Reise-Tipp Brügge
Die Perle Flanderns

Nicht nur Brügges großer, berauschend schöner mittelalterlicher Stadtkern, auch das freundliche Umland und die Küste sind ein lohnendes Reiseziel für eine Wohnmobil-Tour im Herbst .

Brügge, Mobil-Tour
Foto: Thomas Cernak

Damals kamen die Schiffe aus aller Herren Länder. Sie hatten viele kostbare Dinge geladen, zum Beispiel Bordeaux-Wein, Eichenstämme aus Deutschland, russische Pelze, Öl, Käse und Zitrusfrüchte aus mediterranen Gefilden, dazu Gewürze, meist aus dem Orient, und vieles mehr. Als wir den riesigen Marktplatz betreten, sehen wir sie vor uns, die Blütezeit Brügges, und fühlen uns mitten ins 15. Jahrhundert versetzt.  Da erhebt sich zum einen der stattliche, 83 Meter hohe Belfried, das Symbol für Reichtum, Machtanspruch und Freiheit im mittelalterlichen Flandern. Zum anderen säumen den Platz prächtige, respekt-heischende Patrizierhäuser. Zum Beispiel das sehr schön restaurierte „Haus Cranenburg“, wo 1488 der österreichische Kaiser Maximilian tagelang festgehalten wurde und vom Fenster aus mit ansehen musste, wie man einige seiner getreuen Anhänger grausam hinrichtete. Und dann dieses fast ununterbrochene Hufgeklapper, das Schnauben und der Duft der Droschkenpferde! Sind wir vielleicht tatsächlich in der Vergangenheit gelandet? Doch hektisch vorbeieilende Endlostelefonierer und die von früh bis spät im Einsatz befindlichen Fahrzeuge der Stadtreinigung versetzen uns schnell wieder in die Gegenwart zurück.

Ratgeber-Reise: Brügge
MotorPresseStuttgart
Wenn die Sonne sich neigt, wird es still auf den Kanälen – ein Moment zum Innehalten, wie etwa hier am Rosenkranzkai.

Ganz so wie in früheren Zeiten hingegen erklimmen wir zu Fuß die 366 Stufen der Wendeltreppe, die zur Aussichtsplattform des Belfrieds führt. Lohn der Mühe: ein fabelhafter Rundumblick über das weite Giebelmeer der Altstadt und die im Sonnenlicht glitzernden Grachten, Reie genannt. Das „richtige“, rund zwölf Kilometer entfernte Meer lässt sich bei klarer Sicht übrigens auch erspähen. Unten wieder angekommen, wandeln wir schnurstracks weiter auf der Wollestraat in Richtung Rosenkranzkai (Rozenhoedkaai), der seinen Namen dem Verkauf von Rosenkränzen während des Mittelalters verdankt. Von dort genießt man die schönste Aussicht auf das alte Handelszentrum.

Tipp: Eine halbstündige Rundfahrt mit einem Motorboot, das ebenfalls hier ablegt, kostet vergleichsweise günstige 6,30 Euro für Erwachsene und 3,20 Euro für Kinder ab vier Jahren; eine ganze Reihe von weiteren unvergesslichen Stadtansichten sind inklusive. 

„Mutter mit dem Kinde“ von Michelangelo

Ratgeber-Reise: Brügge
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Die prächtige Liebfrauenkirche vereint gotische und barocke Stilelemente.

Wir folgen den Kaimauern gen Westen und gelangen nach einigen hundert Metern zur Liebfrauenkirche, die über dem rechten Seitenaltar einen wahrlich außergewöhnlichen Schatz beherbergt: eine in Marmor gemeißelte „Mutter mit dem Kinde“, geschaffen von Michelangelo. Ein Brügger Kaufmann namens Moeskroen kaufte dem Meister persönlich die Skulptur ab und schenkte sie 1506 seiner Pfarrgemeinde, der Liebfrauenkirche. Sie ist die einzige Skulptur Michelangelos, die zu Lebzeiten des Künstlers aus Italien exportiert wurde.

Es ist Samstag früh, 8.00 Uhr. Wir sind mit Marcel am Fischmarkt verabredet. Er ist ein alter Freund, der der Liebe wegen in der Stadt hängen blieb. Ein sicher idealer, sehr farbenfroher Ausgangspunkt, um einen Spaziergang durch das weniger bekannte Brügge zu starten. Die säulengeschmückte Halle ist übrigens das einzige Bauwerk aus der kurzen Holländischen Epoche (1815 bis 1830). Auf unsere Frage hin, was denn den Niedergang Brügges um 1500 verursacht habe, nennt unser Freund den Tod von Maria von Burgund (1482), den Aufstand gegen Maximilian und die damit einhergehenden Unruhen. Schließlich die Versandung des Meeresarms Zwin, der bis dahin den regen Seehandel ermöglicht hatte.

Über Eiermarkt, Sint-Jacobsstraat und Pottenmakersstraat gelangen wir zur Sankt-Gillis-Kirche; das fast dörflich wirkende Gotteshaus ist die einzige Hallenkirche der Stadt. Nächste Station ist, immer am Wasser entlang, die „Potterie“, ein dreigiebeliges Arrangement. Im Frühmittelalter waren hier Töpfereien angesiedelt. In der Kirche unter dem mittleren der drei Giebel bestaunen wir zwei der ältesten Brügger Wandteppiche – bezaubernde Kunstwerke aus Wolle und Seide. Am Sonntag zieht es uns aufs Land.

Vom Stellplatz aus radeln wir nach Damme, einst ein wichtiger Vorhafen für Schiffe mit großem Tiefgang. Die Ladung wurde dort auf Plattbodenschiffe umgeladen. Brügger Gotik prägt das Ortsbild. Weiter geht es nach Lissewege, ein Dorf mit weißgetünchten Häusern, das durch die Tuchproduktion im 13. Jahrhundert reich wurde. Abschluss unserer Mobil-Tour ist eine Wanderung am Meer bei De Panne durch die Feuchtgebiete und Dünengraswiesen der „Oosthoekduinen“. Das Schutzgebiet soll zum Erhalt der Dünen samt ihrer Flora und Fauna beitragen. Wie es hier wohl im 15. Jahrhundert ausgesehen hat?

Information

Broschüren und Prospekte mit den Höhepunkten und „den schönen Seiten“ Flanderns stehen auf der Website von Tourismus Flandern-Brüssel zum Herunterladen bereit. Auf diesem Portal erfährt man auch alles von der belgischen Schokolade bis zu alten flämischen Meistern. Tourismus Flandern-Brüssel, Cäcilienstraße 46, 50667 Köln, Telefon 02 21/2 70 97 70, Fax 02 21/2 70 97 77, E-Mail info@flandern.com, www.flandern.com

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Promobil 06 / 2023

Erscheinungsdatum 03.05.2023

148 Seiten