Die Pkw-Basis des Marco Polo, die Mercedes V-Klasse, ist ein hochwertiges Basisfahrzeug für ein Reisemobil. Mit zahlreichen Assistenzsystemen ausgestattet und in der neusten Version auch mit der digitalen Bediensystem MBUX und MBAC, der sogenannten Mercedes-Benz Advanced Control für alle Camping-Elemente an Bord, wird der Marco Polo zum Camper für die Generation Smarthome.
Ob Aufstelldach, Heizung oder Lichter – die Bordtechnik ist via Smartphone-App steuerbar. Zu dritt wollen wir mit verschiedenen Anforderungen ausprobieren, ob wir zu dieser Generation gehören und ob uns die Digitaliserung beim Alltag mit dem Reisemobil hilft.
Überblick: Marco-Polo-Versionen
Der erste Mercedes Marco Polo kam bereits 1984 auf den Markt, damals auf Basis des Transporters 207D, einem echten Nutzfahrzeug. 2022 basiert er auf der aktuellsten Mercedes V-Klasse, einem Van im VW-Bus-Format, den es von Anfang an auch als Pkw gab und den Mercedes 2019 überarbeitet hat. Für das Elektro-Pendant des Mercedes Vans, den EQV, gibt es zwar bereits erste Elektro-Campervan-Ausbauten verschiedener Hersteller wie Aktivcamper, Reimo, Sortimo oder Tonke. In ihrer jetzigen Form wird uns die V-Klasse noch ein paar Jahre erhalten bleiben, denn die Nutzfahrzeug-Verwandtschaft sorgt für lange Modellzyklen.

Marco Polo Edition
Der Marco Polo Edition basiert auf der Mercedes-Benz V-Klasse und ist ein voll ausgestatteter Campervan.
Er verfügt nicht nur über eine Schlafsitzbank und zwei weitere Schlafplätze im Aufstelldach, sondern auch über eine Küchenzeile und Schränke. Die Küche besteht aus zwei Gaskochfeldern, einem Spülbecken und mehreren Schubladen sowie Staufächern.
Aufgrund des Küchenmoduls passt nur eine Zweier-Sitzbank in den Marco Polo Edition. Das macht ihn zu einem Viersitzer.
Außerdem bringt der Edition einen Kleiderschrank mit, der eine Kleiderstange und einen beleuchteten Spiegel hat. Im Heck gibt es weiteren Stauraum sowie einen Anschluss für eine Außendusche.

Marco Polo Horizon
Wie der Marco Polo Edition basiert auch der Marco Polo Horizon auf der luxuriösen V-Klasse.
Der Horizon verzichtet auf die Küchenzeile und Schränke. Serienmäßig verfügt er über ein Aufstelldach mit zwei Schlafplätzen und je nach Konfiguration über eine Schlafsitzbank.
Die Sitzvarianten reichen vom Fünf- bis zum Siebensitzer. Die Dreier-Sitzbank sowie die Einzelsitze können dank Schienensystem einfach verschoben werden.
Da keine Möbelmodule verbaut sind, kann der Horizon im Alltag auch als Transporter für Fahrräder und Co. genutzt werden.

Marco Polo Activity
Der Marco Polo Activity basiert auf dem Mercedes-Benz Vito und bildet somit den günstigen Einstieg in die Marco Polo Familie.
Er ist ähnlich ausgestattet wie der Horizon. Auch im Activity wird auf eine Möbelzeile verzichtet. Er bietet ein serienmäßiges Aufstelldach und, je nach Ausstattung, eine Schlafsitzbank.
Dank seiner Wandlungsfähigkeit dient er mit bis zu sieben Sitzen als Personentransporter, mit ausgebauter Sitzbank als Transporter oder dank Schlafdach als Camper.
Der Testwagen
Zu unserem Test trat der Marco Polo Edition 300d AMG-Line mit 237 PS und AMG-Paket an. Das pimpt den Marco Polo nicht nur optisch, sondern verschafft ihm auch ein Sportfahrwerk, eine vollwertige Camping-Ausrüstung inklusive Außendusche, Campingstühle und Tisch für draußen. Das Besondere am Testwagen sind unter anderem vollelektrisches Hubdach, elektrisch verstellbarer Sitzbank, elektrischer Schiebetür und Heckklappe.

Der 5,14 Meter lange Marco Polo ist für einen Grundpreis von 64.710 Euro zu haben. Unser Testfahrzeug mit der üppigen Ausstattung kostet hingegen satte 95.950 Euro – die Generation Smartphone muss schon mal recht wohlhabend sein. Mit einer Höhe von 1,99 Meter inklusive Aufstelldach passt der Marco Polo sogar noch in viele Tiefgaragen. Das ist ein echter Vorteil von kompakten Campervans, der Mercedes unterbietet hier vor allem die Konkurrenz von VW, T 6.1 California um ein paar oft entscheidende Zentimeter.
Allen weiteren Vor- und Nachteilen des Marco Polo spürt ein ausgiebiger Praxistest mit drei Testerinnen nach, in dem der Camping-Bus seine Qualitäten als Alltags-Fluchtfahrzeug, Familienkutsche und Wohnmobil für zwei beweisen muss.
Testerin 1: "Schnell der Stadt entfliehen, das geht auf jedem Fall im Marco Polo."





Nane Rauscher, promobil-Redakteurin: Regelmäßig überkommt mich der Drang nach der Arbeit den Computer und Kopf auszuschalten und einfach rauszufahren. Diesesmal tausche ich meinen Transporter gegen den Marco Polo und werde prüfen, wie gut der Luxus-Campervan einen spontanen Wochenendausflug meistert. Als die automatische Schiebetüre auffährt, schlucke ich. So durchdesignt hatte ich ihn nicht in Erinnerung, ich hoffe mal ich mache den Teppich im Cockpit nicht matschig.
Mein Plan: Ein Wochenende nur das zu tun, worauf ich Lust habe und zur Abschiedsfeier einer Freundin zu fahren. Die Herausforderung: Ich will mein Mountainbike mitnehmen und ich brauche einen eher unauffälligen Schlafplatz vor der Tür der Party. Das erste Problem ist schnell gelöst: Ich fahre die Sitzbank ganz nach hinten, baue das Vorderrad des Bikes aus und stelle es einfach in den Wohnbereich. Meine Schutzdecke drunter, die Spanngurte ins das Schienensystem eingehakt und fertig. Klar für Mitreisende wäre es hinten jetzt eng, würde aber funktionieren.
Gut organisierter Stauraum

Richtig gut gefallen mir die Fächer, die es überall im Campervan gibt. Meine Mountainbike-Teile, also Schuhe, Hipbag, Helm, passen zum Beispiel perfekt unter die Sitzbank in zwei Schubladen, die Wechselklamotten in den Schrank und für die Zahnbürste und Co. gibt es ebenfalls ein kleines Schränkchen mit Spiegel. Meine Küchenutensilien schlucken die Schubladen und Fächer des Küchenblocks problemlos, Platzprobleme Fehlanzeige. Die Möbel schließen dank Softclose sanft und sind nicht nur optisch, sondern auch funktional durchdesignt. Für eine Person bleibt da mehr als ausreichend Platz.
Im Supermarkt ums Eck decke ich mich mit Proviant ein – problemlos schalte ich mit der Smartphone-App der MBAC die 40-Liter-Kompressor-Kühlbox ein. Auf dem Weg zum Trail lasse ich mich von 13 Lautsprechern und einer Bassbox beschallen, das ist Luxus, den ich mag. Die Laune stimmt, die PS-Zahl auch. Obwohl mir ehrlich gesagt schleierhaft ist, wofür mehr als 230 PS bei einem Campervan notwendig sind. Alltagsflucht hat für mich was mit Entschleunigung zu tun und PS-Boliden waren nie mein Ding. Heute aber erscheinen sie mir wie ein Relikt aus der Vergangenheit. Gottseidank kann man auch mit vielen PS bummeln und Diesel sparen.
Schnell in der Natur wäre ich zwar auch mit 100 PS, aber die Technologie, genauer die 360-Grad-Kamera helfen dann doch bei vollen Wanderparkplätzen: Zielgenau zirkle ich so in eine enge Parklücke.

Schnell umziehen und aufs Bike – als ich zwei Stunden später zurück bin, ist die Spezi kalt und die Laune noch besser. Für das Nickerchen vor der Party fahre ich auf Knopfdruck einfach das Dach aus, die Mercedes MBAC-App macht es erst NutzerInnen wirklich einfach. Schritt für Schritt ist alles erklärt, alle Einstellungen sind schnell zu finden.

Im Dachbett ist die dünne Matratze eher hart. Das mag ich aber ohnehin und die frische Luft durch die Luken bringt Meerfeeling auch wenn nur die Baumwipfel des Schönbuchs rauschen.
Unauffällig campieren

Meinen Stellplatz für abends finde ich vor der Haustüre der Party, "auffällig campen", will ich hier nicht. Also ziehe ich die Verdunklungen hoch, die im hinteren Bereich überall elegant in die Verkleidung integriert sind. Die zweite Nacht verbringe ich auf einer Wiese beim Bauern und schlafe im aufgestellten Dach.
Obwohl mir technische Extras wie automatische Türen nicht wichtig sind, bin ich Fan des Aufstelldachs. Denn wo sonst kompliziert der Zeltbalg sortiert, Gurtbänder gesichert und Haken fixiert werden müssen, legt man hier nur den Finger aufs Display. Leider ist das Einfahren des Dachs das Ende des Trips, ich hätte ihn gern ausgedehnt – nächstes Mal dann.
Testwertung als Alltags-Fluchtfahrzeug: 3 von 3 Punkten
Testerin 2: "Viel Ladevolumen, aber schlecht erreichbar"





Lisa Geiger, promobil-Redakteurin (frisch zurück aus der Elternzeit): Wer mit Kindern verreist, weiß, da kommt viel Gepäck für einen Urlaub zusammen. Deswegen wollte ich den Marco Polo auf seine Transport- und Alltags-Fähigkeit testen. Positiv fällt direkt auf: Zwei große Kindersitze mit Isofix passen auf der Sitzbank nebeneinander. Damit das Isofix richtig befestigt werden kann, muss man die Lehne des Sitzes eventuell etwas schräg stellen, da wie bei uns die Haken des Kindersitzes sonst nicht richtig einrasten können.
Doch beim Einladen stehen mein Mann und ich schon vor einem Hindernis: Wir haben die Sitzbank ganz nach vorne geschoben, damit die Person auf dem Beifahrersitz den Kindern beim Autofahren Kekse, Getränke oder Spielsachen reichen kann. In der vorderen Position entsteht dann eine große Lücke zwischen der Liegeflächen-Erweiterung im Heck und der Sitzbank-Rückenlehne. Und genau da soll unser Gepäck hin. Sind, wie bei uns Kindersitze eingebaut, kommt man praktisch nicht mehr an der Sitzbank vorbei, um Dinge von vorne einzuladen. Unsere Taschen und Co. haben wir dann vom Heck aus mehr oder weniger in die Lücke geworfen. Nicht sehr elegant. Und ein Fahrrad oder E-Bike, das vom Ladevolumen eigentlich gut hineinpasst, bekommen wir so kaum eingeladen.
Angenehme Fahrt zum Ammersee

Dann geht es los Richtung Ammersee, wir wollen eine Nacht auf dem Wohnmobilstellplatz in Dießen verbringen. Über die V-Klasse als Basisfahrzeug für den Marco Polo kann ich nur Gutes berichten. Dank Vierzylinder-Diesel mit 237 PS sausen wir im Sport-Modus über die Autobahn und lassen große Wohnmobile und Wohnwagen-Gespanne rechts liegen. Wir vergessen dabei manchmal, dass der Marco Polo ein Van und kein Sportwagen ist, wenn er beim Überholen mal kurz auf 4.000 Umdrehungen hochdreht. Ansonsten schaltet die 9-Gang-Wandler-Automatik des 300d sanft und dennoch flott ohne Zugkraftunterbrechungen.
Easy-Up Aufstelldach per Smartphone steuern
Angekommen auf dem Stellplatz kommt das, worauf meine Tochter schon sehnsüchtig gewartet hat: Wir fahren das Dach aus. Im smarten Marco Polo geht das entweder über das Touch-Display in der Mittelkonsole oder über die App. Für beide Szenarien muss der Schlüssel im Zündschloss auf Position zwei stehen. Dann tippt man so lange auf den Bildschirm, bis das Dach voll ausgefahren ist.
Die Verbindung von Schlüssel im Zündschloss und Smartphone-App zur Bedienung des Smart Homes auf Rädern ergibt für mich nicht so viel Sinn. Heizung, Kühlbox und Co. kann man einfach so aus der Ferne mit der App steuern. Auf Nachfrage sagt eine Mercedes-Sprecherin, dass die Aufstellfunktion mit Schlüssel ein sicherheitsrelevantes Thema ist. Genauso wie, dass es auf halber Strecke beim Ein- und Ausfahren einen kurzen Zwischen-Stopp gibt. Quasi ein Reminder, damit man nochmals checkt, ob alles frei ist fürs Auf- oder Zuklappen.
Die Betten sind bequem, aber eng
Das untere Bett auf der Schlafsitzbank ist ebenfalls schnell aufgebaut. Nur die Sitzbank in die richtige Position rücken und dann die Sitze per Knopfdruck umklappen, gemütlichen Topper obendrauf – fertig. In der Liegeposition weicht übrigens die Luft aus den Sitzwangen und die Sitzbank hebt sich an, um die Gurtschlösser zu verstecken – feine Sache! Hier schlafen mein Mann und unser einjähriger Sohn. Auf zwei Metern Länge und 1,13 Meter Breite passen Erwachsene und Kinder ganz gut nebeneinander. Für zwei Erwachsene wäre es recht kuschelig.

Wie befürchtet trötet abends die Blaskapelle im Festzelt neben dem Stellplatz los und es dauert, bis wir einschlafen können. Vor allem, da es im Aufstelldach sehr hell ist. Für die hinteren Fenster unten gibt es Verdunkelungsrollos. Für die Windschutzscheibe und die Fenster der Fahrertüren liefert Mercedes einen recht aufwändig zu befestigenden Vorhang. Die dünne Matratze oben, die auf Tellerfedern liegt, fühlt sich für mich mit der Zeit etwas hart an.
Nachts hören wir plötzlich einen lauten Schlag und dann Weinen. Mein Sohn ist unten in den Schlitz zwischen Bett und Schiebtüre gefallen. Zum Glück ist nichts passiert, außer dass er unsanft geweckt wurde. So viel Pech muss man erst einmal haben.
Nach diesem aufregenden Camping-Abenteuer bin ich froh, als wir mit dem Marco Polo zu unserer eigentlichen Destination – einer Hütte in den Bergen – aufbrechen. Wir können mit dem gut beladenen Marco Polo noch locker einkaufen gehen, Platz genug bringt er mit. Mit einer Zuladung von 613 Kilogramm (Werksangabe) haben wir genug Spielraum. Allerdings nervt das Verstauen, weil wir einfach nirgends richtig ran kommen. Auf der Rückfahrt aus dem Urlaub transportieren wir dann sogar noch einen Fahrradanhänger für Kinder. Sehr umständlich heben wir ihn von hinten über die Heckverlängerungen hinter die Rückbank.
Das Putzen des Innenraums geht nach dem Urlaub übrigens sehr gut. Die Lederpolster kurz abwischen und der Innenraum lässt sich super auskehren. Vorne kann man den Marco Polo einfach aussaugen. Leider hat er nicht in die Tankstellen-Waschanlage bei mir im Ort gepasst. Das war etwas schade, denn ich habe einfach kein Talent für die Selbstreinigungsstationen.
Testwertung als Familienkutsche: 2 von 3 Punkten
Testerin 3: "Hey Mercedes!" – "Wie bitte?!"





Sophia Pfisterer, promobil-Redakteurin: Für längere Trips nutze ich am liebsten größere Campingfahrzeuge mit viel Wohnraum. Da der Marco Polo möbeltechnisch edel und digital einzigartig ausgestattet ist, möchte ich mit meinem Partner bei einem Wochentrip in den Bayrischen Wald testen, ob der Kompaktvan in puncto Wohnkomfort an die nächstgrößere Klasse herankommt.
Auf der Autobahn spricht das Auto plötzlich zu mir. "Vorsicht, vor Ihnen liegt ein Verkehrshindernis", sagt Mercedes. Damit meine ich die MBUX-Sprachsteuerung, die auf die Worte "Hey, Mercedes" reagiert. Keine zwei Minuten später fahren wir auf ein Stauende zu – und ich könnte jetzt ganz gelassen abbremsen, weil ich ja vorgewarnt bin. Doch mein rechter Fuß ruht sich weiter aus, denn das Bremsen übernimmt die Abstands-Automatik der V-Klasse.
Für manche ist das vielleicht schon zu viel des Guten. Ich find’s super, wenn ein Auto mitdenkt und auf mich aufpasst. Lang leben die Assistenzsysteme!
Die Vernetzung ist (noch) nicht perfekt

Mercedes bzw. MBUX findet zwar den nächsten Supermarkt, Bäcker und meinen Lieblingsradiosender auf meinen Sprachbefehl. Sie kann mir auch sagen, für wie viele Kilometer die Tankfüllung noch reicht. Doch große Verwirrung tritt ein, wenn ich sie nach dem Wasserfüllstand befrage oder nach der Kühlschrank-Temperatur. Alles, was via MBAC-App speziell für Camping und Smarthome auf dem Handy einwandfrei klappt, ist zu meiner Enttäuschung nicht zwangsläufig mit MBUX verbunden. Hey Mercedes, mach dir nix draus – bislang macht dir da auch (noch) niemand Konkurrenz.
Komfortabel geht’s weiter nach unserer Ankunft auf dem Campingplatz Schnitzmühle: Wie die Kolleginnen schon beschrieben haben, alles geht per Tap oder Knopf. Sogar die Lichter sind via App dimmbar.

Der Wohnraum des 5,14-Meter-Vans kommt mir erstaunlicherweise sehr geräumig vor. Ob all das dazu beiträgt, dass wir uns in diesem kleinen Campingfahrzeug genauso wohl fühlen wie in einem großen Kastenwagen? Nur fast. Wir schlafen zwar gut im Aufstelldach, doch der Partner findet die Matratze etwas zu hart.
Das größte Problem für uns ist der Stauraum im Kofferraum, den auch schon Kollegin Geiger beschrieben hat. Unter der Matratzenverlängerung ist eine an sich praktische Stauschublade angebracht, dort passen Stühle, Tisch, Kabel und Auffahrkeile rein. Doch die Schublade lässt sich nicht herausziehen, der Matratzenteil stellt sich via Luftfedern auf. Steht Gepäck drauf, lässt sich die Schublade nicht öffnen oder alles verkeilt sich auf halber Höhe.

Ein ähnliches Problem haben wir im Kühlschrank. Da wir unsere Freunde auf der Parzelle nebenan mitversorgen, haben wir immer wieder Logistikprobleme: Vollmilch, Hafermilch, laktosefreie Milch, Käse, Aufschnitt, Grillgut, Radlerdosen, Bierflaschen, ein halber Rettich (Wer hat den eigentlich gekauft?) – alles fliegt durcheinander in der Toploader-Kühlbox.
Insgesamt stellen wir in puncto Stauraum fest: Auch zu zweit haben wir echt viel Kram dabei und nie eine Ahnung, wo was ist. "Hey Mercedes, wo ist meine Luftpumpe?" – "Die Reifendruckanzeige erscheint nach einigen Minuten Fahrt."
Luxusprobleme entstehen durch Luxus

Ein kleineres Problem: In einem Fahrzeug mit AMG-Line-Ausstattung, Jehnert-Soundsystem und Ledersitzen begegne ich nach ein paar Tagen meinem inneren Snob. So werde ich auf Kleinigkeiten aufmerksam, die mir in dieser Fahrzeugklasse sonst nicht aufstoßen: Warum gibt es keine Leiter ins Oberstübchen? Warum kein Fliegengitter an der Dachluke? Wäre es nicht auch möglich ein Fliegengitter an der Seitentüre zu installieren? Und wieso fällt jeden Abend an der Cockpit-Verdunklung ein Fenster-Saugnapf nach dem anderen von dem Textilvorhang ab? Warum ist keine Markise in Serie an Bord? Meckern auf hohem (Preis-)Niveau.
Meine größte Freude und Sorge jeden Morgen ist der Kaffee. Unsere Zwei-Personen-Mokkakanne passt nicht auf die großen Gabeln der zwei Gasflammen der Küchenzeile. Das Kännchen ist so klein, dass es kippelt und droht zu kippen. Kaffeekochen klappt also nur mit einer Pfanne unter der Kanne. Gas-Sparen geht anders – aber ohne Kaffee kein Camping.

Ein weiterer Spleen, den das Auto in mir weckt, ist mein kleiner Putzteufel. Die glänzenden Oberflächen der Küche sollen auch verdammt nochmal glänzen. Ich erwische mich immer wieder, wie ich sie hingebungsvoll poliere. Hey, Sophia – ist das noch Vanlife?
Kuschlige Nächte, komfortable Bordtechnik
Eines Abends teste ich für zehn Minuten die Heizung, weil die Nächte im Bayerischen Wald auch im Sommer schattig sein können. Und siehe da: Es wird superschnell warm. Um Energie zu sparen und mich auf den Winter vorzubereiten, schalte ich die Heizung per Tipp aufs Handy wieder aus und kuschle mich im Aufstelldach an meinen Partner. Auch warm. Kleine Übung für den kommenden Gas-Spar-Winter?
Das Einzige, was wir nicht nutzen im Marco Polo, ist die Außendusche. Darüber kann ich abschließend kein Urteil fällen. Nur, dass der Wasserdruck im Spülbecken super ist und die Ent- und Versorgung der Wassertanks easy von der Hand gehen. Die Gasflasche ist einfach erreichbar, die Stromversorgung selbsterklärend.

Auf dem Rückweg kann Mercedes wieder hellsehen: Das MBUX-Navi weiß, dass uns die Rushhour in der Innenstadt erwartet. Sie findet eine Top-Umfahrung des Feierabend-Verkehrs und lotst uns gekonnt durch eines der feinsten Wohngebiete Stuttgarts. Heimspiel, denke ich mir, und muss schmunzeln, als wir an parkenden V-Klassen vorbei cruisen.
Testwertung als Luxus-Paarcamper: 2,5 von 3 Punkten
Fahrzeug-Daten: Mercedes Marco Polo Edition AMG-Line

Basis: Mercedes-Benz V-Klasse 300d
Länge/Breite/Höhe: 5,14/2,24/1,99 m
Sitz-/Schlafplätze: 4
Zul. Gesamtgewicht: 3,2 t
Testwagenpreis: 95.950 Euro
Grundpreis: 64.710 Euro
Ausstattung: Drehbare Komfortsitze, Lederausstattung, Multifunktionslenkrad, Schlafsitzbank, Küchenzeile, Rollos, Mercedes me, MBUX, Easy-up Aufstelldach, AMG-Paket: Sportfahrwerk, AMG-Verkleidung, 19-Zoll-Felgen, Carbonoptik.
Assistenzsysteme V-Klasse: Spurhalte-Assistent, ACC, Verkehrszeichen-Assistent, Fernlicht-Assistent, aktiver Bremsassistent, Attention-Assistent, Totwinkel-Assistent, Intelligent-Light-System, Seitenwind-Assistent, aktiver Parkassistent, 360-Grad-Kamera.
Verbrauch laut Hersteller: 8 Liter für die Mercedes V-Klasse 300 d pro 100 km/h
Testverbrauch: 10,91 Liter pro 100 km/h
Vor- und Nachteile des Testwagens
Sitzbank mit Isofix
komfortable, edel anmutende Ausstattung
komfortables Basisfahrzeug mit modernen Assistenzsystemen
viel Ladevolumen
beleuchteter Kleiderschrank
Schubladen und Stauraum der Küche lassen sich in fast jeder Stellung öffnen
alle Lichter sind dimmbar
Bordtechnik gut erreichbar (Absperrhähne, Gasflasche, etc.)
solider, klapperfreier Möbelbau
leichtgängig verschiebbare Sitzbank
Sitzbank- und Aufstelldach-Umbau einfach via Knopfdruck
verdunkelte Privacy-Fensterscheiben lassen auch nachts kein Licht durch
Verdunklung für alle hinteren Fenster einfach und effektiv nutzbar
/ viel Platz auf den Gasflamm-Kochern, recht große Gabeln
Zeltbalg im Aufstelldach lässt sich nicht komplett öffnen
Stauraum im Heck nicht voll nutzbar aufgrund der Schublade
Stauschublade hinten lässt sich nicht herausziehen
Kühlschrank in vorderster Sitzbank-Stellung nicht gut zugänglich
Fahrerhaus-Verdunklung mit umständlichem Vorhang passt nicht ins Luxuskonzept
MBAC-App nicht mit MBUX-Sprachsteuerung verbunden
Spritverbrauch in der Praxis höher als von Mercedes angegeben
Mehr zum Thema: Digitale Vernetzung im Reisemobil.
Fazit
Nane Rauscher: Meine Anforderungen für einen kurzen Wochenendtrip in die Natur hat der Marco Polo spielend erfüllt. Sogar mit Mountainbike. Ich denke, mit zwei Personen würde er es ebenfalls passabel meistern. Stauraum gab es genug, alles funktioniert tadellos und ist bis aufs i-Pünktchen durchdesignt. Viele der technischen Features würde ich nicht unbedingt brauchen, genauso wenig die üppige Motorleistung. Vor allem, wenn sie, wie in diesem Fall, den Verbrauch steigert. Vielleicht lag das aber auch am rasanten Fahrstil der KollegInnen.
Lisa Geiger: Ich habe mich bei meinem Test vor allem auf den Transport konzentriert, weil der Marco Polo für mich ein wandelbares Fahrzeug sein muss, das alles können soll: Alltag, Familienkutsche, Transporter, Camper. Dabei hat mich vor allem die Heckablage geärgert, die sich nicht wegklappen lässt, wodurch man sehr schlecht beladen kann. Ansonsten macht der Marco Polo viel Spaß auf der Straße und auch zum Campen ist er ganz lustig. Allerdings bin ich zu schlecht organisiert, um auf so wenig Platz klarzukommen.
Sophia Pfisterer: Wer Marco Polo fährt, will Vanlife mit Luxus verbinden. Die Smarthome-Funktionen lassen mein Nerd-Herz jauchzen, der Preis der AMG-Line mein Portemonnaie erstarren. Während einer knappen Woche auf dem Campingplatz haben wir an Bord nichts vermisst, obwohl wir sonst in größeren Fahrzeugen unterwegs sind. Für noch längere Touren und auf Stellplätzen wäre ein portables Camping-WC unbedingt notwendig – wo das wohl noch ins Packsystem des Edel-Digital-Vans reinpasst?