Wenn es am frühen Abend unruhig am Himmel wird, dann fliegt ein schnatternder Trupp Kraniche übers Gelände und entschwindet erst hinten am Wald wieder den Blicken. Meine Tochter macht sich Sorgen, als sie einen Nachzügler entdeckt. "Die Vögel sind hier zu Hause, sie brüten am Nachbarsee", erzählt uns Uwe Fischer, Chef des Campingplatzes "Hexenwäldchen". Wir residieren hier mitten im Müritz-Nationalpark am kleinen Jamelsee. Der hat einen Steg, einen Sandstrand und viel hohes Schilf rundherum.
Kinder spielen im Sand. Jetzt am frühen Abend landen viele Paddler an. Seit 20 Jahren achtet Uwe Fischer darauf, dass der Campingplatz so bleibt, wie es ihm gefällt: einfach, naturbelassen, mit netten Gästen. Unser Reisemobil steht inmitten herrlicher Natur, nah am Wasser, wie eigentlich seit Tagen schon, vor immer wechselnder Kulisse. Wenn die Kinder fragen, ob der nächste Campingplatz wieder an einem See liegen wird, kann ich mit Bestimmtheit sagen: ja. Denn an Seen herrscht auf der Mecklenburgischen Seenplatte wirklich kein Mangel. Weil die beiden gern draußen spielen und baden, fahren wir meist Campingplätze an.
Aber es gibt auch schöne Stellplätze hier, die wir uns schon mal fürs nächste Pärchenwochenende aussuchen: an der Schlossinsel Mirow fernab der Straße oder im Seglerhafen von Röbel zum Beispiel. Da kann man abends aufs Wasser schauen und Fisch essen. Das Regattahaus serviert Fisch aus der Region. Am nächsten Morgen bummelt man durch Röbel – das touristische Zentrum am südwestlichen Müritzufer. Es gibt zwei alte Backsteinkirchen, Galerien und Läden. Noch ist hier nicht viel los.
Wunderbare Natur an der Seenplatte
Der Osten der Seenplatte und der südliche Teil der Müritz sind nur in Maßen und an einigen Orten auf Touristen ausgerichtet. Das Leben ist vielerorts wie eh und je – aufs Wasser bezogen und etwas in sich gekehrt. Wir lieben das und finden: Die Region mit ihrer wunderbaren Natur ist ein perfektes Ziel für eine Rundtour mit dem Reisemobil, gerade weil die Infrastruktur nicht so perfekt ist. In unserem Mobil haben wir immer alles dabei, was wir brauchen, um uns wohlzufühlen.

In Lychen, das schon im Naturpark Uckermärkische Seen in Brandenburg liegt, gehen wir im einzigen Restaurant essen, das bereits geöffnet hat – es gibt bodenständige, deutsche Küche. Die Klosterruine von Himmelpfort, wo es namensbedingt ein Weihnachtspostamt gibt, durchstreifen wir in aller Stille. Auf der Schlossinsel in Mirow hingegen sitzen schon viele Gäste draußen auf der Restaurantterrasse. Und Carwitz, der schönste Ortsteil der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft, ist ebenfalls trubelig und quicklebendig.
Hier stehen wir wieder mal direkt am Wasser mit unserem Wohnmobil und genießen die Sicht auf den glasklaren Carwitzer See. Der Campingplatz liegt im Ort und doch im Grünen – das ist perfekt, denn man kann was essen gehen, ohne auf die Räder zu steigen. Diese Ecke der Mecklenburgischen Seenplatte schließen wir besonders ins Herz: Der Ort ist von heute selten gewordenen Klarwasserseen umgeben. Die Dorfgassen enden alle früher oder später irgendwo am Wasser.
Paddeln und Plantschen
Und weil mein Sohn gleich bei der Ankunft gejubelt hat, dass der See voller Mineralwasser sei, beschließen wir, am nächsten Morgen auf dem Campingplatz Paddelboote auszuleihen und die Gegend vom Wasser aus zu erleben. Sie hauen uns total um, diese Feldberger Seen, die nur zwei Stunden nördlich von Berlin liegen. Vom Boot aus starren wir fasziniert ins Wasser: Vom hellen Sand am Grund wachsen zarte Wasserpflanzen herauf, das Wasser ist fast schon karibisch blau. An ergrauten Bootsholzhäusern ziehen wir vorbei zum Schmalen Luzin. Es ist ein während der letzten Eiszeit entstandenes Paradies für Naturliebhaber: Frösche hocken im Schilf, Libellen surren über Seerosen hinweg, Rotfedern machen aus dem Wasser heraus Luftsprünge. Im Alten Zollhaus am Breiten Luzin kehren wir ein und paddeln von dort zurück.

Ruhe und Idylle
Die Stille und Unaufgeregtheit dieses Landstrichs überträgt sich peu à peu auf uns, die Zahl der täglich gefahrenen Kilometer nimmt ab. Wir müssen halten, um Störche zu beobachten oder weil wir einen Hofladen entdeckt haben. Im Abendlicht kreuzen Rehe die Straße, heraus aus dem Raps, hinein in den Raps. Besser, man kommt früher an.
Am Jamelsee im Nationalpark weckt uns früh der Hahn. Der See liegt spiegelglatt im Morgenlicht. Der Platz schläft noch. Aber Uwe Fischer und die Brötchen sind schon da. Also bauen wir den kleinen Tisch auf, kochen Kaffee und öffnen zur Feier des Tages das Glas Quittengelee, das wir gestern an einem Straßenstand gekauft haben – mit Geldeinwurf in eine Kasse des Vertrauens.
So schön kann kein Frühstück im Hotel sein. Es ist unser letzter Morgen an der Seenplatte. Und wir haben alle Zeit der Welt, denn die Rückreise ist nicht lang.Das Wasser ist fast karibisch blau. Kleine Frösche hocken im Schilf. Libellen surren über Seerosenteppiche hinweg.
Sechs tolle Orte
Viel Grün und bewaldete Ufer sind an der Mecklenburgischen Seenplatte und an den Uckermärkischen Seen der Normalfall. Nur hier und da schmiegt sich ein Ort oder ein Städtchen ans Wasser.
- Röbel: Die kleine Schwester von Waren liegt am Südwestufer der Müritz und bietet beschauliche, top sanierte Fachwerkgässchen, zwei sehr sehenswerte Backsteinkirchen und einen kleinen Seglerhafen. Hier gibt es jede Menge maritimes Flair. Die Müritztherme wird derzeit saniert und öffnet erst wieder im Herbst.
- Mirow: Glanzlicht der kleinen Stadt an der Mecklenburgischen Kleinseenplatte ist die Schlossinsel mit Residenzschloss, Torhaus von 1588, Johanniterkirche und Restaurant. Mirow liegt zwischen Neustrelitz und der Müritz, direkt an der Müritz-Havel-Wasserstraße. Der Ort bietet ideale Voraussetzungen für Wassersportler.
- Neustrelitz: Residenzstadt am Wasser. Europaweit einzigartig ist die barocke Stadtanlage von 1733. Vom Markt gehen sternförmig acht Straßen ab. Neustrelitz gilt zudem als Tor zum Müritz-Nationalpark mit seinen zum Unesco-Welterbe ernannten Buchenwäldern von Serrahn. Tipp: die Festspiele im Schlossgarten.

- Lychen: Der Ort im Naturpark Uckermärkische Seen liegt eingebettet in sieben Seen und bietet sich als Ausgangspunkt für Paddeltouren an. Es gibt ein Seeufer mit Solarboot-Verleih und eins mit Kanustation. Der wildromantische Mühlenbach verbindet die Seen Nesselpfuhl und Oberpfuhl. Tipp: ein Besuch des Flößereimuseums.
- Feldberg: Das touristische Zentrum der Feldberger Seen. Der Ort gehört zur Gemeinde Feldberger Seenlandschaft und liegt am Feldberger Haussee. Er bietet mit der Halbinsel Amtswerder ein hübsches Eiland zum Baden und Genießen. Dort findet man auch mehrere nette Fischrestaurants mit regionaler Küche.
- Carwitz: Eine Kopfsteinpflaster-Straße mit Cafés und Restaurants führt durch den Ort und lädt zum Bummeln ein. Carwitz, wo einst Hans Fallada dichtete, ist von Wasser umgeben. Ein Museum erinnert an den Dichter. Mitten im Ort, der Teil der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft ist, tragen die Paddler ihre Boote von einem See zum anderen um.
Der besondere Tipp
Ausflug nach Rheinsberg: "Wir wollen uns Erinnerungen machen, die Funken sprühen", schrieb Kurt Tucholsky einst in "Rheinsberg. Ein Bilderbuch für Verliebte". Und bis heute erinnert das Literaturmuseum direkt im Schloss an den Berliner Dichter, der hier so gern verweilte. Schloss Rheinsberg lohnt – Tucholsky hin oder her – einen Besuch. Das Schloss liegt südlich der Mecklenburgischen Kleinseenplatte, schon in Brandenburg. Hier, am Grienericksee, verbrachte Friedrich der Große unbeschwerte Jahre als Kronprinz, sein jüngerer Bruder Heinrich baute sich hier einen Musenhof. Schon vor Tucholsky setzte Theodor Fontane der Stadt in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" ein Denkmal. Rheinsberg gilt als Musterbeispiel des Friderizianischen Rokokos und diente als Vorbild für Schloss Sanssouci in Potsdam. Schloss und Literaturmuseum können mit einem Kombiticket besucht werden.
Aus der Region: Die etwas andere Einkaufspassage In der größten Feldsteinscheune Deutschlands in Bollewick bei Röbel kann man bummeln und shoppen. Unten gibt’s Geschäfte und ein Restaurant, das viele Produkte aus dem Umland auf der Speisekarte hat. Im ersten Stock des 125 Meter langen Gebäudes sind eine Regionalausstellung und Handwerksläden untergebracht.