"Ich bin dann mal weg." Was für ein schönes Motto für uns ReisemobilfahrerInnen! Bekannt gemacht hat diesen Ausspruch der Entertainer Hape Kerkeling als Titel des 2006 erschienenen Buches über seine Pilgerreise auf dem Camino Francés, dem knapp 800 Kilometer langen klassischen Jakobsweg von Saint-Jean-Pied-de-Port in den französischen Pyrenäen nach Santiago de Compostela im äußersten Nordwesten Spaniens. Im Jahr nach der Veröffentlichung des Buches lag die Zahl der deutschen PilgerInnen um gut 70 Prozent über der des Vorjahres.

Auch wir brechen auf, den Spuren der Pilger zu folgen – natürlich mit dem Wohnmobil. Als gute Reisezeit empfiehlt sich das späte Frühjahr. Bis dahin sollten auch momentan vielleicht noch vorhandene Ungewissheiten in Sachen Corona ausgestanden sein, und man kann an tristen Wintertagen die Vorfreude genießen. Mehr über aktuelle Reisebestimmungen lesen Sie hier.
Pilger und religiöse Einkehr

Schon im neunten Jahrhundert unserer Zeitrechnung machten sich die ersten Pilger nach Santiago de Compostela auf, um das Grab des Apostels Jakobus zu besuchen. Heute überzieht ein weit verzweigtes Netz von Pilgerwegen ganz Europa. Im "Heiligen Jakobusjahr" 2010 wurde die Ankunft von 272.135 PilgerInnen am Zielort registriert – der bisherige Rekord und ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor für die Region.
Die Motive für eine Pilgerfahrt sind in der Regel eher religiöser oder spiritueller Natur. Als Reisemobilisten sind wir dagegen durchaus auch aus weltlichen Beweggründen unterwegs. Auch wenn wir gerade nicht nach uns selbst oder nach spiritueller Erleuchtung suchen, haben wir mit den Pilgern doch ein weiteres Motto gemeinsam: "Der Weg ist das Ziel."
Wer mit dem Reisemobil der Route des Camino folgt, sieht immer wieder die Pilgerinnen einzeln oder in Gruppen aus Feldern und Wäldern auftauchen – zu Fuß, zu Fahrrad oder auch mal hoch zu Ross; je näher wir Santiago de Compostela kommen, desto zahlreicher werden sie. In den Städten und Übernachtungsorten bietet sich immer wieder Gelegenheit zu interessanten Gesprächen. In Ponferrada zum Beispiel liegt der Stellplatz direkt neben der Pilgerherberge, deren Sanitäreinrichtungen man benutzen darf.
Und wer selbst das Bedürfnis nach religiöser Einkehr verspürt, hat dazu entlang der Route in zahlreichen Kathedralen und anderen Gotteshäusern reichlich Gelegenheit – von Pamplona und Burgos über Leon bis Santiago de Compostela. Die zu besuchen lohnt sich aber auch wegen ihrer architektonischen Schönheit und bisweilen Einzigartigkeit.
Viele der PilgerInnen wandern von Santiago aus noch rund 80 Kilometer weiter nach Westen zum "Ende der Welt", dem Cabo Fisterra, um dort ihre ausgedienten Socken zu verbrennen. Für ReisemobilistInnen ist dieser Abstecher zum westlichsten Punkt Spaniens ungleich einfacher zu bewältigen, wobei man auf das Verbrennen der Reifen des Campers vielleicht besser verzichten sollte ...

Der besondere Tipp
Die gotische Kathedrale Santa María de Regla von León sticht als in mehrfacher Hinsicht einzigartiger Sakralbau hervor. 125 bis zu 12 Meter hohe Buntglasfenster bedecken eine Fläche von nahezu 1800 Quadratmetern, und der Bau beherbergt eine der besten Orgeln Europas. Die Geschichte des filigranen Bauwerks ist geradezu haarsträubend interessant. Der erste Baumeister war offenbar bei der Auslegung von Pfeilerquerschnitten und Mauerwerksflächen im 13. Jahrhundert so risikobereit, dass das Gebäude 600 Jahre später einzustürzen drohte und vollständig restauriert werden musste.
Die Vielfalt der nordspanischen Weine
Die spanische Weinbautradition ist wohl ein paar tausend Jahre alt. Nach den Römern war die katholische Kirche maßgeblich an der Entwicklung beteiligt, indem Mönche nahe bei ihren Klöstern Reben für die Erzeugung von Messwein anbauten. Nach der Überwindung der Reblausplage vor über 100 Jahren und besonders mit dem Beitritt zur Europäischen Union 1986 ging es mit dem Weinanbau stetig bergauf. Heute ist Spanien ein bedeutendes und sich dynamisch entwickelndes Weinland. Und einige der besten Weine wachsen im Norden des Landes, entlang des Jakobswegs.

Die ersten beiden spanischen Regionen, die der Camino Francés durchquert, Navarra und Rioja, gehören zu den bekanntesten Weinanbaugebieten Europas, ja der Welt. Besonders La Rioja ist nicht nur WeinkennerInnen ein Begriff. Das Gebiet zieht sich auf etwa 100 Kilometern am Fluss Ebro entlang, und der Camino führt mitten durch es hindurch. Das große Renommee führte hier indes auch zu stolzen Preisen. Doch am Weg finden sich auch Alternativen. Gerade Navarra wartet mit durchaus ebenbürtigen Weinen für deutlich weniger Geld auf.
Auf dem Weg nach Westen durchquert man außerdem die Anbaugebiete Tierra de León, Bierzo, Valdeoras und Ribeira Sacra. Auf den teils extrem steilen Weinbergen wachsen hier sowohl Rot- als auch Weißweine für unterschiedlichste Ansprüche. Auch für Nicht-WeintrinkerInnen ist besonders diese landschaftlich spektakuläre Region mit langen Gebirgszügen und den schmalen, tiefen Flusstälern von Sil und Miño einen Besuch wert.

Der besondere Tipp
Auf unserer Suche nach guten, bezahlbaren Weinen haben wir die Bodegas Valcarlos in San Arcos entdeckt. Von der A 12 von Pamplona nach Logroño aus sieht man weithin das Weingut mit seiner extravaganten Kuppel. Eine von Olivenbäumen gesäumte Allee führt auf ein breites Eisentor zu. Eigentlich war man hier bisher auf die Direktvermarktung an EndkundInnen nicht wirklich eingestellt, aber auf Nachfrage am Tor wurde uns dieses jedes Mal bereitwillig geöffnet. Hier kann man sich recht günstig die Stauräume mit edlem Rebensaft vollpacken.
Rote Felsen in üppigem Grün

Südwestlich des Jakobswegs, nahe Ponferrada, zweigt bei Carucedo ein schmales Sträßchen nach Süden ab und erreicht nach wenigen Kilometern das Dörfchen Las Médulas. Vereinzelte rote Felsen machen schon hier neugierig. Die ganze Pracht dieses Naturparks erschließt sich allerdings erst nach einer Wanderung. Im Besucherzentrum Aula Arqueológica de las Médulas gleich am Ortseingang erfährt man, wie diese eindrucksvolle Landschaft entstanden ist, die seit 1997 zum Unesco-Welterbe gehört.
Nicht die Natur hat sie geformt, sondern die Römer waren hier am Werk. Sie haben in dieser abgelegenen Region Nordspaniens um das Jahr null unserer Zeitrechnung herum die wichtigste Goldmine ihres Reiches betrieben. Um an das begehrte Edelmetall zu gelangen, ließen sie sich eine ganz besondere Methode einfallen, bei der UmweltschützerInnen – und wohl nicht nur diese – heute die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden. Mit einem 100 Kilometer langen Kanalsystem wurde Wasser in riesigen Mengen herantransportiert, um durch unterirdische Kanäle die Landschaft regelrecht zu fluten, damit das Erdreich abzutragen und so an das Gold zu gelangen. Unzählige Arbeiter wühlten sich unter Einsatz ihres Lebens dafür durch den Sandstein. Übrig blieben nach der Ausbeutung der Vorkommen und dem Abfluss des Wassers die bizarr geformten roten Sandsteinfelsen, die heute aus dem satten Grün der Kastanienwälder und des Buschwerks ragen.

Der besondere Tipp
Der Mirador de Pedrices und der Mirador de Orellán sind zwei Aussichtspunkte, von denen aus man das rote Felsenmeer am besten überblicken kann. Vom Dörfchen Las Médulas führen unterschiedlich lange Wanderwege zu diesen Aussichtspunkten. Alternativ kann man die Wanderung zu den Miradores auch im Nachbardorf Orellán beginnen.
Stellplatz-Tipps in Nordspanien
Fazit
So reizvoll ist Nordspanien: Längs des Camino Francés besuchen wir reizvolle Städte und Dörfer und radeln durch eines der weltweit bekanntesten und angesehensten Weinanbaugebiete: La Rioja. Ein landschaftlicher Leckerbissen erwartet uns südlich von Ponferrada, wenige Autostunden vor Santiago de Compostela. Rote Felsen ragen aus einer üppig grünen Wald- und Buschlandschaft. Auf einer kurzen Wanderung erreichen wir spektakuläre Aussichtspunkte und lernen Interessantes über die Entstehung dieser ungewöhnlichen Szenerie.