Camping-Ausrüster Herzog beantragt Insolvenz: Wohnmobilhandel belastet Vorzelthersteller

Wohnmobil-Handel treibt Vorzelt-Profi in Insolvenz
Camping-Ausrüster Herzog beantragt Insolvenz

Zuletzt aktualisiert am 23.06.2025
Thema des Monats: Schutz gegen Sommerhitze
Foto: Herzog-Freizeit

Der Vorzelthersteller und Caravaning-Händler Herzog ist insolvent. Laut einer Pressemitteilung arbeitet das Unternehmen gemeinsam mit Insolvenzverwalter Holger Blümle von der Kanzlei Schultze und Braun an einer tragfähigen Sanierung. In Kirchheim am Neckar, 40 Kilometer nördlich von Stuttgart, steht nicht nur ein Traditionsunternehmen vor großen wirtschaftlichen Problemen – sondern ein exemplarisches Geschäftsmodell. Die Insolvenz von Herzog zeigt, wie problematisch die Marktbedingungen für die Händler in der Caravaning-Branche unter den derzeitigen Bedingungen sind.

Das Zwei-Säulen-Modell steht unter Druck

Herzog ist eine der Top-Adressen Deutschlands für die Produktion maßgefertigter Vorzelte. Parallel dazu wurde über Jahre ein Handelsbereich mit Wohnwagen, Campingbussen und Wohnmobilen mit angeschlossener Werkstatt aufgebaut. Die Marken: Fendt, Knaus, Tabbert, Weinsberg.

Doch genau dieses Geschäftsmodell, das Produktion von Vorzelten und Handel von Campingfahrzeugen vereint, wurde Herzog zum Verhängnis. Anders als bei Kommissionsmodellen kaufen Händler Wohnmobile und Wohnwagen vom Hersteller – auf eigenes Risiko.

Ausgelöst vom Pandemie-Boom entstand ein Nachfragestau. Die Hersteller kamen mit der Auslieferung nicht hinterher und drehten deshalb ihre Produktions-Kapazitäten deutlich hoch. Nach der Pandemie legte sich der Kaufrausch. Die Lebenshaltungskosten erhöhen sich, die Preise steigen. Die Kundinnen und Kunden nehmen weniger Wohnmobile und Wohnwagen ab, als die Hersteller produzieren und die Handelsbetriebe geordert haben.

Die Folge: Viele Händler bleiben auf den Wohnwagen und Wohnmobilen und ihren Finanzierungskosten sitzen, was Liquidität bindet. Gegenüber der Stuttgarter Zeitung skizzierte Ingo Schorlemmer, Pressesprecher von Schultze und Braun, diese Marktbedingungen als Kernproblem der Branche. Denn sie treiben nicht nur Herzog in Probleme. In den vergangenen Monaten mussten mehrere Caravaning-Händler Insolvenz anmelden oder den Betrieb einstellen.

Vorzeltproduktion längst gedrosselt

Mit den Absatzproblemen am Fahrzeugmarkt gingen die Verkaufszahlen von Vorzelten zurück. Parallel stiegen die Materialpreise für die hauseigene Zeltproduktion. Schon lange bevor das Insolvenzverfahren eingeleitet wurde, hatte Herzog begonnen, auf die veränderten Marktbedingungen zu reagieren. "Wir haben schon früh damit begonnen, unsere Produktionskapazitäten und -prozesse an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen", erklärt Geschäftsführer Erich Eugen Herzog. Produktionsmengen wurden gestrafft, Abläufe optimiert, alternative Aufträge akquiriert.

Auch im Vertrieb setzte Herzog verstärkt auf Direktvermarktung und digitale Kanäle. Dennoch gelang es nicht, die entstandene Lücke in der Auslastung vollständig zu schließen.

Das Unternehmen hat also nicht abgewartet – sondern gehandelt. Doch die strukturellen Belastungen im Markt waren stärker. "Die Kombination aus Herausforderungen war und ist auch für uns als vorsichtig planendes und agierendes Familienunternehmen über einen Zeitraum von inzwischen über drei Jahren nicht durchzuhalten", so Herzog.

Das Insolvenzverfahren läuft seit Mitte Juni 2025. Herzog führt den Geschäftsbetrieb derzeit regulär fort. Die Gehälter der Mitarbeitenden sind durch das Insolvenzgeld über drei Monate gedeckt.

Investoren gesucht

Der Insolvenzverwalter Holger Blümle prüft derzeit gemeinsam mit der Geschäftsführung Sanierungsoptionen. Das Unternehmen soll unter Mitwirkung der Familie Herzog zukunftsfähig aufgestellt werden, um möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Die Neuausrichtung soll insbesondere die Stärken des Unternehmens nutzen: maßgeschneiderte Zeltlösungen, ISO-zertifizierte Produktion und einen starken Servicefokus.

Zusammen mit den Eigentümern und der Unternehmensberatung sucht der Insolvenzverwalter nach Investoren, die in das bestehende Unternehmen einsteigen wolle oder es in ihre Unternehmensgruppe eingliedern möchten. Bisher seien die Rückmeldungen durchweg positiv, heißt es in der Pressemitteilung der Kanzlei Schulze und Braun. "Wir werden aber auch noch weitere potenzielle Kandidaten ansprechen. Interessenten für einen Einstieg können sich gerne bei mir melden. Der Prozess ist offen für alle ernsthaften Investoren", sagt Blümel.

Was Camper zur Insolvenz wissen müssen

Für Kunden ändert sich vorerst wenig. Serviceleistungen bleiben bestehen, Lieferketten sind gesichert. Bestellungen über den Online-Shop sind möglich, Service und Werkstatt bleiben aktiv.

Wer gerade über einen Vorzeltkauf oder eine Reparatur nachdenkt, kann das weiterhin mit gutem Gewissen bei Herzog tun.

Herzog: Kurze Firmenhistorie

Herzog entstand 1902 als Hersteller von Pferdedecken und Rucksäcken, verlagerte seinen Schwerpunkt mit der Zeit auf Vorzelte für Wohnwagen und Wohnmobile. In diesem Segment gehört das Familienunternehmen zu den Marktführern in Europa. "Wir produzieren auf über 16.000 m² mit einem hochmodernen Maschinenpark", sagt Geschäftsführer Erich Eugen Herzog. Das Unternehmen ist bekannt für seine flexiblen Zeltlösungen – auch als Maßanfertigung. Abgerundet wird das umfassende Produktportfolio im Shop von Herzog durch ein breites Camping-, Trekking-, Freizeit- und Outdoor-Sortiment anderer Hersteller.