Markisentuch am Wohnmobil austauschen
Stoffwechsel - eine Aufgabe für den Profi

Ist das Tuch kaputt, muss man keine neue Markise kaufen. Die separate Erneuerung des Stoffs ist nämlich möglich, jedoch nichts für Laien. Wir haben Profis dabei über die Schulter gesehen.

Markise reparieren
Foto: Andreas Becker

Wind ist der größte Feind der Markise. Gar nicht oder nur unzureichend gesichert, sind es meist die Gelenkarme, die als Erstes leiden. Auf Platz zwei der Schadensbilder stehen Risse im Markisentuch, die durch Spannungen oder Fremdeinwirkung hervorgerufen werden.

Dass sich, wie im vorliegenden Fall, die Verklebung zwischen den beiden Stoffschichten löst, lässt selbst Fachmann Hartmut Müller vom Zubehör-Grossisten Frankana-Freiko staunen: "Dieses Schadensbild habe ich so noch nie gesehen. Selbst nach 27 Jahren in diesem Geschäft wird man immer wieder überrascht."

Sonst arbeitet Müller hinter den Kulissen des Großhändlers, Endkunden kommen nicht direkt zu ihm. "Erleidet eine über Frankana-Freiko vertriebene Markise einen Schaden, wird sie vom jeweiligen Händler eingeschickt und landet hier", erklärt Müller und deutet mit einer ausladenden Geste auf seinen großzügig bemessenen Arbeitsbereich am Ende einer weitläufigen Hochregal-Lagerhalle. Eingerahmt von unzähligen Markisentuchrollen in Schwerlastregalen, zählt ein Arbeitsgestell mit einer flexiblen Markisenhalterung zu seinen wichtigsten Hilfsmitteln.

Eine essenzielle Voraussetzung für den Markisentuchtausch ist natürlich die Ersatzteilversorgung durch den Hersteller. Die Thule Omnistor 6002 mit dem defekten Stoff ist bereits zehn Jahre alt, ein neues Tuch ist dafür aber noch ohne Probleme verfügbar und liegt hier schon bereit. Aber wie kommt der neue Stoff in das alte Gestell? Das zeigen wir hier Schritt für Schritt.

Schritt für Schritt zum neuen Markisentuch

  1. Im ersten Schritt muss die Markise vom Dach runter. Bevor deren Schrauben gelöst werden, markieren die Profis den Sitz der drei Halterungen.
  2. Ist die Markise von ihren Halterungen gelöst, wird sie mit vereinten Kräften vom Dach gehoben. Sie ist zwar nicht besonders schwer aber unhandlich und fragil.
  3. Auf dem speziellen Reparaturgestell lassen sich sowohl Aufdach- als auch Seitenwandmarkisen befestigen. Anschließend ist die Arbeitshöhe perfekt, denn im nächsten und wichtigsten Arbeitsschritt geht’s ...
  4. ... unter die Markise. Etwa 80 Zentimeter ausgefahren, werden die unter starker Spannung stehenden Gelenkarme mit Spanngurten gesichert. Gegen das Verrutschen der Gurte helfen Klebestreifen.
  5. Der Kurbeltrieb unterscheidet sich bei Aufdach- und Seitenwandmarkisen. In beiden Fällen muss er für den Tuchwechsel demontiert werden, damit die Tuchrolle später entnommen werden kann.
  6. Sind die Schrauben der vorderen Gehäuseabdeckung auf beiden Seiten gelöst, lässt sie sich nach hinten kippen und dadurch entriegeln. Anschließend kann man die Abdeckung einfach abnehmen ...
  7. ... so wird der Weg zur Markisentuchrolle frei. Bevor es an das Lösen des Tuchs aus dem vorderen Kederprofil geht, wird die Tuchrolle entnommen und ebenso auf den beiden Arbeitsböcken abgelegt.
  8. Im vorderen Kederprofil ist das Tuch mit diversen Klemmschrauben gesichert. Diese verhindern, dass sich das Markisentuch seitlich verschieben kann und dann nicht mehr sauber aufrollt.
  9. Das defekte Tuch wird seitlich aus der Kederschiene gezogen und anschließend auf dem Boden ausgerollt. Das Auskedern klappt am besten zu zweit, da die Tuchrolle parallel dazu getragen werden muss.
  10. Komplett abgerollt wird die Tuchwelle sichtbar. Auch hier gilt: Klemmschrauben lösen, Endkappen runter und anschließend das Tuch auskedern.
  11. Beim Auskedern der Tuchwelle zeigt sich, wie viel Platz ein Markisentuchwechsel beansprucht. Im Hintergrund ist das Regal mit den Ersatztüchern erkennbar.
  12. Beim Einkedern des neuen Stoffs in die Tuchwelle sind Konzentration, Präzision und Vorsicht gefragt, um das neue Markisentuch nicht zu beschädigen.
  13. Die Erfahrung zeigt sich besonders in Kniffen wie diesem: Mit dem Schraubendreher wird die Klemmschraube sicher neben das neue Tuch geführt.
  14. Vor dem Einsetzen der Tuchwelle wird diese grob von Hand aufgerollt. Saubere Hände und das alte Tuch als Schutzunterlage vermeiden Verunreinigungen.
  15. Einer der kritischsten Momente ist das Einkedern des neuen Markisentuchs. Hier reicht ein kleiner Fehler oder ein falscher Winkel und das scharfe Aluprofil beschädigt den nagelneuen Markisenstoff.
  16. Als nächstes wird das eingerollte Tuch eingelegt und der Kurbeltrieb montiert. Anschließend werden die Spanngurte von den Markisenarmen gelöst, sodass sich das Tuch durch deren Spannung strafft.
  17. Vor der abschließenden Feinjustierung der Markisenarme wird das Tuch einmal unter Spannung ganz ab- und wieder aufgerollt, damit es sich enger wickelt.
  18. Beim kompletten Abrollen verhindert ein Federhebel, dass sich die Rolle am Ende überdreht und falsch herum wieder aufwickelt. Beim Erreichen des Endanschlags schnellt er heraus und blockiert die Rolle.
  19. Zum Einsetzen des oberen Markisendeckels arbeitet man am besten zu zweit. Hat man die Nut getroffen, wird die Abdeckung erst nach vorn geklappt, sanft festgeklopft und dann rechts und links verschraubt.
  20. Bei der Feinjustierung geht es um den Abstand der Markisenarme zum Gehäuse. Da das Tuch im Keder vorn noch nicht fixiert ist, lässt sich der Abstand einfach durch Drücken angleichen.
  21. Mit dem Fixieren des Tuches im vorderen Teil und dem Aufsetzen der Endkappen sind die Arbeiten an der Markise abgeschlossen. Nachdem sie vom Arbeitsgestell gelöst ist, geht es wieder zurück ...
  22. ... zum Fahrzeug. Beim Ansetzen sind mindestens vier Hände nötig, damit die Markise nicht auf der Zielgeraden doch noch Schaden nimmt. Beim Ausrichten helfen die anfangs gesetzten Markierungen.

Fazit

Zu knifflig für Selbstversuche – Solange die Markise einwandfrei funktioniert, macht man sich selten Gedanken über die Komplexität ihrer Technik. Schon beim Tuchwechsel sind derart viele spezielle Handgriffe und Kniffe nötig, dass es zweifelsohne ein Job für Profis ist. Dafür spricht auch, dass von den unter Spannung stehenden Gelenkarmen eine Gefahr ausgeht, wenn sie nicht richtig gesichert sind und sich womöglich lösen und hervorschnellen. Nicht zu unterschätzen ist auch der Platzbedarf, denn für das Auskedern der Tuchwelle wird in etwa die doppelte Markisenbreite benötigt.

Für den Markisentuchwechsel veranschlagen Hartmut Müller und sein Team in der Regel etwa zwei Arbeitsstunden. Wer sich den An- und Abbau der Markise selbst zutraut, kann sich immerhin die Kosten beim Händler sparen.Der Preis für den hier gezeigten Austausch mit Material und Arbeitszeit bei Frankana-Freiko beläuft sich auf etwa 500 Euro – also in etwa halb so viel, wie eine neue 3,75-Meter-Markise kosten würde.

Die aktuelle Ausgabe
Promobil 06 / 2023

Erscheinungsdatum 03.05.2023

148 Seiten