Geht es ums Thema Gas im Reisemobil, scheiden sich die Geister. Die einen erachten Gas zum Kochen, Heizen und Kühlen praktisch als alternativlos. Andere wollen es partout nicht an Bord haben – in erster Linie aus Sorge um die Sicherheit.
Tatsächlich funktioniert eine Gasanlage an Bord meist ohne Probleme – das zeigen auch regelmäßig die Leserbefragungen von promobil. Moderne Gasanlagen haben ausgeklügelte Sicherheitsvorkehrungen, Unglücksfälle in Zusammenhang mit Gas im Reisemobil sind sehr selten. Kommt es dennoch zu Problemen, ist meist unsachgemäße Handhabung oder mangelnde Wartung die Ursache.
Gerade Neueinsteiger äußern jedoch häufig den Wunsch nach einem Camper, der komplett ohne Gas funktioniert. Diese Erfahrung hat auch der Vermieter Hannes Camper gemacht und sein neuestes Modell deshalb gasfrei konzipiert. Es handelt sich um einen rund sechs Meter langen Bus auf Basis des Mercedes Sprinter, der unter dem Markenlabel Viica vertrieben wird – es gibt ihn zu mieten oder zu kaufen.
Die wichtigsten Aspekte der Gasfreiheit
promobil zeigt am Beispiel des Viica 60 S, welche Technik ein gasfreier Camper an Bord hat, wie sie funktioniert und wie sie sich von einem Fahrzeug mit Gasanlage unterscheidet. Zudem haben wir den gasfreien Ausbau des Campingbusses in der Praxis getestet und werfen einen Blick auf die Gewichtsbilanz des Campers.
Grundsätzlich gilt: Alle Systeme, die im Wohnmobil üblicherweise mit Gas betrieben werden, müssen durch gasfreie Geräte ersetzt werden. Konkret betrifft das Heizung und Warmwasser, Kühlschrank und Herd.
Heizung und Warmwasser ganz ohne Gas?
Relativ einfach ist die Sache noch bei Heizung und Warmwasser. Hier sorgt im Viica 60 S eine Truma-Combi-Diesel-Heizung für den nötigen Komfort. Die neueste Generation steht dem Gas-Pendant kaum nach, manche Camper monieren aber nach wie vor das etwas präsentere Arbeitsgeräusch und den außerhalb des Fahrzeugs wahrnehmbaren Abgas-Geruch, insbesondere, wenn die Combi D mit hoher Leistung arbeitet.

Die Dieselheizung ist unter der Sitzbank verbaut.
Kühlen und das ohne Gas?
Thema Kühlschrank: Ein Kompressorgerät, das anders als ein Modell mit Absorbertechnik stets mit Strom arbeitet, ist im Kastenwagen-Segment ohnehin seit einigen Jahren Standard. Auch bei hohen Außentemperaturen hält der Kompressorkühlschrank Lebensmittel zuverlässig kühl; Absorber kommen da mitunter an ihre Grenzen. Auch ein leicht schräg stehendes Fahrzeug toleriert der Kompressor besser als der Absorber. In Kauf nehmen muss man das kontinuierliche Brummen des Kompressors. Im Nachtmodus reduziert sich das Geräusch zwar, empfindliche Naturen werden das Gerät aber über Nacht ausschalten (müssen).

Der Kompressorkühlschrank ist mit 70 Liter Volumen recht klein, aber groß genug für kleine Ausflüge.
Wie geht gasfrei kochen?
Besonders spannend wird das Thema gasfreies Reisemobil beim Kochen. Will man hier auf Gas verzichten, kommt meist ein Induktionskocher an Bord – so auch beim Viica 60 S.
Das leistungshungrige Gerät verlangt nach 230 Volt Wechselstrom. Fein raus ist folglich, wer mit dem Camper am Landstrom hängt – zumindest, solange die Absicherung des Campingplatzes mitspielt.
Wer autark steht, braucht einen Wechselrichter. Zudem ist eine großzügig bemessene Batteriekapazität unabdingbar – was Kosten und Gewicht des Fahrzeugs steigen lässt.
Viica stattet den 60 S serienmäßig mit einem 2000-Watt-Wechselrichter von Mastervolt aus und installiert im Standard Lithiumakkus mit 200 Amperestunden Energieinhalt. Der Testwagen verfügte über das optionale 400-Ah-Paket. Gegen neuerliche 2.200 Euro Zuzahlung sind 600 Ah möglich. Weitere sinnvolle Option: ein Solarpanel auf dem Dach – im Testwagen fehlte es.
So lange reicht der Strom
Kleines Rechenbeispiel: Der Viica 60 S hat zwei Induktionskochfelder mit 1000 und 1300 Watt maximaler Leistung. Das kleinere 1000-Watt-Kochfeld ließe sich mit den 400 Ah Batteriekapazität des Testwagens theoretisch 4,8 Stunden bei maximaler Leistung betreiben (400 Ah mal 12 V = 4800 Wh / 1000 W = 4,8 Stunden). Nicht berücksichtigt sind dabei Verluste durch den Wechselrichter/Leitungen oder andere Verbraucher.
Doch da alle Theorie bekanntermaßen grau ist, haben wir das gasfreie System des Viica 60 S in der Praxis erprobt. Zunächst haben wir auf dem Induktionsherd einen Liter Wasser zum Kochen gebracht. Auf der 1000-Watt-Kochfläche gelang dies in sieben Minuten, auf der 1300-Watt-Platte in sechs Minuten – da kommt kein Gaskocher mit.

Interessant ist dabei, den Bordcomputer auf dem Zentraldisplay im Blick zu behalten.
Vertrauenserweckend: Um den einen Liter Wasser zum Kochen zu bringen, sinkt der Akkufüllstand laut Anzeige gerade mal von 98 auf 95 Prozent. Allerdings fließen rund 83 Ampere, wenn die 1000-Watt-Platte mit voller Leistung arbeitet. Würde man mit diesem Verbrauch weiterkochen, wäre der Akku nach weniger als fünf Stunden leer, verkündet die Anzeige – was sich ganz gut mit dem weiter oben errechneten Theoriewert deckt.
Einfache Bedienung
Die gasfreie Bordtechnik erwies sich im Test als überraschend unkompliziert. Ein Kippschalter neben dem Display aktiviert den Wechselrichter, die Bedienung des Induktionskochfelds mit Touch-Tasten ist kinderleicht. Einzig der akustisch sehr präsente Lüfter des Kochers fällt auf. Nach dem Kochen und insbesondere vor der Nachtruhe empfiehlt es sich, den Wechselrichter auszuschalten. Nicht nur, weil das Gerät sonst permanent Strom zieht, sondern vor allem, weil sonst nachts der Lüfter des Wechselrichters regelmäßig anläuft – und der ist unter dem Bett verbaut.
Während des mehrtägigen Praxistests hing der Viica nie am Landstrom, wurde allerdings täglich bewegt, sodass über die Lichtmaschine der Akku nachgeladen wurde. So kamen wir nicht ansatzweise in Bedrängnis, was die Batteriekapazität anging. Aber auch zwei, drei Tage autarkes Stehen ohne externe Energiezufuhr oder Fahren sollte das Setup problemlos wegstecken. Wer auf Nummer sicher gehen will, legt sich einen Gas-Kartuschenkocher in die Schublade.
Die große Frage der Gewichtsbilanz: Spart man gasfrei an Gewicht?
Bleibt noch die Frage, wie sich der gasfreie Ausbau auf die Gewichtsbilanz auswirkt. Immerhin spart man die schweren Gasflaschen, holt sich aber gewichtige große Akkus an Bord. Mit vollem Wasser- und Dieseltank kommt der Testwagen auf 3.135 Kilogramm. Damit liegt der Viica auf Augenhöhe mit vergleichbaren Sprinter-Ausbauten mit Gas-Technik.
Kein Wunder: Eine 400-Ah-Lithiumbatterie wiegt rund 40 Kilogramm, zwei volle Elf-Kilogramm-Stahlgasflaschen etwa 48 Kilogramm – das gleicht sich also in etwa aus.
Statt des Gasflaschenkastens verbaut Viica im linken Seitenpodest des Heckstauraums eine Schublade für Kleinteile. Viel mehr Stauraum gewinnt der gasfreie Camper aber nicht, denn der vordere Teil des Seitenpodests ist komplett für den großen Akkublock und weitere Technik wie Wechselrichter, Ladegerät und Booster reserviert.
Der Viica 60 S im Überblick

Alles gut untergebracht aber das Platzangebot ist dennoch sehr schmal.
- Basis: Mercedes-Benz Sprinter 315 CDI, 110 kW/150 PS, 9G-Tronic-Automatikgetriebe, Hinterradantrieb
- Länge/Breite/Höhe: 593/206/284 cm
- Masse fahrbereit laut Hersteller: 2.945 kg
- Zul. Gesamtmasse: 3.500 kg
- Frisch-/Abwasser: 112/90 L
- Lithiumakkus: 200/400/600 kWh
- Heizung: Truma Combi 4D
- Grundpreis First Edition: 107.500 Euro
- Testwagenpreis: 114.050 Euro
Pro- & Contra eines gasfreien Campers
Kein Hantieren mit schweren Gasflaschen
Keine Sorge um Gas-Nachschub im Ausland (andere Anschlüsse/Flaschen)
Tendenziell etwas mehr Stauraum, da großer Gasflaschenkasten nicht benötigt wird
Kompressorkühlschrank kühlt auch bei hohen Außentemperaturen zuverlässig und toleriert schräg stehendes Fahrzeug
Induktionskocher: schnelle und effiziente Erhitzung, geringe Wärmeabgabe in den Raum, unkomplizierte Reinigung
Beim Autark-Campen enormer Energiebedarf via Bordbatterien/Wechselrichter nötig
Kochen mit Landstrom erfordert ausreichende Absicherung des Campingplatznetzes – besonders in Südeuropa häufig nicht gegeben
Hohe Kosten durch große Akkus und Wechselrichter. Auch der Induktionskocher ist teuer
Induktionskocher erfordert spezielle Töpfe
Kompressorkühlschrank arbeitet nicht geräuschlos
Dieselheizung verursacht mehr Geräusch- und Geruchsbelästigung als Gas-Variante
Bei entsprechender Akkukapazität kein Gewichtsvorteil durch Verzicht auf Gasanlage