Aus Slowenien direkt zur Redaktion – promobil nahm das überarbeitete Flaggschiff von Adria unter die Testlupe. Der neue Sonic ist leise in den Tönen, doch laut in der Musik. Gereift, doch nicht reif.
Aus Slowenien direkt zur Redaktion – promobil nahm das überarbeitete Flaggschiff von Adria unter die Testlupe. Der neue Sonic ist leise in den Tönen, doch laut in der Musik. Gereift, doch nicht reif.
Sonic heißt die 2010 vorgestellte und dieses Jahr facegeliftete Flaggschiffserie des slowenischen Reisemobil-Großherstellers Adria.Sonic heißt übersetzt „Schall“ oder im Adjektiv auch „hörbar“. Damit gemeint ist im umgekehrten Sinne die offensichtlich gelungene Lärmisolierung, die dem Adria-Topmodell eine recht angenehme Geräuschkulisse beschert. Ein Leisetreter ist der von uns erstmalig getestete Sonic 700 SL Plus deswegen dennoch nicht, das verhindert schon der zwar aus dem Drehzahlkeller kräftig antretende, aber nicht besonders kultivierte Turbodiesel-Direkteinspritzer aus dem Fiat Ducato (im Test in der 150-PS-Variante). Doch betrachten wir zunächst einmal die Kriterien, die den überarbeiteten Sonic von seinem Vorgänger unterscheiden. Da fällt natürlich sofort die modernere Formgebung ins Auge, die vor allem vom überarbeiteten Frontgrill mit den markanten Rund-Scheinwerfern dominiert wird. Flankiert werden die Augen des Sonic von einem klammerartigen LED-Tagfahrlichtband,das dem optisch eindrucksvollen Sonic neben der schieren Größe und den ab der A-Säule nach hinten oben zulaufenden Dekorfolien zu noch mehr Präsenz verhilft. Sonic, der Animateur.
Durch eine mit 60 Zentimetern erfreulich breite Aufbautür betreten wir erwartungsvoll unseren Testwagen. Im Innenraum fallen sogleich die neuen frischeren Dekore auf Möbeln, Boden und Wänden auf. Dazu Alu hier, weiße Glanzflächen dort. Sonic, der Avantgardistische. Ins Auge stechen bald die konkav nach innen gewölbten Hängeschränke, die scheinbar nach hinten ausweichen und das Raumgefühl erweitern. Ein schöner Effekt. Noch irgendetwas scheint aber anders zu sein. Und richtig: Die Schränke haben keine Griffe mehr. Sie öffnen und schließen jetzt durch leichten Druck, schon gibt eine Mechanik den Deckel frei oder hält ihn klapperfrei fest am Gehäuse. Oder auch nicht: Die Bauweise der Scharniere war im Testwagen stellenweise wenig überzeugend und ließ manchen Deckel sich deutlich verwinden.
Dass alle Schränke und viele andere Einbauteile fast durchgängig und indirekt von LED-Bändern be- oder hinterleuchtet sind, nehmen wir indes wohlwollend zur Kenntnis. Sonic, der Erleuchtete. Wenn es denn erst einmal leuchtet – und der Besitzer nach gewisser Lernphase irgendwann mal das Beleuchtungs-Management vollständig begriffen hat. Dieses lässt sich zwar über ein formschönes Echtglas-Touch-Display bedienen, aber nicht unbedingt nachhaltig verstehen. Also setzt sich der Adria-Oberklasse-Schüler erst einmal hin, greift sich ein kaltes Getränk aus dem wirklich großen (167 Liter) Kühlschrank vis-à-vis der L-förmigen, bequemen Sitzgruppe, lässt Blicke und Gedanken weiter schweifen. Über eine Podeststufe, die nachts gerne zur allseits gefürchteten, weil ausgerechnet hier unbeleuchteten Stolperfalle mutiert, geht es in den Sanitär- und Schlafbereich. Hierzu öffnet sich eine Tür, die den Zutritt nach links ins Bad und nach rechts in die transparente Dusche freigibt. Beide Erholungszentren haben dankenswerterweise einen Lichtein- und Dampfauslass in Form eines Fensters (Bad/Toilette) oder einer Dachhaube (Dusche). Das schüsselartige Waschbecken im Bad soll durchaus an den Standard in Lifestyle-Hotels erinnern, in der Dusche setzt eine dunkelbraune Rückwand farbliche Akzente. Alles gut und schön so weit. Nichts zu kritisieren? Doch, wie könnte es anders sein, geboren aus der Not der immer irgendwo eingeschränkten Grundriss-Designer. So missfällt etwa der zwar 127 Zentimeter hohe, aber gerade mal handbreite Kleiderschrank – kaum Platz für mehr als das Nötigste von nur einer von bis zu vier Personen.
Zur Ehrenrettung sei aber gesagt: Als Kleiderschrankerweiterung tun sich direkt unter den beiden bequemen und mit bis zu 1,98 Meter ausreichend langen Einzelbetten ganze Verstauwunder auf. Zugegeben, das war jetzt etwas übertrieben, doch hier im „Keller“ des Sonic findet sich neben der mehr als üppigen Heckgarage der Platz für Reisetaschen, Klamotten, Sportzeug und all die tausend Sachen, die man immer mitnimmt und nie braucht – Sie kennen das sicher. Und weil so manchem Adria-Kundenmangels Bizeps-Performance die Puste ausgeht beim nun wirklich beschwerlichen Hochstemmen von Lattenrost und darüberliegender Matratze, gibt es auf der Beifahrer-Bettseite sogar eine elektrische Hochfahrhilfe. Sonic, der Trickreiche. Gegenüber erleichtert eine Schwenkklappe den Zugang zum Stauraum unter dem fahrerseitigen Einzelbett. Fassen wir also zusammen: sitzen, schlafen, verstauen, die Zeit im Innenraum verbringen – ganz klar die Stärken des Adria Sonic. Und wie schlägt er sich auf der Bahn und in der Kurve?
Auf kurvenreichen Strecken über Land fährt sich der große Adria angenehmstabil, durchaus souverän. Aber: Wie bei praktisch allen Reisemobilen mit großem Überhang nervt wiederum auf Autobahn-Etappen die ausgeprägte Aufbauunruhe beim Ein- und Ausfahren aus den Bug- und Heck-Druckwellen anderer Fahrzeuge: Der Windangriffspunkt sitzt zu weit hinten. Das geht zwangsläufig mit einer Kurskorrektur am Lenkrad einher, erfordert stete Aufmerksamkeit. Auch schickt das große Gefährt fallweise unerwartete Schockwellen durch Mark und Bein, wenn die Hinterachseausgeprägte Querfugen überrollt: Den Stoß gibt das Fahrwerk nahezu ungefiltert nach oben weiter, akustisch wie mechanisch. Sonic, der Wachrüttler. Macht das die Konkurrenz etwa besser? Nein, auch die kämpft mit den physikalischen Gegebenheiten.
Einerseits begeistert der Adria-Integrierte mit Raum, Platz, Komfort und Ambiente. Andererseits fährt er sich zuweilen wie ein holpriger Lieferwagen. Damit ist er keineswegs allein, verdeutlicht aber das Dilemma der Hersteller auf dem Weg zur Perfektion.