto erreichbaren Fjord-Aussicht Dalsnibba. Von hier aus hat man den besten Blick auf den weltbekannten Geiranger-Fjord, den fast täglich Kreuzfahrtschiffe anlaufen. Dieses Treiben beobachten wir hautnah am Geiranger Camping, der direkt am Wasser liegt. Beim Einlaufen werden die riesigen Pötte mit Böllerschüssen begrüßt, und später überfluten tausende Pauschaltouristen den kleinen Ort – für uns ein fragwürdiges Unterfangen.
Die Fjordlandschaft Norwegens
Wir bevorzugen ein deutlich kleineres Schiff und begeben uns auf eine Fjordrundfahrt. Nur auf diesem Weg kommt man ganz nah an die vielen riesigen Wasserfälle und sieht einsame verlassene Bauernhöfe an steilen Hängen, die nur vom Wasser aus und über steile Pfade erreichbar sind. Kaum vorstellbar, wie man hier über Generationen leben konnte.
Nach so viel wunderbarer Natur sehnen wir uns nach etwas Zivilisation und Kultur – also auf nach Bergen. Die Metropole des Fjordlandes gilt als schönste Stadt Norwegens – allerdings auch als nasseste. Hier regnet es fast vier Mal so viel wie in Berlin. Wir bangen und hoffen – und haben Glück.

Im Sonnenlicht leuchten die farbenfrohen Holzhäuser des Bryggen-Viertels besonders schön. Beim Schlendern durch die engen Gassen fühlen wir uns wie in einem Freilichtmuseum. Auf dem berühmten Fischmarkt bieten Händler täglich ihre frisch gefangene Ware an. Zudem gibt es hier natürlich die obligatorischen Fischbrötchen – lecker. Unzählige Bars und Straßencafés laden zum Verweilen ein, aber ein Blick auf die Speisekarte lässt uns zögern. Das Preisniveau ist teilweise drei Mal so hoch wie das unsere!
Wir sitzen stattdessen auf dem Fløyen, dem 320 Meter hohen Hausberg der Stadt, genießen den Panoramablick auf Bergen mit den vielen angrenzenden Hügeln und Wasserarmen – und einen Schluck Wein aus dem Selbstversorger-Rucksack.
Unendliche Weiten und Höhen
Eines der spektakulärsten Postkartenmotive Norwegens ist wohl die Trolltunga. Eine spitz zulaufende Felszunge ragt in schwindelerregender Höhe frei schwebend in den Himmel, 700 Meter über einem See. Um da hinzukommen, müssen wir wieder die Wanderstiefel schnüren und einen langwierigen Marsch teils durch Matsch und Schnee, Nebel und eisigen Nieselregen absolvieren. Das einzigartige Naturspektakel mit eigenen Augen zu sehen ist die Anstrengung allemal wert. Ganz Mutige setzen sich ganz vorn an die Kante und lassen die Beine baumeln. Schon beim Zuschauen kribbelt’s mir im Magen.
Pflichtprogramm für jeden Südnorwegen-Besucher ist die Wanderung zum „Predigtstuhl“. Ein guter Ausgangspunkt dafür ist der weitläufige Camping Preikestolen. Wir stehen früh auf, um noch vor dem großen Besucheransturm auf der Felskanzel zu sein. 600 Meter stürzt hier die Felswand senkrecht in die Tiefe. Ich wage mich zumindest auf dem Bauch liegend bis vor an die Kante und blicke hinunter zum Lysefjord. Über diesen schippern wir später mit einer kleinen Fähre und sehen den Preikestolen von unten, der aus dieser Entfernung winzig wirkt. Auch der kompakte Colibri ist mit an Bord. Er erweist sich als zuverlässiger Begleiter. Drei Wochen zu dritt auf engstem Raum im Campingbus – eine gehörige Portion Disziplin gehört schon dazu, vor allem bei schlechtem Wetter. Doch mittlerweile sind wir ein perfekt eingespieltes Team.
Letzte Station ist Kap Lindesnes, südlichster Festlandspunkt Norwegens. Rund 2.500 Kilometer sind es von hier bis zum Nordkap. Wir wandern noch einmal durch ein urwüchsiges Felsenmeer mit saftigen Sumpfwiesen und lassen uns ordentlich den Wind um die Ohren blasen.
An Bord der Fjord-Line-Schnellfähre zurück Richtung Dänemark sind wir etwas wehmütig. Wir werden sie vermissen, diese endlose Weite, die grandiose Natur, die gigantischen Wasserfälle. Norwegen ist kein billiges Urlaubsland, für sich selbst versorgende Natur- und Wanderfreunde aber das reinste Paradies, besonders mit Campingmobil. Und eine Gewissheit nehmen wir auch mit heim – ein Colibri fühlt sich nicht nur im Süden wohl.

Unser Wegbegleiter: Karmann Colibri
Preis: ab 41.390 Euro
Basis: Renault Trafic 1,6 L, Turbodiesel 88 kW/120 PS, Stahlblechkarosserie isoliert, GfK-Aufstelldach
Zulässiges Gesamtgewicht: 2.900 kg
Länge x Breite x Höhe: 4.990 x 1.960 x 2.040 mm, Radstand 3.098 mm
Empfohlene Personenzahl: 2–4
Charakter: Der Colibri ist deutlich günstiger als die etablierten Aufstelldach-Camper von VW und Mercedes. Seine Ausstattung beschränkt sich aufs Wesentliche, ist robust und absolut praxistauglich. In kalten norwegischen Nächten wussten wir den gefütterten Stoffbalg des Aufstelldachs zu schätzen. Mit seiner Höhe von 2,04 Meter ist der Colibri leider bei vielen Tiefgaragen außen vor. Abhilfe verspricht die optionale Hinterachsluftfederung. Sie erhöht nicht nur den Fahrkomfort, sondern verspricht durch komplettes Absenken das Erreichen der Zielhöhe von zwei Metern.