Wie ein Balkon schwebt das Chalet de la Maline über dem Abgrund der Gorges du Verdon. Die Wanderhütte auf 893 Meter Höhe liegt an der Route des Crêtes, deren asphaltierte Schlaufe sich eng an das Nordufer der berühmten Schlucht schmiegt. Ungefähr eine halbe Stunde geht es von dort oben bergab in die 300 Meter tiefer gelegene Talsohle. Unten beginnt der Sentier Martel. Der legendäre Wanderweg vom Chalet de la Maline zum 16 Kilometer entfernten Aussichtspunkt Le Point Sublime ist ein Klassiker. Bei günstigen Windverhältnissen erspäht man von hier den einen oder anderen Paraglider, Drachen- oder Segelflieger über den Kalkhängen.
Gut für Outdoor und Abenteuer: die Schluchten des Verdon
Überhaupt scheint der mächtige Canyon ein einziger Sport- und Abenteuerspielplatz zu sein: An der Pont de l’Artuby springen Bungee-Jumper in die Tiefe, über die Passstraßen röhren Motorräder, an einigen Felswänden klettern bunt gekleidete Gestalten empor. Durch die schäumenden Wasser des Verdon bahnen sich Wildwasser-Kajaks mit rasanten Manövern ihren Weg durch die Wellen.
Dem Höhlenforscher Edouard-Alfred Martel (1859-1938) gelang es 1903 als Erstem, die Gorges du Verdon in einer dreitägigen Expedition zu durchwandern. Ziel war es, den tosenden Fluss zwecks Nutzung der Wasserkraft zu erschließen. In den 1930er Jahren legte der Touring Club de France den Fernwanderweg mit dem Namen des Höhlenforschers durch die Sohle der Schlucht an.
Durch den Verdon – ein Weg nicht ohne Risiko
Buchsbäume, Buchen, Linden, Ahornbäume und Eichen beschatten den Weg. Mit etwas Glück bekommt man Gämsen zu Gesicht, die an den unzugänglichen Steilflanken und auf Geröllhalden ein ideales Terrain finden. Ständig rauscht der Verdon in den Ohren. Kiesel- und Sandstrände laden zur Rast ein. An ihrer tiefsten Stelle, dem Pré d’Issane, gleicht die Schlucht plötzlich einem Wiesenidyll. Seltene Blumenarten sind zu bewundern, zudem gedeihen hier Orchideen ganz prächtig.
Bald ändert sich das Bild: Stahltreppen und Seile erleichtern die Wanderung über Geröllhänge. Die eigentliche Bewährungsprobe folgt auf halber Strecke: Beim Balcon de la Mescla, einem Aussichtspunkt an der Steilkante des rechten Ufers, muss man mittels eines schwindelerregend steilen Stahlgerüsts die Felskluft La Brèche d’Imbert bewältigen – aufregend.
Dann wird es noch spannender: Die Schlucht verengt sich zum Couloir Samson, an den die Felswände beeindruckend nah heranrücken. Der erste, kurze Tunnel lässt sich kurz vor Ende der Wanderung noch ohne Taschenlampe bewältigen. Bald darauf folgt ein zweiter, mit 700 Metern wesentlich längerer. Also Licht an! Am Ende des Dunkels steht man auf dem Parkplatz am Point Sublime, von wo aus Sammeltaxis die Wanderer bequem zurück zum Ausgangspunkt bringen.
Bei der Ankunft in Palud-sur-Verdon oder Castellane sitzen auf den Restaurantterrassen bereits alle beim Aperitif. Wandertipps werden ausgetauscht. Wer Glück hatte, hat auf seiner Tour einen Geier oder einen Bonelli-Adler zu Gesicht bekommen, der majestätisch seine Runden über der Schlucht gezogen hat. Die kräftig gebauten Greifvögel besitzen eine Spannweite von bis zu 175 Zentimetern.
Eine Spritztour mit dem Reisemobil empfiehlt sich dann zum Ausklang des Tages, denn am Abend geht es auf den sonst von Ausflüglern bevölkerten Straßen um die Schlucht sehr viel gemächlicher zu. Die Route folgt den Windungen des Flusses, Ziel sind die Balcons de la Mescla, Felsterrassen mit spektakulärem Ausblick, unter denen rund 250 Meter tiefer der Artuby in den Verdon einmündet – besonders romantisch ists hier im Abendrot.

Und am nächsten Tag? Geht es zum Verschnaufen und Baden an den Lac de Sainte-Croix, den mehr als 20 Quadratkilometer großen Stausee des Verdon. Hoch über dem türkisblauen Wasser und den gelben Sandstränden des zweitgrößten Stausees Frankreichs thront malerisch das Schloss von Aiguines.
Feines Dekor
Seit dem 17. Jahrhundert werden in Moustiers-Sainte-Marie unweit der Verdon-Schlucht Fayencen hergestellt. Die Maison Bondil gehört zu den ältesten Betrieben vor Ort. Das Angebot an Keramiken reicht von barocken Grotesken über Chinoiserien bis hin zu exotischen Landschaften im legendären Bleu de Clérissy, einem Kobaltblau. Hergestellt werden sie nach traditionellen Techniken. Nach dem ersten Brennen bei 1040 Grad Celsius wird das Dekor aufgemalt – für die filigranen Muster bedarf es eines sicheren Pinselstrichs. Beim zweiten Brennen wird die Farbe fixiert.
Wilde Wasser

Nervenkitzel für Wagemutige: Über eine Länge von 21 Kilometern hat der Verdon sich in die Kalkhänge gegraben, bis zu 700 Meter hoch ragen die Wände der Schlucht über dem Wasser auf. Für Wildwasser-Fahrer und Rafting-Fans bieten die zahlreichen Stromschnellen, Höhlen und spektakulären Anblicke einen herrlichen Naturspielplatz. Die Touren gelten als anspruchsvoll, die Wasserfälle weisen teils einen Höhenunterschied von bis zu 25 Metern auf. All das erfordert Geschick, Erfahrung und Kondition – rund fünf Stunden dauert die Schluchtenfahrt.
Info
Auskunft: Das regionale Fremdenverkehrsbüro Agence de Développement Touristique des Alpes de Haute-Provence informiert über alle wichtigen Fragen. KeineWebsite in deutscher Version.
Adresse: 04000 Digne-les-Bains, Maison des Alpes de Haute-Provence, -Immeuble François Mitterrand, 8, Rue Bad Mergentheim, Telefon 0033/492315729, www.alpes-haute-provence.com