Nach dem Campster kommt der Vanster. Ein Campingbus von Pössl ohne fest eingebaute Möbel. Mit großer Alltagstauglichkeit, so wie die Bestseller VW California Beach und Mercedes Marco Polo Activity/Horizon. Aber viel billiger.
Nach dem Campster kommt der Vanster. Ein Campingbus von Pössl ohne fest eingebaute Möbel. Mit großer Alltagstauglichkeit, so wie die Bestseller VW California Beach und Mercedes Marco Polo Activity/Horizon. Aber viel billiger.
Es ist irgendwie schon verrückt, was da passiert. Alle wollen sie Campingbusse. Oder Campervans oder Kompaktcamper oder halt einfach Bullis – wie man die süßen Kisten auch nennen mag. Kleine, handliche Alltagsautos, in die entweder alle Kinder, die eigenen und die der Nachbarschaft, hineinpassen oder alle Surfbrett- und Segelvarianten für sämtliche Windsituationen und alle Weltmeere. Auf Reisen sollten alle Familienmitglieder möglichst einen Schlaf- und Sitzplatz finden. Verständlich, ich hab auch so ein Auto. Allerdings einen VW T4, umweltzonenungeeignet, der hat vor wenigen Jahren mal 17 Euro mit drei Nullen gekostet, gebraucht, Baujahr 1996.
Den neuen Vanster gibt’s nagelneu für unter 30.000 Euro. Mit neuestem Euro-6d-Temp-Motor. Bäm! Aber, es ist eben auch so, dass diese Klasse, in die der Vanster gehört, eine minimalistische ist. Busse dieser Art – der bekannteste Vertreter ist der California Beach – kommen ohne Schrankzeile, ohne Kochgelegenheit, ohne Kühlbox. Dafür kann das alles einfach und ganz variabel bei Bedarf nach- und aufgerüstet werden. Dafür werden dann aber noch mal ein paar Scheine fällig. Was sie alle eint, die Multivan-Erben: Man kann unten und oben schlafen, es gibt ein Aufstelldach und drehbare Sitze.
Der große Bruder des Vanster ist übrigens der Campster. Der hat auch Schränke, wie California und Marco Polo. Auf der linken Seite, alle drei mit ähnlichem Grundriss. Wie in meinem T4 California. Die schenken sich beim Campen in der Theorie nicht viel. Aber das nur am Rande. Hier geht es um die einfachen Basis-Camper.
Der Vanster ist der nächste logische Schritt, den der Hersteller – hinter dem Vanster steht die Firma Pössl – konsequent gemacht hat. Zur Erklärung: Pössl baut Kastenwagen aus, ganz viele davon auf Basis des Citroën Jumper. Viele tausend, rund fünfstellig. Darum bekommt man bei dem französischen Autobauer natürlich gute Konditionen – also auch günstige Einkaufspreise für den Stadtlieferwagen Jumpy und sein komfortableres Pkw-Pendant Spacetourer. Und während Pössl den Campster beim Hersteller Dethleffs im Auftrag fertigen lässt, bauen sie den Vanster nun im relativ neuen, eigenen Werk selbst aus. Setzen sogar noch ein eigenes Aufstelldach obendrauf – das vom Campster ist von SCA –, machen Drehkonsolen rein, und schwups, ist der preiswerte Basis-Camper fertig. Wer unten schlafen mag, bekommt zwar keine klappbare Schlafbank wie beim California Beach oder beim Marco Polo Activity/Horizon von Mercedes, dafür optional ein Klappbett, das vom Heck über die umgelegten, auch herausnehmbaren hinteren Sitze aufgefaltet wird.
Der richtig günstige Vanster kommt auf dem einfacheren Citroën Jumpy für 27.990 Euro Basispreis, aber schon mit relativ viel drin. Der Jumpy ist ein klassisches Handwerkerauto, nur mit notdürftigen Verkleidungsteilen im hinteren Bereich. Er ist natürlich auch nicht isoliert, gar nicht. Das Blech schaut einem frech entgegen. Und wahrscheinlich ist er auch während der Fahrt etwas lauter als der Spacetourer, der innen Pkw-mäßig ausgekleidet ist. Außen schenken sie sich dagegen nichts. Die Preisliste des Vanster auf dem Citroën Spacetourer beginnt bei 31.990 Euro.
Als der großer Bruder Campster vor drei Jahren rauskam, war es schon eine Diskussion, ob man als Bullifahrer nicht unbedingt einen VW fahren muss und ob man so einen "Zitrön", wie der Deutsche gerne sagt, wirklich fahren kann. Man kann. Erstens haben sich sehr viele Deutsche inzwischen für einen Campster entschieden, was nicht nur die Zahlen, sondern ganz einfach die Präsenz auf den Campingplätzen belegt. Zweitens ist es ein kleines, normales Auto, mit dem man prima jeden Tag herumfahren kann. Das Fahrwerk ist direkt, gut, das Auto ist ein kleiner Flitzer. Flitziger als die bulligeren T6, Vito und V-Klasse. Das Schaltgetriebe ist knackig, die Kupplung oft etwas gewöhnungsbedürftig, aber ansonsten ist der Campster ein gutes Auto. Man bekommt für viel weniger Geld – ungefähr die Hälfte – teils mehr als bei den deutschen Edelbussen. Klar scheppert das Blech mehr beim Türzuschlagen, klar ist das Prestige geringer, klar ist er auf der Autobahn nicht so ausgetüftelt in Sachen Dämmung, Leistung, Windgeräusche. Auch bei den Assistenzsystemen für Sicherheit und Komfort. Jüngst bekam der VW Transporter als Generation 6.1 eine elektrische Lenkung, die aktive Lenkeingriffe möglich macht. Und die V-Klasse sonnt sich im Glanz der neuen Motorenfamilie. Ja, aber wir reden eben von der Hälfte, preislich, und kommen trotzdem ans Ziel. Fast genauso sicher, fast genauso schnell, fast genauso eben.
Übrigens: Nicht nur Pössl fährt beim Vanster zweigleisig und unterscheidet zwischen dem günstigen Jumpy und dem komfortableren Spacy. Mercedes geht einen ganz ähnlichen Weg, hat den "Marco Polo Light" als günstigen Activity im Programm, der auf der vorderradgetriebenen Nutzfahrzeugvariante Vito Tourer basiert, also mit schlichterem Armaturenbrett und einfacheren und robusteren Verkleidungsteilen. Als Horizon dagegen – rund 7.750 Euro teurer– kommt er als hinterradgetriebene V-Klasse mit schickerer Ausstattung, aber genauso mit Aufstelldach und Schlafsitzbank und wagt damit den Spagat zwischen Business und Campingplatz.
Natürlich ist die Sache mit dem Basisfahrzeug auch ein Stück weit persönliche Geschmacksache. Will man nen VW oder nen Daimler? Passt der Citroën, oder muss es einer der beiden oberen sein? Ja, es gibt einen Klassenunterschied. Aber der ist am Ende auch ein bisschen egal. Fahren tun sie alle gut. Mein persönliches Ranking, frei von Ideologie: VW ist mir in Sachen Ergonomie und Übersicht am liebsten. Dann kommt der quirlige Citroën, weil leicht, wendig, unkompliziert, dann erst der mir zu schwerfällig wirkende Mercedes, der sicher eine tolle Ingenieursleistung darstellt, aber mir als Camper ein bisschen zu glamourös ist. Aber, wie gesagt, alles Geschmacksache.
In einem Punkt sticht der Vanster die beide Platzhirsche aber ganz schön aus. In Sachen Variabilität. VW wie Mercedes haben grausam schwere Schlafsitzbänke. Egal, ob man die Zweier- oder Dreiersitzbank nimmt, wirklich rausbauen wird man sie am Ende selten bis nie. Sie sind verschiebbar gut, aber das war’s auch schon. Da kommt der Vanster mit seinem Sitzsystem deutlich beweglicher daher. Es lassen sich links bis zu zwei Doppelbänke hintereinander montieren und rechts zwei Einzelsitze. Das ergibt – wie marketingtechnisch geschickt, aber auch zu Recht ausgeschlachtet wird – eine Vielzahl von Möglichkeiten für den Personen- und Equipment-Transport. Einzelsitze kann man beim Mercedes zwar auch bestellen, aber dann ist Untenschlafen passé.
Auch wenn das Bettgestell des Vanster nicht ganz so romantisch rüberkommt wie die Klappbänke der anderen beiden, so schlecht scheint’s auf den ersten Blick nicht zu sein. Wer bei VW und Mercedes die breite Bank nimmt, bekommt zwar ein breiteres Bett als im Vanster – vorausgesetzt, seine Bettkonstruktion bleibt bis zum Verkaufsstart so, wie im gezeigten Vorserienmodell. Aber: Es braucht bei VW und Mercedes eine zusätzliche Auflage, um auf den konturierten Sitzflächen bequem zu schlafen. Die kostet extra und nimmt Platz weg.
Nach erstem Augenschein ist die ebenflächige Matratze im Vanster bequemer, zumal wenn man die etwas teurere Luxusvariante mit integriertem Tellerfederrost ordert. Wird spannend, wie sich die ersten Nächte darauf tatsächlich anfühlen werden. Nachteil im Vanster, by the way: Wenn das Bett aufgebaut ist, kann man sich nicht mehr bewegen. Null. Das Bett stößt beinahe an die gedrehten Cockpitsitze. Das machen die anderen beiden deutlich besser. Denn: Man will mal an Schränke, will mal sitzen, auch wenn das Bett aufgebaut ist. Das ist in der Praxis ein empfindlicher Nachteil des Pössl-Bulli, mit dem man sich, so gut es eben geht, arrangieren muss. Hier zeigt sich einmal mehr die tolle Raumausnutzung im nahezu identisch langen VW T6.
Bei der Erstvorstellung des neuen Vanster präsentierten die Verantwortlichen auch das eigene Klappdach. Das lässt man sich von einem neuen Zulieferer nach eigenen Vorstellungen im Auftrag fertigen. Das hat Gründe. Bei Spezialist SCA, der für den Campster das Dach liefert, gab es in den letzten Jahren immer wieder Lieferengpässe. Manchen kleinen Campingbus-Hersteller brachte das gehörig in die Bredouille. Darum versucht sich ein großer Player wie die Pössl-Gruppe ein Stück weit unabhängiger zu machen von einzelnen Zulieferern. Dabei konnte man gleich noch ein paar eigene Ideen verwirklichen. Insbesondere der Stoffbalg wurde überdacht und mit einem Zeltspezialisten ein besonderes Material ausgewählt. Sehr variabel sind auch die Fenster und sonstigen Öffnungsmöglichkeiten ausgeführt.
Übrigens hat VW hier zuletzt nachgelegt. Ein unten komplett aufzippbarer Zeltbalg ist nun optional für alle California-Modelle erhältlich. Mercedes zögert noch. Die Ausguckmöglichkeiten bei den Marco Polo sind eingeschränkt. Ein elektrisch auffahrendes Dach ist andererseits beim Vanster kein Thema. VW und Mercedes bieten dieses schon länger. Ist ganz bequem, und wer es braucht, weil kleingewachsen, will nichts anderes. Von Funktionsstörungen hat man in letzter Zeit nichts mehr gehört.
Für den Vanster gibt es Möbelmodule aus Alu-Wabenplatten direkt von Pössl. Sie kommen hinten in den Kofferraum und werden einfach an vorhandenen Haltepunkten fixiert. Da gibt’s dann kleine Wasserkanister und ein Waschbecken, einen Gaskocher mit Kartusche und eine Kühlbox. Solche Lösungen vertreiben viele Anbieter als Zubehör vor allem für den VW T6, aber auch andere Busse. Für den Vanster werden die Möbel natürlich in attraktiven Paketen mit angeboten.
Also, die Richtung stimmt beim neuen Vanster, und der Preis ist hart für die Konkurrenz. Daneben kann er vor allem mit seiner Variabilität punkten.
Wählt man die Transporter-Variante Citroën Jumpy als Basis, stehen drei Motoren zur Verfügung. Mit 100 und 120 PS gibt es wahlweise den 1,5-Liter-Motor, das 2,0-Liter-Aggregat leistet als Topversion 150 PS. Zum 6-Gang-Schaltgetriebe gibt es hier keine Alternative. Die Preise nach aufsteigender Motorisierung: 27.990/29.460/31.210 Euro.
Für den Vanster auf Basis der Pkw-Version Citroën Spacetourer gibt es ebenfalls drei Motorleistungsstufen: Gestartet wird mit dem 1,5-Liter-Diesel und 120 PS für 31.990 Euro. Dann folgen die beiden 2,0-Liter-Motoren mit 150 und 180 PS – wobei der 180er immer mit einer Achtgang-Automatik kombiniert wird, während die beiden anderen mit dem 6-Gang-Schaltgetriebe ausgestattet sind. Der Vanster mit 150-PS-Motor kostet in der Grundausstattung 34.100 Euro. Das Topmodell mit 180 PS und Automatik ist nicht unter 37.450 Euro zu haben.
Ich mag den Citroën und auch den Vanster. Mir gefällt der pragmatische Ansatz. Inwieweit er tatsächlich einem ausgewachsenen Campingbus wie dem VW California Beach auf die Pelle rücken kann, muss der Praxistest zeigen. Punkte wie Heizung, Isolierung, Verdunkelung, Schlafkomfort oben wie unten müssen in der Realität gecheckt werden. Am Preis werden Praktiker und Realisten am Ende aber nur schwer vorbeikommen.