Für viele ist es noch schwer vorstellbar, dass man ein komplettes Reisemobil einfach per Mausklick kauft. Auf Herstellerinformationen aus digitalen Kanälen will aber wohl kaum jemand verzichten.
Zumal der passende Händler nicht immer vor der Haustür liegt. Selbst bei einem Termin vor Ort ist für potenzielle KäuferInnen beispielsweise ein Vergleich mehrerer Wunschmodelle selten möglich. Im Internet geht vieles schneller – aber auch besser?

rpc hat die Daten unterschiedlicher Branchen untersucht. Im Bild (v. l.): Bengt König, Michael Nenninger, Eric Bellendir.
Die digitale Kommunikation der Reisemobil-Branche
Wie gut gelingt es der Caravaningbranche, online mit ihren KundInnen zu kommunizieren? Dieser Frage ist die Unternehmensberatung rpc nachgegangen. Bei rpc handelt es sich um ein Joint Venture, an dem auch BMW beteiligt ist, Expertise im Automobilsegment ist also reichlich vorhanden.
Gemeinsam mit dem Marketing-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München entwickelte rpc den CX Score, CX steht für Customer Experience. Es geht also um einen Punktewert, der das digitale Kundenerlebnis wiedergibt und den man in eine interessante Rangfolge bringen kann. Das zeigt die Tabelle mit dem Ranking von 40 wichtigen Caravaning-Marken:

Caravaning-Branche im Check, die Daten kommen von der Unternehmensberatung rpc und dem Marketing-Institut der LMU München.
Die Tabelle verlangt für Uneingeweihte aber zunächst nach einer Erklärung: Der CX Score errechnet sich aus den rechts daneben stehenden Ergebnissen aus drei Bereichen: CX Aktiv, CX Passiv sowie POS (Point of Sale).
- CX Aktiv bewertet den direkten Kundendialog beispielsweise durch Feedback- oder Chat-Funktionen, um Interessenten eine schnelle Antwort auf mögliche Fragen zu geben.
- In den CX Passiv fließen etwa Kundenstimmen, Selbsthilfeangebote oder der Versand von Newslettern ein. Im Bereich POS geht es um Händlersuche, die Abbildung des gesamten Sortiments auf der Website und Spezialangebote zur Aktivierung von Kunden.
- Der CX Score besteht insgesamt aus 32 Analysefeldern.
Einschätzung der Werte

Spitzenreiter der Tabelle ist Mercedes, also kein klassischer Reisemobil-Hersteller.
Wie sind die Ergebnisse in der Tabelle nun einzuschätzen? Zunächst wird klar, dass es innerhalb der Branche große Unterschiede in der digitalen Kundenansprache gibt. Mit Mercedes und VW sind auch Vertreter der Automobilbranche dabei, die ebenfalls eigene Reisemobile anbieten und online offenbar gut unterwegs sind. Doch es gibt klassische Reisemobilhersteller, die ein ähnlich gutes Niveau erreichen. Ansonsten geht es in der Rangfolge bunt durcheinander. Nobelhersteller sind nicht unbedingt besser platziert als Günstigmarken, Bestseller liegen teilweise hinter kleineren Anbietern. Tendenziell gehen die vorderen Plätze jedoch an populäre Marken aus den großen Herstellergruppen.

Auf dem zweiten Platz der Tabelle liegt Dethleffs, knapp vor Sunlight und VW.
Ein ganz anderes Bild zeigt sich dagegen, wenn man das hier untersuchte Caravaning-Segment mit anderen Branchen vergleicht. Bei rpc hat man den CX Score beispielsweise auch für die Bereiche Automobil, Mode oder Elektronik ermittelt. In der Gegenüberstellung wirkt das Ergebnis der Reisemobilbranche ernüchternd. Sie erreicht aktuell 51 von maximal 100 Punkten und bildet damit ein Schlusslicht im Vergleich. Führend ist in den Analysen die Branche Consumer Electronics mit 72 Punkten. Nur DIY/Heimwerken & Garten schneidet mit 50 Punkten noch ein wenig schlechter ab.
Man gewinnt also den Eindruck, dass die Kundenansprache auf digitalem Weg von vielen Herstellern noch nicht richtig ernst genommen wird – obwohl ein Händler als analoger Anlaufpunkt nicht unbedingt in Kundennähe ist. Bis ein zufriedenstellendes Kauferlebnis über das Internet vorstellbar ist, gibt es hier wohl noch einen längeren Weg zurückzulegen.
Nachgefragt bei Erik Bellendir, Partner rpc, und Melanie Seidel, Senior Managerin rpc
Wo liegen die Vorteile für Reisemobilinteressierte, wenn beim digitalen Kundenerlebnis alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden?Bellendir: Die Branche ist im Wandel, und immer mehr Leute, die heute mit dem Gedanken spielen, ein Reisemobil zu kaufen, möchten sich umfassend und unabhängig von Zeit und Ort informieren. Auch wenn man bereits stolzer Besitzer eines Reisemobils ist, möchte man bei Fragen und Problemen nicht auf die Öffnungszeiten des Händlers angewiesen sein. Die Lösung liegt im digitalen Zugang zu Informationen und Services, wie über einen Chat oder eine persönliche Beratung per Video-Call, wie es beispielsweise in der Automobilbranche schon weit verbreitet ist. Ein weiterer Vorteil sind genau auf den Bedarf der Reisenden zugeschnittene Angebote. Dies wird am besten durch ein digitales Kundenkonto ermöglicht, in dem Interessenten Informationen zu ihrem spezifischen Bedarf hinterlegen können. Die Kundenerwartung heute – und die gilt branchenübergreifend – geht ganz klar zu einem bequemen, medienübergreifenden Ergebnis.
Bellendir: Grundsätzlich ist ein vorsichtiger Umgang mit persönlichen Daten immer richtig und wichtig, und gerade wir Deutschen sind hier besonders sensibel. Wenn Hersteller über ihre digitalen Angebote Daten ihrer Kunden erhalten, sind diese Bedenken jedoch allein schon durch die geltenden Datenschutzvorschriften unbegründet.
Seidel: In Bezug auf den CX Score sehen wir übrigens auch branchenübergreifend, dass sich Marken mit einem höheren Score auch besser in dem Thema Datensicherheit auskennen, weil sie sich schon länger und intensiver damit beschäftigen und der interne Reifegrad hier oft höher ist.
Seidel: Grundsätzlich ist es auffällig, dass viele digitalen Markenauftritte der Hersteller recht nüchtern nur die reinen Produktinformationen, eine Händlersuche und ein paar Informationen zur Unternehmensgeschichte bieten. Dabei würde man gerade bei einem so emotionalen Thema wie dem mobilen Reisen mehr Erlebnisangebote erwarten, zum Beispiel einen Blog, der neben den News zu den Fahrzeugen auch weitere spannende Inhalte rund um Camping und Caravaning bietet. Oder auch die Möglichkeit, dass sich Reisende untereinander austauschen können. Hier wird klar die Chance verpasst, bestehende und potenzielle Kunden zu binden. Außerdem wäre es wichtig, eine direkte Interaktion mit dem Hersteller zu ermöglichen. Auf vielen der untersuchten digitalen Markenauftritte ist es nicht möglich, direkt Feedback zu geben oder Fragen loszuwerden.
Bellendir: Dies zweifelt auch gar nicht die Daseinsberechtigung des Händlers an, aber das Informations- und Kaufverhalten hat sich nun mal geändert. Die "Dreierbeziehung" zwischen Kunde, Händler und Hersteller ist einfach gegeben und muss funktionieren; da kommt man an abgestimmter, integrierter digitaler Kommunikation nicht vorbei. Hersteller sollten Reisemobilinteressierten und Kunden ermöglichen, in einen direkten Austausch zu gehen, um die Brücke zwischen dem Handel und dem Hersteller zu schlagen und den Kunden und seine Bedürfnisse besser kennenzulernen. Zum anderen sollte sich die Emotionalität des Produktes auch in den digitalen Erlebnissen widerspiegeln. Hier bestehen Chancen für alle Beteiligten: für den Hersteller, eine direktere Kundenbeziehung aufzubauen und zu lernen, für den Händler, einen besseren Service zu bieten und davon zu profitieren, und vor allem für den Kunden, ein besseres Erlebnis zu genießen.