Wir wollten ein Wohnmobil! Es sollte alt, sollte von Hymer sein, außerdem sollte es eine H-Zulassung bekommen können." Bettina und Dieter Schulte-Nienhaus waren sich sehr einig, als es um den Wunsch-Camper ging, das Lastenheft war präzise. Mehr zum Theme H-Zulassung für Wohnmobile lesen Sie hier.
Vielleicht liegt das ja auch an ihren Erfahrungen, in den letzten Jahren haben sie bereits drei klassische Wohnwagen von Hymer auf die Räder gestellt. "Wir haben drei Eriba, einen Puck, einen Pan und einen Troll", erklärt Bettina stolz, gezogen wird unter anderem mit einem Käfer Cabriolet, einem Renault R11 und einem Mazda MX5 aus der ersten Serie.
Oldtimer Eriba-Jet, ein Fundstück

Fundstück aus vor-digitalen Zeiten, Schilder und Buchstaben ergattert man manchmal auf dem Flohmarkt. „Passt gut zu Hudo, oder?“
Im Februar 2020 kam dann die Idee auf, zusätzlich ein historisches Wohnmobil zu erwerben. "Natürlich gab es Klassiker im Angebot. Aber zumeist teuer oder Kernschrott – oder teurer Kernschrott", Dieter schaudert, "Einmal haben wir uns einen 540er-Hymer angeschaut, die Reste der letzten Mahlzeit gammelten im Kühlschrank, es war die Hölle."
Wer sich mit dem Gedanken trägt, einen Klassik-Camper zu erwerben, der muss mit solchen Geschehnissen rechnen. Und unnütz verfahrene Kilometer im Rahmen einer Besichtigung als Lehrgeld verbuchen.

Fürs Campinggestühl hat Dieter eine Dachbox nachgerüstet, die Leiter ist original.
Doch der Wagen, den man sucht – den gibt es schon. "Man muss ihn halt nur finden", meint Dieter, zu Hause sind die beiden im Bereich Büdingen, eine starke halbe Stunde nordöstlich von Frankfurt am Main. "Dort sitze ich eines schönen Sonntagmorgens, klicke mich ein wenig durchs Internet – und stolpere plötzlich über ein spannendes Inserat."
In Mülheim-Kärlich wird ein "Renault mit Hymeraufbau" verkauft – von einem "Hymermobil" ist nicht die Rede, ein Glück. Schnell hat Dieter den Finger drauf, er erzählt: "Ich hab sofort Kontakt aufgenommen – und gebeten, den Wagen bitte zurückzuhalten."
Der Traum-Retro-Camper

Praktische Fahrertür, nicht üblich bei Integrierten der Zeit.
Rasch trifft man sich mit der Besitzerfamilie, die diverse Urlaubsgeschichten parat hat. "Wir haben die obligatorische Probefahrt gemacht und den Camper direkt bezahlt."
Danach ging es umgehend in die hessische Heimat – und der große Knall geschah 20 Kilometer vor der Haustür, ein Reifenplatzer, die Pneus von 1990 waren einfach nicht mehr in Form, "zum Glück ist nicht mehr passiert". Wäre ja aber auch schade gewesen, wenn der sonst in wirklich ausgezeichnet gutem Zustand befindliche Eriba-Jet Schaden genommen hätte!
Erstmals zugelassen wurde der Wagen am 27. April 1990, die Innenausstattung war weitgehend original. "Das Bad war ein wenig umgebaut, aber das haben wir auf den Auslieferungszustand zurückgerüstet", erinnert sich Bettina. Beim Kauf hatte das markante Reisemobil 130.000 Kilometer, jetzt sind es 158.000. "Wir waren viermal in der Schweiz, waren in Belgien, in den Niederlanden, in Schweden, in Dänemark und in Norwegen gerade wieder sieben Wochen."

Hell und luftig, die Hecksitzgruppe wird auf Wunsch zum Bett.
Obgleich kein Bolide, so nimmt der Renault Trafic es doch mit großen Distanzen auf, der Sauger gönnt sich zehn bis elf Liter Diesel auf 100 Kilometer. "Natürlich ist es kein Rennwagen. Mit 58 PS aus den 2,1 Liter ist er eher gemächlich unterwegs, wir genießen das entspannte Fahren, meist rollen wir mit Tempo 90 oder 95 zwischen den Lastern, das genügt." Ungenügend war hingegen die Qualität des originalen, indes gebrochenen Schriftzugs, Dieter hat ihn kunstfertig mit Gießharz gesichert. Und dem Kühlschrank hat er einen Lüfter gegönnt, das erleichtert dem 50 Liter großen Electrolux-Absorber die Arbeit.
Und einen Spitznamen hat der Camper natürlich, "wir nennen ihn Hudo, nach dem Hudson Greater Eight von Heidi Hetzer". Die nimmermüde Berlinerin, die sich als Autohändlerin und Rallyefahrerin einen Namen gemacht hatte, ging vor einigen Jahren mit ihrem 1930er-Oldtimer auf Weltreise und fuhr dabei geschätzt 84.000 Kilometer. Ein überaus würdiger Namensgeber!
Die Ausstattung des Campers von 1990

2 x 11 Kilo Propan? Oder 1 x 5 Kilo, dann passt die Kühlbox mit rein!
Der hessische Hudo basiert auf einem Renault Trafic der ersten Generation und hat eine enorme Bodenfreiheit. "Der Camper wurde in Frankreich gebaut und in dieser Form nur dort verkauft", erklärt Dieter, während er das Innere zeigt und zunächst die dem Renault Espace entlehnten Drehsitze kreisen lässt. "Von dem Feature wussten die Vorbesitzer nix", schmunzelt er. "Toll ist auch die Fahrertür, die meisten Vollintegrierten hatten so etwas nicht." Was nicht jeder Camper mit 5,8 Meter Lebendlänge hat, das sind sechs Schlafplätze und sechs Sitzplätze, "alle mit Gurt", betont Bettina.
Kätzchen Kyra streicht derweil um unsere Füße, "die ist immer mit an Bord, wenn wir unterwegs sind". Und das Trio ist oft unterwegs, beinahe jedes Wochenende, wenn irgend möglich. Es geht auf Treffen oder schlicht in den Urlaub, ein Museumsfahrzeug ist der Camper nun wahrlich nicht. Aber das stand ja nicht im Lastenheft.
Daten & Fakten Eriba-Jet
- Erstzulassung: 27. April 1990
- Motor: Renault Trafic, Vierzylinder-Saugdiesel, 2,1 Liter, 58 PS
- Getriebe: 5-Gang-Schaltgetriebe
- Fahrwerk: VA mit McPherson-Federbeinen (Teleskop-Stoßdämpfer u. Schraubenfedern), verstärkte HA, Blattfeder, hydraulische Stoßdämpfer
- Reifen: 175 R14
- Campingausstattung: Hubbett (1,97 × 0,65 m), Rundsitzgruppe / umbaubar zum Heckbett (1,97 × 1,38 m), Mittelbett (1,78 × 1,12 m), 6 Schlaf-/Sitzplätze, Gasheizung, 50-L-Kühlschrank, Frisch-/Abwasser 80/90 L, Boiler, Bad mit Dusche, Toilette, Gasflaschen 2 × 11 kg, Bordakku 45 Ah, 7 x 12-Volt-Leuchten, 4 Ausstellfenster, 2-Flammen-Gaskocher