Es kann ganz schnell gehen: Gerade verläuft das Leben noch in geregelten Bahnen – und dann ist plötzlich alles anders. So wie bei Ralf Blaurock. Derpromobil-Leser ist aktives Mitglied despromobil-Forums und hatte nicht nur einen Motocross-Rennunfall, sondern auch zwei Schlaganfälle. Beide Schicksalsschläge haben ihre Spuren hinterlassen: Seit den Schlaganfällen ist Ralf Blaurock rechtsseitig gelähmt und hat eine Sprachbehinderung. Ein mobiles Leben schien für den Berufs-Lkw-Fahrer und passionierten Reisemobilisten in weite Ferne gerückt.
Wohnmobile für Menschen mit körperlicher Behinderung
Doch er gab nicht auf, ließ sich im Reha-Zentrum beraten, nahm Kontakt zu einer Fahrschule für Menschen mit Behinderung auf – und kaufte schließlich ein Reisemobil, das für seine neue Situation geeignet war. Dank Automatikgetriebe und Fahrhilfen kann er das Fahrzeug selbstständig steuern, so dass dem Reisemobilurlaub nichts mehr im Wege steht. Auch andere Beispiele zeigen: Es gibt fast nichts, was es nicht gibt. Der Schweizer Ernst Raths hat sich sein Reisemobil so umbauen lassen, dass er es im Stehen fahren kann. Und dass auch Patienten mit Nierenleiden Reisemobilurlaub machen können, zeigt das Beispiel von Wolf-Peter Schmidt, der in seinen Campingbus Dialysegeräte einbauen ließ und damit nun problemlos auch mehrwöchige Reisen meistert.

Auch Dino Kortas musste nach einem Unfall sein Leben umkrempeln. Der Hymer-Mitarbeiter sitzt im Rollstuhl und entwickelte den behindertengerechten Paravano mit. Insgesamt wurden zwei Exemplare des Hymer-Paravano gebaut, die zuerst in der Vermietung eingesetzt wurden und inzwischen verkauft sind. Zu einem Serienmodell kam es nicht. Zu individuell sind die Anforderungen jedes einzelnen Kunden an ein behindertengerechtes Reisemobil, als dass man mit einem Modell alle Bedürfnisse befriedigen könnte.
Barrierefreies Wohnmobil: Nicht von der Stange
Wer heutzutage ein barrierefreies Reisemobil möchte, muss fast immer ein Unikat anfertigen lassen. Die Ausnahme bestätigt die Regel: So hat zum Beispiel die neue Reisemobilmarke Womondo mit dem Agilo einen Grundriss im Programm, der individuell auf die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen abgestimmt werden kann, ebenso der Ausbauer HRZ mit dem Modell Reha Camper.

Das Anpassen des Reisemobils ist dann auch der Kern der Sache und der Grund, warum Reisemobile von der Stange eher nicht für Menschen mit Handicap geeignet sind. So benötigt ein Rollstuhlfahrer zum Beispiel breite Aufbautür und Gänge, einen unterfahrbaren Tisch, eine bodengleiche Dusche sowie ein niedriges Bett. Das alles hat seinen Preis: Ein behindertengerecht umgebautes Reisemobil kann schnell mehr als 100 000 Euro kosten – nach oben gibt es kaum Grenzen. Doch auch wenn Menschen mit Handicap an die horrenden Preise von Hilfsmitteln gewöhnt sind: Preise vergleichen lohnt sich, denn es gibt Unterschiede zwischen den einzelnen Firmen und ihrer Preispolitik.
Je nach Behinderung beziehungsweise Anforderung kann als Ausgangsfahrzeug ein bereits aufgebautes Reisemobil genutzt werden oder man baut das Fahrzeug komplett neu auf. Lange Jahre war das der Beruf von Hans-Peter Grimm, Besitzer von Grimm Wohnmobile aus dem rheinland-pfälzischen Oberhausen. Inzwischen hat er sich jedoch umorientiert und berät nun Menschen, die aufgrund eines Handicaps ein individuell angepasstes Reisemobil oder einen Caravan benötigen. Er weiß Antworten auf die Fragen, worauf man im Einzelfall achten muss, welche Firmen für den Umbau infrage kommen und mit welchen Kosten zu rechnen ist.
Mietwohnmobile für körperlich Beeinträchtigte
Wer erst einmal ausprobieren möchte, ob ihm der Reisemobilurlaub liegt, kann auf ein paar wenige Mietangebote zurückgreifen – allerdings nicht bei den großen Verleihbetrieben. Für die lohnt sich die Anschaffung der teuren behindertengerechten Reisemobile nicht. Kleinere Firmen wie etwa Bauer Caravaning (www.bauer-caravaning.de) haben ein oder zwei Mietfahrzeuge im Angebot.
Wie kommt man als Rollstuhlfahrer ins Mobil?
Der Einstieg ins Reisemobil ist die erste Hürde und gestaltet sich für körperlich Beeinträchtigte oft schwierig. Vor allem Rollstuhlfahrer haben hier mit Problemen zu kämpfen. Von der Rampe bis zum Lift gibt es eine Vielzahl an Einstiegshilfen. Die fraglos günstigste Möglichkeit ist eine Rampe. Zudem hat sie den Vorteil, dass man relativ schnell ein- und aussteigen kann und nicht wie beim Lift Wartezeiten während des Auf- und Abfahrens hat.
Komfortabler als Rampen sind Lifte. Erhard Behl, Besitzer von Behl Mobile, hat die Erfahrung gemacht, dass „die meisten Kunden zwar zuerst eine Rampe wollen, sich dann aber doch für einen Lift entscheiden“. Da Kunden mit Handicap ihre Fahrzeuge meist lange behalten, lohne sich diese Investition, so Behl. Welcher Lift letztendlich eingebaut wird, hängt neben dem Geldbeutel auch von der benötigten Hubhöhe und den Zuladungsreserven des Fahrzeugs ab. Die beliebten Kassettenlifte etwa sind für den Einbau in Campingbusse mit seitlicher Schiebetür geeignet, sie wiegen jedoch mindestens 70 Kilogramm.
Mobil sein und nicht von anderen abhängig, diesem Traum kommen Menschen mit Handicap mit der richtigen Fahrhilfe ein großes Stück näher. Mit der richtigen technischen Unterstützung können auch Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen wie Amputationen oder Querschnittslähmungen eigenständig ein Fahrzeug steuern.
Fahrhilfen und Steuerassistenten

Ob und welche Fahrhilfen verfügbar sind, hängt vom Basisfahrzeug ab. Je nach Hersteller können Steuerassistenten bereits ab Werk bestellt werden. Nachrüstungen sind bei den meisten Fahrzeugen mit Automatikgetriebe möglich. Beim Mercedes Marco Polo und der Mercedes V-Klasse stehen für die Bedienung von Lenkung, Gas- und Bremspedal beispielsweise verschiedene Lösungen zur Verfügung. Ein Drehknauf links oder rechts am Lenkrad ermöglicht das Steuern mit einer Hand. Weitere Bediengeräte ermöglichen ein einhändiges Beschleunigen und Bremsen. Beim Modell „Classic“ wird durch Drehen des Handgriffs beschleunigt und durch Druck nach vorne gebremst. Beim Handbediengerät „Easy Speed“ wird der gleiche Effekt durch Heranziehen beziehungsweise Drücken des Hebels erzielt. Die herkömmlichen Gas- und Bremspedale bleiben für Personen ohne Einschränkungen weiterhin nutzbar. Bei Bedarf verhindert eine Pedalabdeckung in Verbindung mit einem Handbediengerät die ungewollte Betätigung.
Weitere technische Möglichkeiten
Kombi- und Tempomathebel können über Zusatzhebel auch von der rechten Seite des Lenkrads aus bedient werden. Optional steht zudem der Multifunktions-Drehknopf „MFD Touch“ zur Verfügung. Er wird wahlweise links oder rechts am Lenkrad befestigt und dient als Lenkraddrehknauf mit zusätzlich funkbasierter Fernbedienung für Abblendlicht, Fernlicht, Blinker, Hupe und Scheibenwischer. Alle Funktionen können einhändig ausgeführt werden, so dass der Fahrer das Lenkrad nicht loslassen muss.
Mit der Optimierung des Wohnraums sowie dem Einbau von Fahr- und Einstiegshilfen können Menschen mit Handicap den Traum vom mobilen Leben verwirklichen. Sinnvollerweise ist dennoch eine Begleitperson mit an Bord. Auch wenn es den Betroffenen am Anfang wie ein Ding der Unmöglichkeit erscheint: Es gibt für fast alles eine Lösung – allerdings zu teils happigen Preisen. Der Lohn ist mehr Unabhängigkeit und Freude am Reisen. Denn, um es mit den Worten von Ralf Blaurock zu sagen: „Es gibt nichts Schöneres, als Reisemobil zu fahren.“
Führerschein trotz Handicap
Mobilität trotz körperlicher Einschränkungen – das geht. Denn grundsätzlich hat jeder das Recht, einen Führerschein zu erwerben. Liegt eine Behinderung vor, muss gewährleistet sein, dass sie die Fahrtüchtigkeit nicht einschränkt. Wer von Geburt an ein Handicap hat, muss sich seine Fahrschule sorgfältig aussuchen. Eine Internetrecherche bringt hier gute Ergebnisse. In der Regel müssen verschiedene Gutachten vorgelegt werden, die die Fahrtüchtigkeit belegen. Dazu zählen zum Beispiel die medizinische Untersuchung, die klären soll, ob der Behinderte ein Fahrzeug aus medizinischer Sicht sicher führen kann, sowie ein technisches Gutachten, das festlegt, welche Schlüsselzahlen im zukünftigen Führerschein stehen. Meist gehört dazu auch eine zusätzliche Fahrprobe bei einem Sachverständigen mit einem Fahrschulauto, das über die nötigen Umrüstungen verfügt.
Wer bereits einen Führerschein hat und infolge eines Unfalls oder einer Krankheit mit einem Handicap leben muss, der kann seine Fahrerlaubnis umschreiben lassen. Wichtig: Der Führerschein verliert nicht seine Gültigkeit, der Betroffene muss aber für seine Fahrtüchtigkeit sorgen, zum Beispiel durch die Nachrüstung von Fahrhilfen. Meist sind auch hier Gutachten erforderlich, die die Fahrtüchtigkeit belegen.
Kontakte zu Spezial-Firmen für Reisemobil-Aus- und Umbauten
- Behl Mobile, Telefon 0 93 91/9 18 19 13, behl-mobile.de
- Dopfer Reisemobilbau, Telefon 0 82 83/26 10, dopfer-reisemobilbau.de
- HRZ Reisemobile, Telefon 0 79 41/98 68 60, hrz-reisemobile.de
- Kirchhoff Mobility, Telefon 08 00/7 00 98 00, kirchhoff-mobility.com
- Koeltgen, Telefon 0 21 51/70 12 36, koeltgen.de
- Paravan, Telefon 08 00/7 27 28 26, paravan.de
- Schaffer-Mobil, Telefon 03 51/83 74 80, schaffer-mobil.de
- Woelcke, Telefon 0 70 33/39 09 94, woelcke.de
- Womondo, Telefon 0 55 71/9 23 08 40, womondo.net
Beratung für behindertengerechte Freizeitfahrzeuge
- Grimm Wohnmobile + Wohnwagen, Telefon 0 63 43/71 22, grimm-wohnmobile.de