Sechs Winterreifen für Campingbusse und Wohnmobile auf dem Fiat Ducato Maxi im Vergleichstest. Haben die klassischen Schneespezialisten gegenüber den moderneren Allrounder immer noch Vorteile?
Sechs Winterreifen für Campingbusse und Wohnmobile auf dem Fiat Ducato Maxi im Vergleichstest. Haben die klassischen Schneespezialisten gegenüber den moderneren Allrounder immer noch Vorteile?
+++ Eine ausführliche Tabelle mit den Ergebnissen aller getesteten Wohnmobil-Reifen finden Sie im kostenpflichtigen PDF-Download. +++
Wie wird der Winter? Kommt er plötzlich mit viel Schnee und Eis, oder bleibt die weiße Pracht wie zuletzt überwiegend den höhergelegenen Regionen vorbehalten? Die Entscheidung, ob Winterreifen oder nicht, sollte davon unbeeinflusst bleiben. Denn unabhängig von der nun gültigen, vom Straßenzustand abhängigen Winterreifenpflicht, sind speziell bei schweren und auf hohe Kilometerleistung ausgelegten Fahrzeugen – dazu gehören auch Wohnmobil Basisfahrzeuge – angepasste Reifen absolutes Muss.
Weil gängige Transporterreifen für die kalte Jahreszeit einfach nicht gebaut sind. Sie sind auf Temperaturen deutlich über dem Gefrierpunkt ausgelegt. Härtere Gummimischungen sollen die Langlebigkeit und besten Grip auf nasser und trockener Straße sichern.
Winterreifen sind dagegen mit weicheren Mischungen und gröberen Profilblöcken auf schnee- und eisbedeckte Straßen sowie auf nasskalte Verhältnisse optimiert. Angesichts der im Lauf der Jahre gestiegenen Motorleistungen und Geschwindigkeiten der Fahrzeuge, aber auch durch die in vielen Regionen geringeren Schneemengen hat sich das Anforderungsprofil an die Winterspezialisten gewandelt. In fast allen Fahrzeugen sichern zudem elektronische Regelsysteme wie ESP oder zumindest eine Antriebsschlupfregelung (ASR) die Spurhaltung beim Beschleunigen; Bremsen ohne ABS ist heute undenkbar.
All diese Faktoren nehmen Einfluss auf die Reifenkonstruktion. Profile und Mischungen werden verstärkt auf optimales Zusammenwirken zwischen Reifen und Regelsystem abgestimmt. Ebenso verschiebt sich angesichts der wärmeren Winter der Fokus der Reifenentwickler weg von ultimativer Schneeperformance in Richtung optimaler Allroundeigenschaften auf nasskalten Pisten.
Auch der promobil-Reifentest stellt sich auf die geänderten Voraussetzungen ein: War bislang die stark den Schneegrip berücksichtigende Alpinwertung entscheidend für den Gesamtsieg, gilt ab dieser Saison eine neue Gewichtung: Die Disziplinen Schnee, Nass und Trocken werden nun gleichermaßen zu jeweils 30 Prozent berücksichtigt.
Die umfangreichen Tests starten mit den Winterprüfungen: promobil nutzt dafür Teststrecken in den österreichischen Alpen auf bis zu 2.000 Meter Höhe. Tiefe Temperaturen, perfekt präparierte Bremspisten sowie aussagekräftige Handlingstrecken auf einer für den öffentlichen Verkehr gesperrten Passstraße bieten ideale Bedingungen. Doch ein plötzlicher Wärmeeinbruch Ende Januar stellt den gesamten Test in Frage – bei Inversionswetter und Regen bis in höhere Lagen bleibt nichts übrig als ausharren.
Das Thermometer fällt, aus dem Regen wird Schnee – unbarmherzig drückt ihn die Walze des Streckenpräparators platt. Zwei Nachtschichten, dann sind die Pisten wieder fest. Als sich die Temperaturen nachts bei –5 Grad einpendeln, rattern die Pressluftschrauber los: Radwechsel, Testfahrt, Radwechsel – ungezählte Male fegt der Ducato über die präparierte Bahn, grell aufleuchtende Bremslichter markieren den Bremspunkt. Mindestens zehn Einzelbremsungen pro Reifen sind nötig, um das Testfeld aus sechs Modellen trennscharf bewerten zu können. Gleiches gilt für die Handlingfahrten.
Um das Fahrverhalten der Reifen und ihre Leistungen im Grenzbereich bewerten zu können, wird ein kurvenreiches Bergaufstück auf Zeit gefahren: Rallye Sonderprüfung mit dem Ducato. Für ein neutrales Fahrverhalten fährt promobil alle Kurvendynamik- relevanten Versuche mit stets identisch teilbeladenem Fahrzeug. Durch fest verzurrte Ballastgewichte werden Vorder- und Hinterachse auf das gleiche Lastniveau gebracht. Der weiche Schnee stellt die Winterreifen auf eine harte Probe. Gröbere Profile mit tiefen Einschnitten haben hier Vorteile, und so dominieren der kantige Toyo H 09 und der GT Radial mit einer stattlichen Profiltiefe von jeweils über elf Millimetern das mit 30 Prozent in die Schneewertung einfließende Bremsen.
Aber auch in der Traktionsmessung liegen die beiden vorn. Knapp dahinter folgen Conti, Semperit und Nokian, die allesamt mit überdurchschnittlichen Leistungen auf Schnee überzeugen. Nur der Syron Everest kommt mit der weißen Pracht nicht wirklich zurecht. Seine langen Bremswege, die schwache Seitenführung und die geringen Gripreserven bei durchdrehenden Rädern auf Schnee fühlen sich eher nach Allwetterreifen an.
Doch Winterversuche sind nicht alles. Die kalte Jahreszeit hat nicht nur Eis und Schnee, sondern mindestens genauso oft nasse oder gar trockene Tage zu bieten. Deshalb müssen die sechs Kandidaten ihre Qualitäten auch bei diesen Straßenbedingungen unter Beweis stellen. Das gelingt Contis Vanco Winter 2, dem Nokian WRC Cargo sowie dem brandneuen Semperit Van Grip 2 am besten. Mit kurzen Bremswegen und stabiler Seitenführung auf Nässe bieten sie ein Höchstmaß an Sicherheit.
Trotz seiner doch enttäuschenden Vorstellung auf Schnee zeigt sich sogar der Syron bei Nässe – mit leichten Schwächen beim Queraquaplaning – auf überraschend hohem Niveau. Aquaplaning ist hingegen die Paradedisziplin des GT Radial. Sein tiefes Profil ist in Sachen Wasserverdrängung nicht zu schlagen, doch es hapert an der passenden Mischung: In puncto Bremsen, Seitenführung und Handling fällt er weit zurück. Auch der bereits etwas in die Jahre gekommene Toyo ist auf Nässe von den Lorbeerrängen weit entfernt. Nach Schnee- und Nässewertung liegt der Nokian knapp vor Semperit und Conti. Kann er seine Spitzenposition auch auf trockener Piste verteidigen?
Mit rund 48 Metern Bremsweg zeigen Conti, Syron und Semperit, wozu gute Winterreifen fähig sind. Auch Nokian und Toyo bremsen noch im grünen Bereich, nur der GTRadial- bereifte Ducato braucht bis zum Stillstand deutliche zwei Meter mehr. Ein ähnliches Ranking zeigt sich in der Kurvendynamik. Mit sehr ausgewogenen Handlingeigenschaften und schnellen Rundenzeiten zieht Conti noch am Nokian vorbei, der Kopf an Kopf mit dem Semperit Van Grip 2 über die Ziellinie rollt. Trotz überdurchschnittlicher Trockenperformance kann der Syron den Patzer auf Schnee nicht mehr ausbügeln, es reicht aber zum vierten Platz. Dahinter folgen die beiden Schneekönige Toyo und GT Radial, die weder nass noch trocken den Anschluss halten können. Den Testsieg verdient sich der Conti Vanco Winter 2 – ein echter Allrounder und fit für jedes Winterwetter.
So testet promobil
Um höchste Genauigkeit und Ergebnissicherheit zu gewährleisten, werden sämtliche Testteile – wo möglich – mehrfach durchgeführt. In allen Kriterien werden die Produkte nach einem zuvor festgelegten Muster bewertet. Grundsätzlich erhält der beste Reifen eines Versuchs die maximal mögliche Punktzahl von zehn Punkten. Das Bewertungsschema folgt einer progressiven mathematischen Funktion, wodurch sichergestellt ist, dass auch hochwertige, in ihren Eigenschaften nah beieinanderliegende Produkte ausreichend trennscharf bewertet werden können. Dieses Schema gilt sowohl für die objektive Bewertung durch Messgeräte als auch die subjektive Benotung durch die spezialisierten und erfahrenen Tester.
Wärmere Winter, stärkere Motorisierungen und veränderte Ansprüche der Wohnmobilfahrer stellen Winterreifenentwickler–wie auch die Reifentester – vor neue Herausforderungen. Auch bei Wohnmobilen und Transportern werden die reinen Schneespezialisten gegenüber den für alle Winterwetter gut geeigneten Allroundern mehr und mehr das Nachsehen haben. Darum ist unser Testsieger auch ein Universaltalent, der breit aufgestellte Conti Vanco Winter 2.