Die Seine entspringt in Paris! Ja, tatsächlich, schenkte doch die Gemeinde Saint-Germain die Quelle im Jahr 1864 der Hauptstadt. "Es war der Wunsch der Dorfbewohner, Paris den Ort anzubieten, an dem die Seine ihren Ursprung hat", erklärt Bruno Walter. "Weil es der Fluss ist, "dem Paris seinen Wohlstand verdankt", wie man seinerzeit schrieb", meint der Président de l’association des Sources de la Seine. Umgehend beauftragte Napoléon III. "seine Architekten, einen Park um die Quelle zu erschaffen, der sich heute noch dort befindet. Es existiert somit ein typischer Pariser Park des 19. Jahrhunderts mitten im Burgund", freut sich der Vorsitzende der Vereinigung der Seine-Quellen.
Beschaulicher Start an der Seine-Quelle

Das liebliche Tal, der Bereich um die Quellgrotte ist 1,2 Hektar groß, besticht heute mit seinen geschwungenen Wegen und dem alten Baumbestand. Es ist ein Ort, um zu verweilen, frei zugänglich ist er obendrein, dieser südlichste Teil der Metropole: Denn "Paris ist noch immer Eigentümerin der Quelle, obwohl manche Abgeordnete seit einigen Jahren davon sprechen, den Park abzugeben, eventuell an das Département Côte d’Or", erklärt Künstler Eric de Laclos. "Aber noch ist nichts entschieden, und niemand weiß, ob dies wirklich geschieht", meint er schmunzelnd, zuweilen mahlen auch französische Mühlen der Politik so langsam, wie das Seine-Wasser an der von Eric geschaffenen Statue der Sequana, der Göttin der Seine, vorbeiplätschert. Die darf freilich nicht mit der Statue der Seine-Nymphe aus dem 19. Jahrhundert verwechselt werden, die hier rechts unten zu sehen ist.
"Es gab hier einen großen Tempelbezirk mit rituellen Badeanlagen, einer Herberge und natürlich Händlern", erklärt der Künstler, der derweil lässig an seinem 600 Kilo wiegenden Werk lehnt, welches er im Sommer 2014 vor Ort schuf. Die Idee hatte die Vereinigung, das ihn inspirierende Original befindet sich in Dijon, während die Grabungen im Quelltal heute geschützt und überwuchert sind. Und doch spürt man den besonderen Esprit des gallo-römischen Heiligtums. "Glaubt an die Kraft der Quelle", rät uns Eric zum Abschied.
Unser VW Grand California parkt derweil am Straßenrand. In Saint-Germain, das Dorf bildet heute gemeinsam mit Blessey die 64-Seelen-Gemeinde Source-Seine, ist das Parken an der Straße neben der Quelle völlig normal, wir sind eben im Burgund. Das spüren wir bei jedem Kilometer, den wir bis ins Herz der Landschaft Châtillonnais rollen; in Châtillon fließt die Seine mitten durch die Stadt, in der sie in diesen Augusttagen wohl auch enden würde, bekäme sie nicht massive "Bei-Flutung"!

Ein Schild verweist auf die "Sources de La Douix" am Rande der Altstadt, deren Wasserarm ist wohl kaum hundert Meter lang, würde aber dennoch den legendären "Krater", das antike Gefäß fasst immerhin 1100 Liter, vieltausendfach füllen. Der ist die Attraktion des Städtchens, der 163 Zentimeter hohe Bronzekrater, er wurde nahebei auf der Gemarkung des Dorfs Vix gefunden, ist auch der Star des neu errichteten Museums in Châtillon-sur-Seine. Alleine die Dimension des dünnwandigen Gefäßes, es gehörte zusammen mit anderen Funden wie Goldschmuck zu einem Fürstengrab, verblüfft.
Wenn in Châtillon der Krater wichtig ist, dann ist es in Troyes ein Korken, ein Champagnerkorken, um genau zu sein. Denn das historische Zentrum zeigt dessen charakteristische Form, blickt man von oben auf den Ort, der einst mit den so wichtigen "Champagnermessen" reich wurde. Flandrische Tuche wurden ebenso gehandelt wie orientalische Luxusgüter. Für willkommene Kühlung der Altstadt sorgen zahlreiche Wasserläufe, "rund 120 Kilometer sind es so ungefähr", erklärt uns Apollonia Gontero im Touristenbüro. "Viele sieht man heutzutage nicht mehr, weil sie überbaut oder abgedeckt wurden. Doch in jüngster Zeit werden immer wieder Abschnitte ans Tageslicht geholt."
Treuer Reisebegleiter: VW Grand California
Im hellen Licht strahlen auch die Seerosen, die einige Tümpel bedecken, an denen wir auf der Reise durchs Seinetal und nach Fontainebleau vorbeirollen: Heiß und schwer lastet der Sommer auf dem Land, doch immer wieder sorgt der Fluss für einen kühlen Luftzug durch die Fenster unseres großen Campers, der die Idee des California auf eine ganz neue Ebene anhebt und mit seinem Bad und dem großen Bett hier punkten kann. Der VW California ist ja an und für sich schon eine Reise-Ikone – jetzt hat er noch einen großen Bruder, basierend auf dem VW Crafter. Dessen Volumen wurde gut genutzt, der "große Cali" verwöhnt mit lichtem Raum und stilvollem Ambiente, eine gelungene Erweiterung des Portfolios!

Stolze 177 PS – unter der Haube werkelt serienmäßig die Vollfettstufe in Sachen Leistung, verschickt wird die Kraft via Achtgang-Automatik an die Vorderräder – bringen uns unserem nächsten Ziel immer näher. Und das ist wörtlich zu verstehen, denn die imposante Palastanlage Fontainebleau gibt sich erfreulich nahbar, gerade auch für WohnmobilistInnen. Da wäre zum einen die Möglichkeit, eine Picknickwiese mit Schlosspanorama anzusteuern; direkt an der kleinen D137 kann man auch überlange Reisemobile am Seitenstreifen parken, und das für umme. Und auch auf der Wiese ist Platz in Hülle und Fülle vorhanden, ein Traum!
Nahebei findet sich ein rege frequentierter, gleichwohl kostenloser Parkplatz unter Platanen, hier steht man mit Blick aufs Schloss. Die Zufahrt von der D606 in die Avenue de Maintenon ist ein wenig knifflig, und auch das Kopfsteinpflaster will mit Muße bewältigt sein. Doch der Blick ist fantastisch, der Zugang zu den Schlossgärten kostenlos – nur darf man sich nicht daran stören, dass ab und an schwer bewaffnetes Militär aus der direkt angrenzenden Ausbildungseinrichtung auf einem Übungsmarsch vorbeikommt.
Aber zu Fuß sollte man auch die größte Kommune an der Seine erkunden: Die Innenstadt von Paris ist nämlich definitiv nichts für Reisemobile, die man besser weeeeeeit außerhalb stehen lassen sollte, gerne auch in Fontainebleau, die Zugfahrt zum Gare de Lyon dauert keine Stunde. Allerdings sollten dann nicht zu viele Bücher bei den Bouquinisten, den BuchhändlerInnen an der Seine mit ihrer Tradition aus Jahrhunderten, erworben werden, man muss das ja schleppen. Also Zurückhaltung! Lieber ein ausgedehnter Spaziergang über die "Stadtinsel", die Île de la Cité mitten in der Seine ist zugleich der älteste Teil der französischen Hauptstadt – und ansonsten einfach mit allen Sinnen das besondere Flair dieser Stadt der Liebe einatmen, der man jederzeit eine eigene Reise gönnen kann.
Claude Monet, alte Gerberstädte & Le Havre

Nach so viel metropolitischem Trubel sehnen wir uns nach der Natur, nach ländlichen, inspirierenden Impressionen – und finden diese im Garten von Claude Monet. Am westlichen Ortseingang von Giverny parken auch überlange Wohnmobile gebührenfrei, der Fußmarsch zur zentralen Sehenswürdigkeit dauert lässige fünf Minuten. Ein Tipp an dieser Stelle? Früh da sein! Dann sorgen die Tautropfen auf den unzähligen Blüten für eine besondere Stimmung, und auch die Massen rollen noch nicht an. Sind doch Monets Seerosenteiche weltberühmt, erstaunlich viele Gäste aus Asien schlendern durch die Anlage, die selbst den nüchternsten Betrachter zuverlässig in Verzückung versetzt. Selten ist man einem Künstler, und Monet liebte ja seine Teiche, so nahe wie hier. Ein traumhafter Ort voller Impressionen – nicht nur für Impressionisten mit verspieltem Pinselstrich.
Verspielt gibt sich aber auch die Seine selbst, die sich nun Zeit lässt für ihr letztes Stück bis zur See: Wir parken an einem heißen Sommerabend, das Thermometer im Cockpit des Grand California zeigte am Nachmittag stolze 37,5 Grad, in Pressagny-l’Orgueilleux direkt am Ufer der Seine, während gegenüber eine beachtliche Viehherde zunächst ans Wasser kommt und dann Abkühlung suchend in dem Fluss planscht. Der Seine freilich, der ist das schnurz! Mal mäandert sie nach links, mal nach rechts, einen extragroßen Bogen schlägt sie eigens für Rouen, dieses normannische Kleinod, um dann erst wieder nach Süden abzubiegen, bevor sie sich regelrecht in Falten legt. Es scheint fast, als wolle sie sich dem Betrachter noch einmal in voller Pracht zeigen, als wolle sie die Zeit in Frankreich möglichst in die Länge ziehen. (Verstehen kann ich’s ja.)
Auch als Reisender sollte man sich Zeit lassen, vielleicht auch mal die Gestade ein wenig verlassen, um beispielsweise der alten Gerberstadt Pont-Audemer aufzuwarten, die als das Venedig der Normandie gilt, liegt sie doch zwischen zwei Armen der Risle, die, mit Kanälen verbunden, der malerischen Altstadt einen ganz speziellen Charme geben. Unbedingt besuchen sollte man auch die mit Reet gedeckten Häuser: Einst Notlösung der Landleute, heute auch Zeichen des Wohlstandes jener, die der Stadt entfliehen; die "Route der reetgedeckten Häuser" im Naturpark der normannischen Seine-Schleifen ist ein echtes Highlight und alleine einen Reisetag, ach was – eine Reise – wert!

Ganz modern und doch historisch: Le Havre! Die kurz vor Kriegsende völlig zerstörte Innenstadt wurde ab 1945 nach den Plänen des Architekten Auguste Perret wieder aufgebaut, "er und sein Team entwarfen fix zu bauende Wohnungen modernster Machart für 80.000 Menschen", erklärt Séverine Gourgeau, die uns freundlicherweise eine im Stil der 1950erJahre erhaltene und eingerichtete Musterwohnung öffnet. Eine Zeitreise der besonderen Art, Retrofans kommen hier voll auf ihre Kosten! "Das spezielle Bauprinzip – alle Gebäude setzen auf Beton und Säulen, die stets 6,24 Meter Abstand halten – gibt es nur in Le Havre, und wir haben auch Frankreichs breitesten Boulevard, die Avenue Foch. Die ist breiter als die Champs-Élysées", meint Séverine stolz.
Gewaltig in die Breite geht jetzt auch die Seine, von der wir uns nun leider verabschieden müssen. Wir steuern den großen California dafür eigens noch einmal über den "Pont de Normandie": Seit 25 Jahren überspannt die filigran über dem Dunst schwebende Brücke die Mündung der Seine, deren Wasser muntere Spielchen mit dem Flussbett treibt, das hier schon Meeresboden ist. Ebbe und Flut sind deutlich spürbar, Salz liegt in der Luft. Und die Seine? Sie verliert sich schließlich im Ärmelkanal. Und dennoch wird sie immer da sein und auf uns warten. Beginnend mit einem Rinnsal…
Die Tour im Überblick

- Gefahrene Kilometer: Die Seine ist 777 Kilometer lang, für Reisemobilisten sind es ein paar mehr, in unserem Fall waren es derer 1100 plus Anfahrt ins Burgund und Rückreise aus Le Havre, unser Verbrauch lag im Schnitt bei akzeptablen 9,57 Litern.
- Reisezeit: Die Seine hat fast immer Saison! Schon im März kann es im Burgund traumhaft warm sein, und auch der Oktober ist meist golden. Im Norden macht sich dann das Seeklima bemerkbar, Regenjacken einpacken! Im Juli und August sind auch die Franzosen im Urlaub, dann kann es voll werden. Wer Paris ausführlich besuchen möchte, der sollte auf den Mai zielen. Denn: Paris im Mai? Oh la la!
- Ungefähre Mautkosten: Keine! Also zumindest nicht an der Seine, wir rollten auf kleinen und kleinsten Strecken, auch auf dem Weg ins Burgund. Für die Rückfahrt von Le Havre über Reims bis zur Grenze bei Saarbrücken fielen dann 58,30 Euro an, eine Fahrt über den Pont de Normandie schlägt im Falle des Grand California mit 6,40 Euro zu Buche.
- Generell: Treiben lassen! Auf jeden Fall aber viel Zeit fürs Burgund und die Seine-Schleifen einplanen. Beide Punkte sind eine eigene Reise wert!