Auf Amazon und Co. kursiert ein neues praktisches Gadget für den Winter. In kürzester Zeit soll die kinetische Molekularheizung die Windschutzscheibe von Schnee und Frost befreien. Käuferinnen und Käufer sollen das kleine Gerät lediglich in der Nähe der Scheibe anbringen und auf Start drücken und schon soll der Schnee schmelzen. Doch was zu schön klingt, um wahr zu sein, ist es wohl auch. So lautet zumindest eine erste Einschätzung des Youtubers Andreas Schmitz aka "Der Akku Doktor".
Wie soll die Mini-Scheibenheizung funktionieren?
Die Geräte wirken auf den ersten Blick clever – sind physikalisch aber unplausibel und praktisch nutzlos. Das bestätigt auch YouTuber Andreas Schmitz ("Der Akku Doktor"), der eines der Produkte zerlegt und durchrechnet hat. Ergebnis: zu wenig Leistung, null messbarer Enteisungseffekt, fragwürdige Bewertungen.
Die Produktseiten werben mit Formulierungen wie "molekulare Aktivierung durch elektromagnetische Energie", "Mikrowellen-Frequenzband" und "schnelles Schmelzen" an der Fahrzeugoberfläche. Die Geräte sind kompakt, unscheinbar und sollen Eis kontaktlos lösen. Solche Beschreibungen finden sich in mehreren Listings, teils sogar mit dem Begriff "Mikrowellen-Enteisungsinstrument".
Check durch den "Akku Doktor"
Andreas Schmitz hat ein solches Gadget geöffnet: Innen stecken eine kleine Solarzelle und ein Minimotor – weiter nichts. Kein Hochfrequenzsender, kein Netzteil, keine Abschirmung. Er bilanziert: Die angeblich nötige Energie liegt um Größenordnungen über dem, was die winzige Solarfläche liefern kann. In einer IR-Aufnahme zeigt er außerdem: keine Erwärmung im Betrieb.
"Physikalisch unplausibel – die Leistung dieser Mini-Solarzelle reicht niemals zum Enteisen von Fahrzeugscheiben."– so Andreas Schmitz ("Der Akku Doktor") in seinem Youtube-Video.
Die Physik dahinter – kurz erklärt
Wie viel Energie braucht Enteisen realistisch? Eine Heckscheibenheizung liegt grob bei 120–200 W. Rechnet man sehr großzügig vier Scheiben mit je 150 W und eine halbe Stunde Laufzeit, sind das rund 300 Wh (0,3 kWh). Das ist nur eine Größenordnung, aber gut als Daumenregel.
Was liefert das Gadget?
Die Solarzelle bietet eine Fläche von ~3 × 3 cm (0,0009 m²). Bei etwa 800 W/m² Wintersonne und ~20 % Zellwirkungsgrad bleiben ~0,14 W elektrische Leistung. Damit bräuchte man rechnerisch über 2.000 Stunden ununterbrochene Sonne, um 300 Wh zu sammeln – also Wochen, nicht Minuten. Draußen, am kalten Fahrzeug, gehen zusätzlich Verluste drauf. (Die Produktlistings, die "Mikrowellen"-Wirkung suggerieren, ändern daran nichts – im Freifeld ohne Resonatorkammer sind solche Leistungen erst recht unrealistisch.)
Mikrowellen draußen?
Wirksame Mikrowellen-Erwärmung passiert in geschlossenen, abgeschirmten Kammern (Mikrowellenofen) mit hunderten Watt Leistung. Ein freies, offenes Minigehäuse ohne Hochleistungsquelle könnte diese Energie weder erzeugen noch sicher bündeln. Das passt auch zu Schmitz’ Fund: kein Sender, keine Leistung, kein Effekt.
Auffällige Bewertungen
Bei diesen Listings wirkt auch das Bewertungsbild fragwürdig. Unter den aktuell gesichteten Produkten fanden sich jeweils genau vier positive Rezensionen – alle datiert auf den 24. Oktober 2025. Ein solches Muster ist untypisch und mindert die Glaubwürdigkeit deutlich.
Was Campende stattdessen nutzen sollten
Entscheidend sind vorbeugende Maßnahmen (Abdeckungen), konventionelle Enteisung (Sprays, Eiskratzer) und fahrzeugseitige Heizelemente (Heckscheibe, Spiegel, ggf. Standheizung). Vergleichstests und Kaufberatungen bestätigen: Klassische Enteisungssprays wirken schnell und zuverlässig.
- Abdeckungen für Front-/Seitenscheiben über Nacht
- Bewährte Enteisersprays (Isopropanol-/Glykolbasis): Hier kaufen
- Gute Eiskratzer (robuste Kante, großer Griff): Hier kaufen
- Fahrzeugseitige Heizelemente (Heckscheibe, Spiegel)
- Standheizung / Vorkonditionierung (je nach Basisfahrzeug)












