Heute stimmt das EU-Parlament über die vierte Novelle der Führerscheinrichtlinie ab. Neben vielen anderen Punkten geht es darin um die Freigabe des B-Führerscheins bis 4,25 Tonnen für Wohnmobile, Rettungswagen oder andere Sonderfahrzeuge. Diese Neuerung hat der Novelle in Deutschland den Stempel "Wohnmobil-Führerschein" verpasst. promobil hat mit der EU-Abgeordneten Jutta Paulus (Grüne) darüber gesprochen, ob diese Wahrnehmung passt. Die Politikerin hat als Berichterstatterin die Prozesse rund um die neue Führerscheinrichtlinie für das EU-Parlament koordiniert. Sie lebt in Rheinland-Pfalz, ist Naturwissenschaftlerin und macht seit ihrer Kindheit selbst Urlaub mit Campingfahrzeugen. Früher eher mit dem Wohnwagen, heute mit dem Wohnmobil.
Jutta Paulus: Davon sind wir tatsächlich überrascht, weil es nicht die Intention der Kommission war. Der wichtigste Baustein der Führerscheinnovelle ist eigentlich das Road Safety Package, das mehr Sicherheit auf den Straßen schaffen soll. Dazu gehören zum Beispiel neue Vorgaben zur Fahrausbildung oder zu medizinischen Checks bei Führerscheinverlängerungen. Die Erhöhung der Tonnage wurde von der EU-Kommission eher mit der Elektromobilität begründet, weil E-Autos wegen der Batterien grundsätzlich schwerer sind.
![9th parliamentary term [14157],Brussels [5396],PAULUS, Jutta (Greens/EFA, DE) [14533],portrait [13498] Jutta Paulus, Mitglied des EU-Parlaments, Grüne, Verkehrsausschuss, 4. EU-Führerscheinrichtlinie, B-Führerschein bis 4,25 Tonnen](https://img.promobil.de/_/bg:FFFFFF/f:best/h:241/rt:fill/w:430/plain/2246759.jpg)
Jutta Paulus sitzt für die Grünen im EU-Parlament und hat die Verhandlungen rund um die vierte Novelle der EU-Führerscheinrichtlinie mit koordiniert. Sie kommt aus Rheinland-Pfalz und verreist selbst gerne und regelmäßig mit dem Wohnmobil.
Jutta Paulus: Sagen wir es mal so: Die Kommission würde vermutlich darauf verweisen, dass für die Führerscheinrichtlinie alle fünf bis zehn Jahre grundsätzlich eine Novelle ansteht und dieses Mal die Gewichtsgrenzen angepasst worden sind. Mit dem Thema Wohnmobil hatte das wenig zu tun.
Jutta Paulus: Das ist eher ein spezifisches Thema im deutschsprachigen Raum. In anderen EU-Mitgliedstaaten gibt es die Tradition von freiwilligen Feuerwehren und Rettungsdiensten nicht so stark. Insofern war es vor allem für uns deutschsprachigen Parlamentarierinnen wichtig, die Ehrenamtlichen mit der Führerscheinnovelle besser zu unterstützen. Wir haben mit dem Anheben der Gewichtsgrenze eine EU-weite Anerkennung sichergestellt. Freiwillige Feuerwehren aus der Südpfalz können bei einem Waldbrand die Feuerwehren in den Nordvogesen jetzt unterstützen, ohne sich Gedanken über ihren Führerschein zu machen.
Jutta Paulus: Wir hatten dazu eine Anfrage laufen – spezifisch zu Wohnmobilen. Die Kommission hat darauf verwiesen, dass Campingfahrzeuge selten in Unfälle verwickelt werden. Sie werden sich aber im Juli 2027 bei der nächsten Überprüfung der General Safety Regulation anschauen, ob es Bedarf gibt.
Jutta Paulus: Es gibt einen Rahmen, der eine Prüfung, einen Schulungsnachweis oder beides vorschreibt. Darüber hinaus ist die Formulierung aber relativ offen. Einfach so bekommen wird den B‑Führerschein bis 4,25 Tonnen aber niemand.
Jutta Paulus: Sehr wichtig sind die neuen inhaltlichen Standards für die Fahrausbildung. Zum Pflichtinhalt wird zum Beispiel der sogenannte holländische Griff, bei dem die Fahrzeugtür mit der Innenhand geöffnet wird, damit sich die Aussteigenden automatisch drehen und zur Fahrbahn blicken müssen. Damit sollen Dooring-Unfälle, bei denen Autofahrende die Tür öffnen, ohne auf Fahrradfahrende zu achten, deutlich reduziert werden. In Deutschland ist das derzeit noch kein Inhalt in der Fahrschule.