Das Storchennest hockt ganz oben auf dem kleinen Kirchturm. Es fällt uns nur auf, weil sich ein Elternteil gerade mit breiten Schwingen im Landeanflug befindet. Vor fünf Minuten ist vor uns eine Gruppe Kraniche über die Landstraße geflogen – im Gegenlicht waren es nur Schattenrisse.

Wir fahren mit dem Reisemobil durch Dörfer mit gemütlichen Backstein-Bauernhöfen und entlang blinkender Seen. Manchmal sehen wir renovierungsbedürftige alte Herrenhäuser mit romantischen Alleenauffahrten in 100-Seelen-Nestern, dann wieder kommen wir an unlängst renovierten, stattlichen Märchenschlössern vorbei. Eine herzerwärmend schöne Natur- und Kulturlandschaft ist das hier draußen im Nordosten Deutschlands. Man möchte die Menschen, die hier leben, eigentlich auf der Stelle und lebenslang beneiden, aber man ahnt auch, wie schwierig es sein kann, im ländlichen Mecklenburg halbwegs sorgenfrei sein Geld zu verdienen.
Die Kleinseenplatte, die Müritzregion, die hügelige Mecklenburgische Schweiz – das sind Landstriche, die sich sehr gut mit dem Reisemobil erkunden lassen. Ab und zu rumpelt’s halt ein wenig – aber das alte Kopfsteinpflaster hat ja auch seinen Charme.
Ein Großteil der Stell- und Campingplätze liegt direkt am Wasser, die Infrastruktur ist aber teilweise noch so, dass es ganz gut ist, wenn man sein kleines (oder größeres) Schneckenhaus mit Schlafplatz und Küche immer mit sich führt. Wir lieben die Kombination aus wilder und gezähmter Natur, Seen, Kulturstädten und alten Gutshäusern, sind deshalb oft an der Seenplatte unterwegs.

In viele der Herrenhäuser und Schlösser ist mittlerweile neues Leben eingekehrt. Gutsmanufakturen sind entstanden, Hotels, Ferienwohnungen, Event-Locations und Kunststätten. Mancherorts haben die alten Adelsfamilien ihre Besitztümer nach der Wende zurückgekauft, andere Häuser wurden von kreativen Köpfen übernommen, einige frischgebackene Gutsbesitzer sind aus Berlin ausgewandert. Jüngstes gelungenes Schloss-Umnutzungs-Beispiel: Schloss Kummerow am Kummerower See. Torsten Kunert hat das Haus aufwendig und dabei so respektvoll renovieren lassen, dass das Herrenhaus optisch noch seine wechselvolle Geschichte erzählen kann. Und: Im Schloss hängt nun ein Teil der privaten modernen Fotokunst-Sammlung des Besitzers und kann besichtigt werden.
Nur ein paar Kilometer weiter steht Dargun, eine beeindruckende Schloss- und Klosterruine, die auch wieder als Rahmen für Kulturveranstaltungen dient. Im Romantikhotel Ludorf direkt an der Müritz kann man Spitzengastronomie erleben, auf Gut Dalwitz werden Pferdefreunde glücklich. Und auf der Wasserburg Liepen gibt’s die Alte Pomeranze (siehe Seite 126). Man kann hier gut von Schloss zu Schloss radeln – oder wie wir eine Rundfahrt mit dem Mobil machen. An der Mecklenburgischen Seenplatte ist es abwechslungsreich, auch wenn das Wetter einmal nicht mitspielt.

Klar, dass sich das Reisetempo halbiert, sobald es richtig warm und sonnig ist. Dann lockt der See direkt beim Stellplatz zu einer morgendlichen Schwimmrunde vor dem Frühstück. Die Abfahrt von der Kleinseenplatte in Richtung Müritz verzögert sich, weil es doch auch nett wäre, den Großen Priepertsee noch ein wenig mit dem Kanu zu erkunden. Macht nichts, in Waren kann man auch den Abend noch prima genießen, am besten bei frischem Fisch aus der Region, der zum Beispiel in den Restaurants am Stadthafen serviert wird. Und eine Schiffstour auf der Müritz macht auch morgen noch Spaß. Wenn es stimmt, dass in Mecklenburg alles 50 Jahre später geschieht als anderswo, wie Bismarck gesagt haben soll, dann können wir doch auch mit unserem Urlaubsprogramm ein wenig hinterher sein. Die vielen Seen, ihre Schilfufer und kleinen Badestellen sind eine zu große Versuchung, den einen oder anderen Tag am Wasser zu verbummeln, das kleine Glück am See zu suchen – und zu finden.
Da sitzt man dann auf einem Holzsteg, beobachtet einen Schwarm Minifische, liest, hört dem Rascheln des Schilfs zu, entdeckt Frösche. Röbel und Neustrelitz müssen noch warten. Basedow besichtigen wir ein anderes Mal. Hier kann man beim Nichtstun Zeit gewinnen. Sich frei fühlen wie die Störche. Die kennen die große weite Welt und kehren doch immer wieder hierher zurück.

Moltzow: In dem Dorf an der Mecklenburgischen Seenplatte steht Ulrichshusen, eines der bedeutendsten Renaissancebauwerke des Bundeslands. Der Stammsitz der Familie von Maltzahn kann für Feste und Hochzeiten genutzt werden. In der Scheune finden Konzerte der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern statt. www.ulrichshusen.de
Neubrandenburg: Sehenswert ist vor allem die alte Befestigungsmauer mit ihren vier Stadttoren. Neubrandenburg liegt außerdem am Nordufer des Tollensesees, der einer der wenigen Klarwasserseen der Region ist. Mit etwa 63 500 Einwohnern ist Neubrandenburg die drittgrößte Stadt Mecklenburg- Vorpommerns. www.neubrandenburg.de

Burg Stargard: Kleinstadt südöstlich von Neubrandenburg. Die gleichnamige mittelalterliche Backstein-Burg (Bild) stammt aus dem 13. Jahrhundert und gilt als nördlichste Höhenburg Deutschlands. Sie beherbergt unter anderem das Stadtmuseum. Auf der Burg steigt jedes Jahr ein großes Fest, 2017 vom 12. bis 13. August. www.stargarder-land.de
Waren: Touristisches Zentrum der Mecklenburgischen Seenplatte, direkt an der Müritz gelegen: Waren hat eine gut erhaltene Altstadt und einen Stadthafen. Von hier aus ist es nicht weit in den Müritz-Nationalpark, der zu ausgedehnten Wanderungen, Radtouren und Kanuausflügen einlädt. www.waren-mueritz.de, www.mueritz-nationalpark.de

Neustrelitz: Als barocke Residenzstadt der Herzöge von Mecklenburg-Strelitz im Jahr 1733 gegründet. Der Stadthafen mit Cafés und Restaurants liegt direkt am Zierker See. Sehenswert sind außerdem der Schlosspark, die neogotische Schlosskirche, Orangerie, Luisentempel und das Neustrelitzer Residenzviertel. www.neustrelitz.de
Mirow: Die Stadt ist bekannt für ihre Schlossinsel, in deren unmittelbarer Nähe es auch einen kostenfreien Stellplatz gibt. Über den Mirower See ist die Stadt auf dem Wasserweg mit der Müritz und vielen Gewässern der Kleinseenplatte verbunden. Erstklassige Möglichkeiten für Wassersportler. www.klein-seenplatte.de
promobil-Tipps für die Region
Müritzeum Waren: Wer schwimmt denn da? Herzstück des großen NaturErlebnisZentrums an der Mecklenburgischen Seenplatte ist ein riesiges Süßwasseraquarium mit 26 Becken. Im Müritzeum in Waren können Gäste die Unterwasserwelt der Region entdecken – ohne auf Tauchgang zu gehen. Besonders faszinierend ist das zweigeschossige Tiefenbecken mit einem großen Maränenschwarm. Die multimedialen Ausstellungen des Hauses machen aber auch die Pflanzen- und Tierwelt an Land auf vielfältige Art und Weise erlebbar. Spannend für große wie kleine Besucher www.mueritzeum.de

Alte Pomeranze: Die Rezeptur ist streng geheim: Auf der Wasserburg Liepen, einem Gutshaus mit uraltem Gewölbekeller, kann man den Bitterlikör Alte Pomeranze probieren. Hergestellt wird das hochprozentige Getränk, das auch gut für die Verdauung sein soll, von Verena und Hubertus Gräfin und Graf Hahn von Burgsdorff in der Hahnschen Gutsmanufaktur. Die Pomeranze – eine Mischung aus Mandarine und Grapefruit – wuchs früher in den Gärten von Schloss Basedow, dem ehemaligen Stammsitz der Familie. Die kleine Wasserburg liegt an mehreren Radwegen. Der Hofladen hat Dienstag bis Samstag von 15 bis 17 Uhr oder nach Vereinbarung geöffnet. www.alte-pomeranze.de