Von jeher ist Camping eine Urlaubsform, das Generationen und Menschen vereinen kann. Rentner reisen mit ihren Enkeln, Eltern mit ihren Kindern, Freunde mit Freunden – Paare, Rentner, Familien und Alleinreisende treffen auf dem Platz aufeinander. Andere fassen das Thema Camping mit der Kneifzange nicht an. Doch wie stehen Deutschlands jüngste Generationen* zum Thema Camping?
Dass Camping mein Leben verändert hat, steht inzwischen wohl außer Frage. Ich bin seit zweieinhalb Jahren Redakteurin bei promobil, 1997 geboren, und damit Teil der Generation Z. Meine kleine Schwester ist 13 Jahre später geboren. Sie gehört damit zur Generation Alpha und hat in ihrem Leben noch nie Campingurlaub gemacht. Für unseren Roadtrip steht uns ein ausgebauter Kastenwagen auf Sprinter-Basis zur Verfügung: ein Clever Aventuro 600. Und so ziehen wir los: ein Bett, Küche, Bad und zwei Generationen an Bord.
Was muss mit? Eine Frage der Autarkie.

Für die nächsten zehn Tage ist der Sechs-Meter-Campingbus unser Zuhause.
Dank meines Jobs bin ich quasi ein alter Camping-Hase. Mit einem eigenen Camper kann ich trotzdem nicht dienen – zu teuer. Von der Kabeltrommel bis zur Toiletten-Chemie verlade ich daher alles Wichtige in meinen vorgepackten Ikea-Boxen. Meine kleine Schwester verlässt sich dabei ganz auf die Ältere. Fünf Jacken, drei Paar Schuhe und zwei große Reisetaschen wandern in den Heckstauraum. Die Bettwäsche und das Eichhörnchen-Plüschi namens "Weichei" werden aufs Bett geworfen. Von ihr aus kann es losgehen. "Wohin fahren wir eigentlich?", fragt sie vergnügt vom Beifahrersitz. "Das überlege ich mir noch", erwidere ich, während ich den Wassertank befülle.
Da ich keinen Campingplatz vorgebucht und auch die Route bis auf unser Hauptziel – Hamburg – offen gelassen habe, sollten wir nach Möglichkeiten autark sein. Dank einer zweiten Aufbaubatterie sowie Solaranlage und Wechselrichter an Bord sollte Strom kein Problem darstellen. Am kritischsten wird vermutlich wie so oft die Kassettentoilette.
Lektion I: Die Sachen mit der Bordtoilette
Was mich dazu bringt, dass ich meiner kleinen Schwester auf der Fahrt einige Grundregeln des autarken Campings einbläuen muss. Allen voran: jede Café- und Restauranttoilette zu nutzen. Auch der Luxus einer Dusche wird uns nicht jeden Tag vergönnt sein. Eine Umstellung für einen Teenager, der gerade in das Alter gekommen ist, in dem man täglich duscht, Deo benutzt und großen Wert auf das eigene Erscheinungsbild legt.
Der erste Abend im Camper

Abends vor dem Camper: Abendessen bei Solar-Licht-Schein. Die Markise ist in diesem Urlaub nur dieses eine Mal ausgefahren.
Für die erste Nacht im Campingbus fahren wir ein bekanntes Ziel an: das Wäller Camp im Westerwald. Dort verbrachte ich vor zwei Jahren meinen ersten Campingtrip mit dem damaligen Dauertester, einem Chausson 640 Titanium. Der frisch sanierte Platz ist kaum zwei Stunden von Zuhause entfernt, der angeschlossene Stellplatz liegt direkt am See und man bekommt Zugang zu allen Einrichtungen des Platzes, inklusive Strandbad. Perfekte Voraussetzungen für einen gemütlichen ersten Abend.
Schon gegen Nachmittag laufen wir am Wohnmobilhafen des Wäller Camp auf. Die elektronische Zugangskarte, die auch für die Duschen und den Waschraum benötigt wird, ist am Automaten schnell gelöst. Den Stellplatz dürfen wir uns aussuchen und entscheiden uns gegen den Platz am Wasser. Lieber wollen wir etwas mehr Sonne haben. "Und jetzt?", fragt mich meine Beifahrerin. Erstmal eine Toilette suchen...
Lektion II: Sanitärhäuschen und lange Laufwege
Sie versteht schnell: Camping bedeutet Laufwege. Für alles, was man zu Hause selbstverständlich unter einem Dach hat, muss man den Camper verlassen – Toilette, Dusche, Spülmaschine (welche Spülmaschine?). Lektion II lautet also: Ist das Wetter gut, lebt der gemeine Camper draußen.

Duschen, Zähneputzen, Toilette, Geschirrspülen – je nachdem wie weit die Laufwege sind, sollte man gut planen, was man mitnimmt, bevor man den Camper verlässt.
Zurück am Bus fahren wir deshalb erstmal die Markise aus. Ein kleines Abenteuer bei einem hochgelegten Sprinter. Ohne etwas zu sehen und mit ausgestrecktem Arm fädele ich die Kurbel ein. Nur um diese dann nicht mehr herauszubekommen. "Du machst das schon" ereilen mich die weisen Worte einer 14-Jährigen. Dass mein Zukunfts-Ich auf dieser Reise noch so einiges zu tun bekommt, schwant mir erst später. Generation Alpha versteht sich auf jeden Fall gut darauf, Aufgaben hoheitsvoll zu delegieren. Zumindest dieses Exemplar.
Lektion III: Man ist niemals wirklich alleine

Auf dem gesamten Trip sind wir uns selbst genug. Trotzdem gehört für mich ab und an ein Gespräch mit den Stellplatznachbarn dazu. Meist kommt man über das Campingfahrzeug ins Gespräch.
Beim Abspülen bekomme ich immerhin Unterstützung. Ich spüle, sie trocknet ab. Auch hier kommt unsere elektronische Zugangskarte zum Einsatz. Für 20 ct bekommt man eine Minute warmes Wasser. Zum Duschen wird die Karte ebenfalls gebraucht. Ein System, das die Wertmünzen von früher ablöst, von Bezahlsystemen per Handy-App aber noch weit entfernt ist. Meine Schwester und ich sind Fans des Chipkarten-Systems. Ankommen und gehen, wann man möchte und unkompliziert am Automaten bezahlen, ohne jemandem begegnen zu müssen.
Doch das Schöne am Camping ist: Ein Schwätzchen mit den Stellplatznachbarn oder den Betreibern ist dennoch nie weit entfernt. Während ich also unsere Parzellennachbarn über ihren gigantischen Route-66-RV löchere, steht meine kleine Schwester still neben mir. Überhaupt bin es meist ich, die in Gespräche verwickelt wird, während sie sich heraushält. Doch vielleicht hat das auch mit dem Altersunterschied zu tun. Meist komme ich mit älteren Mitcampenden ins Gespräch. Das Thema? Fast immer Camping. Würden wir über Operninszenierungen oder das Theater sprechen, wäre meine kleine Schwester wohl Feuer und Flamme. So aber steht sie immer am Rand, ein wenig gelangweilt.
Lektion IV: Permanentes Umräumen und Chaos

Viel Platz für zwei Personen, Decken, Kissen und Kuscheltiere.
Auf jeder guten Campingreise vergisst man etwas. Da helfen auch vorgepackte Boxen nicht. In unserem Fall? Die Sturmleinen. Spät Abends räumen wir – also ich – deshalb die Stühle und den Tisch wieder rein und holen die Markise ein. Zum Glück kann ich dieses mal die Kurbel anschließend aus der Umklammerung der Markise befreien.
Dann heißt es: Betten machen und hoffen, dass mit dem Slide-Out genug Platz im Heck entsteht. Denn so gerne wir uns auch haben, zu kuschlig mögen wir es beide nicht. Der eher schmale Sechs-Meter-Sprinter ist mit einem Querbett ausgestattet. In voller Breite wären das kaum 1,80 m Bettlänge. Mit dem Slide-out sind es etwas mehr als zwei Meter. An der breitesten Stelle haben wir etwa 1,45 m Platz.

Bei Nacht wird das Fahrerhaus zur Ablage für alles was aus dem Weg geschafft werden muss.
In den zehn Tagen, die wir gemeinsam in dem imposanten Kastenwagen unterwegs sind, kommen wir uns beim Schlafen nicht in die Quere. Jede hat ihre Seite, ihr Kissen, ihre Decke. Nur einmal bekomme ich einen Ellenbogen ins Gesicht. Mein kurzer Versuch, mit dem Kopf im Fußende zu schlafen, endet mit einer Beule. Man sollte sich wohl an die vorgesehene Nutzung halten. Wobei das in einem kompakten Camper immer schwierig ist. Das Bad fungiert als Abstellkammer. Das Fahrerhaus nachts als Kleiderablage. Tagsüber hält das Bett für alles her, was vorne weg muss, damit gefrühstückt werden kann.
Lektion V: die Schattenseiten des Campings

Das Kassettenklo zu entleeren, gehört zu den unangenehmeren Haushaltsaufgaben unterwegs. Meist ist eine Person dafür verantwortlich. Diesmal: Ich.
Oh Graus, das Klo ist voll. So dachte ich bei unserem ersten längeren Campingtrip vor etwa zwei Jahren. Auf diesem Roadtrip sehe ich das Leeren der Kassette erstmals als bloße Notwendigkeit. Klar ist es keine schöne Aufgabe. Doch fast schlimmer als den Inhalt einer Kassettentoilette in einen Schacht zu kippen, ist es zu Hause im Sommer den Müll zum Wertstoffhof zu bringen, der bereits nach wenigen Tagen auf dem sonnigen Balkon entsetzlich stinkt. Dagegen ist diese vermeintliche Schattenseite des Campings ein Klacks. Natürlich gilt das nicht für einen Teenager. Mit einem "du machst das schon, Sammy" werde ich hoheitsvoll entlassen, um diese Haushaltspflicht zu erledigen. Nun, ihr fehlt eben noch der Vergleich...
Lektion VI: Frauenprobleme beim Camping
Zwei Frauen, ein Camper und kein Sanitärhaus in Sicht. Spätestens nach einer Woche stellt sich die leidige Frage: Wo kann ich mir die Beine rasieren? Da wir nach dem ersten Stell- und Campingplatz nur noch auf rudimentären Stellplätzen mit parkplatzähnlichen Strukturen übernachtet haben, mangelt es an Gelegenheiten zum Duschen.
Glücklicherweise fällt uns entlang der Route immer noch jemand ein, den wir besuchen könnten. Dass wir dabei immer ganz zufällig Handtücher und einen frischen Satz Klamotten dabeihaben, stört niemanden. Rasieren geht aber auch im Camper und so sitze ich an Tag acht unserer Reise zwischen Klo und Badwand eingeklemmt und versuche die Rückseite meiner Wade zu erreichen. Das kompakte Badezimmer stellt sich dabei unerwartet als Vorteil heraus. Das Waschbecken ist nie weit weg. Und auch der Ablass im Boden und die bewegliche Duscharmatur erleichtern es, die Seifenreste von den Beinen zu spülen. Ein Sieg für das Kompaktbad.
Lektion VII: Übernachtungskosten, Diesel und der Führerschein

Vor allem der Sprit ist teuer. Für Übernachtungen zahlen wir nur etwa 150 Euro in 10 Tagen für zwei Personen.
Da meine kleine Schwester noch keinen Führerschein besitzt, bleiben alle Fahrstrecken dieses Roadtrips an mir hängen. Hätte man mich vor vier Jahren gefragt, ob ich alleine über 2.000 Kilometer in etwas mehr als einer Woche fahren würde, hätte ich meinem Gegenüber den Vogel gezeigt. Ich habe Autofahren gelernt, weil man das eben so machte. Bietet jemand anderes an zu fahren, sage ich selten nein.
Meine kleine Schwester kann allerdings frühestens in zwei Jahren mit ihrem Führerschein beginnen. "Vielleicht mache ich erstmal einen Mopped-Führerschein," meint sie achselzuckend. In einer Stadt wie Heidelberg hat Autofahren lernen keine Priorität. Also werde ich wohl noch eine Weile als Chauffeurin für meine drei jüngeren Geschwister fungieren.
Beim Anblick der steigenden Zahlen auf der Tanksäule werden ihre Augen groß. Der 93-Liter-Tank des Clever Aventuro 600 saugt bei jedem Tankstop meinen Geldbeutel etwas leerer. Für sie, die nie ein Auto tanken musste, eine absurd hohe Zahl. Etwa drei volle Tankladungen benötigen wir für unseren Roadtrip. Insgesamt etwa 450 Euro alleine für Sprit.
Für Übernachtungen zahlen wir derweil insgesamt nur etwa 150 Euro in zehn Tagen. Für Essen und Shopping... nun ja, sagen wir einfach: Es ist nicht günstig, die coole große Schwester zu sein. Doch auch kleine Schwestern können gönnerhaft sein und ich werde immerhin in den Zoo und zum Kaffee eingeladen.
*Streng genommen ist Generation Beta die jüngste Generation, da sie ab 2025 geboren wird. Generation Alpha ist jedoch die jüngste vollständige Generation mit Geburtenjahrgängen zwischen 2010 und 2024.