Flair 800i CEBW im Test
Der kleine Unterschied

Flair 100 statt 1000 nennt sich die fast 20.000 Euro günstigere Schwesterreihe
von Niesmann + Bischoff. Ist dies reine Preislistenakrobatik oder tatsächlich eine attraktive Alternative?

Niesmann und Bischoff Flair 800I CEBW, Supercheck

Weit klafft die Preislücke zwischen den beiden Modellreihen Arto und Flair von Niesmann + Bischoff auf. Ragt  der größte Arto knapp über die Schwelle von 100.000 Euro, so kostet der günstigste Flair 1000 bereits fast 150.000 Euro. So viel kann oder mag nicht jeder ausgeben, der sich ein Wohnmobil der Oberklasse gönnen will. Obwohl hier Merkmale locken wie ein stämmiger Iveco Daily als Basis mit nach vorn und oben versetztem Cockpit und entsprechend üppigem Raumgefühl.

Die noch junge Flair-Baureihe 100 soll die Lücke schließen, sie senkt die Hürde um knapp 20.000 Euro. Das ist ein Wort, aber worauf muss der Flair-Fan verzichten, und wie ist es um die Qualität bestellt?

Sitzen & Schlafen

Der markanteste Unterschied zwischen Flair 100 und 1000 findet sich im Wohnraum. Die 100er-Möbel sind eine Spur geradliniger und weniger opulent gestaltet. Erst auf den zweiten Blick merkt man, dass sie sich in Papierfolie statt Echtholzfurnier hüllen. Markenkenner ordnen die Möbel treffsicher der Arto-Baureihe zu.

Auch dem Flair stehen sie gut. Deckenkränze gibt es hier wie dort – im Flair 100 mit indirekter Beleuchtung. Elegante Rundungen und solide Beschläge mit Gasdruckaufstellern finden sich ebenso. Aus dem Rahmen fällt nur die Kleiderschranktür mit fummeligem Drehstangenschloss und aufgeklebten Schaumstoffpuffern.

Das Leben im Flair 100 findet in jeder Beziehung auf hohem Niveau statt. Zum Eintreten sind wegen des hohen Rahmens plus Doppelboden vier Stufen zu erklimmen. Es lohnt sich: Der Wohnraum des Flair erstreckt sich dann stufenfrei vom Armaturenbrett bis vor das Heckbett.
Der Fahrzeugklasse angemessen, baut sich die Sitzgruppe großzügig und repräsentativ auf. Im Testwagen kleideten zweifarbige Mikrofaserbezüge die einladenden Polstermöbel ein. Öffnungen unten an den Sitztruhen und hinter den Lehnen gewährleisten im Flair eine gezielte Luftzirkulation, wichtig vor allem für die Wirksamkeit der serienmäßigen Warmwasserheizung. Seltsam jedoch, dass  bei den Hängeschränken nur die Exemplare über den Heckbetten eine wirksame Hinterlüftung aufweisen.

Der standfeste Einsäulentisch lässt sich leicht um eine Platte erweitern und über einen Kreuzschlitten bedarfsgemäß platzieren. Die an Ohrensessel erinnernden, mehrfach verstellbaren Fahrerhaussitze von SKA eignen sich auch gut als gemütliche Fernsehsessel. Sowohl Satelliten-Anlage als auch Komfortsitze gehören im Flair zu Ausstattungspaketen. 
Wer den Flair nur zu zweit nutzen möchte, kann statt der Eck- auch eine Längsbank wählen. Sie bietet nur einen Gurtplatz, aber eine größere Gangbreite. Als reisendes Duo ohne Anhang kann man auch auf das Hubbett verzichten. Das spart  880 Euro und 50 Kilogramm Gewicht. Auch gibt es dann mehr Hängeschränke.

Jedoch entpuppt sich das Hubbett im Flair als ernstzunehmende Schlafgelegenheit. Es trumpft  mit dicker Kaltschaummatratze und punktelastischer Unterfederung auf, ebenso mit einer Dachhaube, Ablagen und Beleuchtung. Noch verführerischer sind indes die Einzelbetten im Heck. Ähnlich ausgestattet wie das Bett vorn, sind Maße und Zugang noch komfortabler. Sehr edel wirkt auch die Heckwandverkleidung aus beigefarbenem Kunstleder mit eingeprägtem Markenemblem und dezenter Beleuchtung. Zu zurückhaltend ist dagegen die Lichtleistung der Leseleuchten am Kopfende.
Zwischen den Betten des Flair findet sich ein Nachtkästchen. Oder Käufer ordern ein Zwischenpolster, haben damit eine Liegewiese und die Wahl zwischen Längs- und Querschlafen.

Bad & Küche

In stumpfem Winkel verläuft die Küchenzeile des Flair, die sich mit der optionalen Mineralwerkstoff-Arbeitsplatte edel herausputzt. Eine Glasscheibe rechts neben dem Kocher verhindert, dass die Polster in Mitleidenschaft gezogen werden, sollte der Kochlöffel allzu schwungvoll kreisen. Dazu kann der mächtige Dreiflammkocher durchaus verführen, er bietet auch großen Töpfen Platz. Nicht weniger stattlich ist das tiefe zylinderförmige Spülbecken mit Abtropffläche. Pfiffig: Der Auslauf des Wasserhahns lässt sich herausziehen. Damit wird der Nudeltopf direkt auf der Kochstelle befüllt, oder der Wasserbehälter der optionalen Kaffeemaschine in der  Glasvitrine nebenan.

Fünf große Schubladen mit sanften Endeinzügen sind die Basis für Ordnung im Unterschrank. Verriegelt werden sie zentral per Schalter, inklusive Warnton bei Motorstart. Der Tec-Tower aus großem Kühlschrank und Backofen mit elegant verspiegelter Front ist Teil des Komfortpakets.

Eine sehr solide Tür mit Metallklinke, Einsteckschloss und versteckten Scharnieren verschließt je nach Stellung entweder den Gang ins Raumbad oder die Toilettenkabine. Zusammen mit der Schiebetür vor dem Schlafbereich und dem Kleiderschrank entsteht auf diese Weise ein großes Bade- und Ankleidezimmer.

Verführerisch wirkt auch hier die Option für ein Waschbecken aus Mineralwerkstoff. Wie an der Spüle kann der Auslauf des Wasserhahns herausgezogen werden, etwa zum schnellen Haarewaschen. Noch verlockender ist die Erfrischung in der viertelkreisförmigen Duschkabine mit Handbrause und Regendusche. Zum Glück fasst der Wasertank 300 Liter Frischwasser. Gut angelegt ist auch das Geld für den Handtuch-Heizkörper.

Aufbau & Bordtechnik

Mit seinem Vollaluminium-Aufbau mit Styrofoam-Isolierung und Doppelboden für die Bordtechnik setzte der Flair einst Maßstäbe in der Oberklasse. Weiterentwickelte Eckverbindungen und das hochgesetzte Fahrerhaus mit einer durchgehenden Bodenplatte vermeiden viele der seinerzeit vorhandenen Wärmebrücken.

Hochwertige Fenster, Türen und Klappen sind im Flair selbstverständlich. Die Doppelverglasung an den seitlichen Fahrerhausfenstern und die Einhandbedienung an den übrigen Aufbaufenstern gibt es aber nur mit dem Linerpaket, ebenso den elektrischen Frontscheiben-Rollladen. Nicht im Angebot ist hagelresistentes GfK als Dachhaut. Im 34 Zentimeter hohen Doppelboden lagern die Wassertanks sicher, warm und nahe der Hinterachse.

Auch die Alde-Heizung, der optionale Fäkaltank und die auf drei AGM-Batterien  à 165 Ah erweiterbaren Stromspeicher kommen hier unter. Zwei davon gehören zum Dynamikpaket, ebenso der kombinierte Lader und Wechselrichter von Victron mit 2000 Watt Leistung. Dazu drei 80-Watt-Solarpanelee, und das Thema Strom ist abgehakt.

Schon serienmäßig vorbildlich ist das Zentralversorgungsfach auf der linken Wagenseite mit allen Schiebern und Ventilen, Wasserschlauch-Schnellanschluss und Bodendurchführung für das Netzkabel. Und – nicht selbstverständlich – alles ist sorgfältig beschriftet.

Stauraum & Zuladung

Fahrzeuge wie der Flair geizen meist nicht mit Stauraum. Die Hängeschränke an der Sitzgruppe gieren geradezu nach Beladung und bieten als Sortierung höhenverstellbare  Zwischenböden mit Rüttelkanten.

Unter der Querbank gibt es Platz, noch mehr in der Längsbanktruhe, die sich in den Doppelboden hinunter enorm erweitert. Dank großer Außenklappe eignet sich das Fach ideal etwa für Getränkekästen. Offene Ablagen finden sich an der Sitzgruppe nur wenige, an den Heckbetten fehlen sie ganz. Der Kleiderschrank nimmt die ganze Raumhöhe ein und lässt sich variabel unterteilen, auch in zwei Hängeabteile übereinander.

Noch mehr Platz für Stangenware bietet eine Nische mit Hängevorrichtung in der Heckgarage – hilfreich im Winter für Ersatzjacken, im Sommer fürs Sportzeug. Zwei weitere Fächer für Kleinteile stecken im angrenzenden Doppelboden. Ansonsten gähnt die leere Garage dem Lademeister entgegen. Eine zweite Außenklappe links und selbst Zurrschienen kosten jedoch extra. 

Trotz des langen Hecküberhangs ist eine Überladung der zwillingsbereiften Fünf-Tonnen-Hinterachse kaum zu befürchten. Mit mehr als einer Tonne Gesamtzuladung muss man sich bei diesem Modell kaum Gedanken über dieses Thema machen. Nur bei vier Reisenden sollte man die Gewichtssituation an der Vorderachse im Auge behalten. Ein echtes Pfund des Daily ist seine maximale Anhängelast von stattlichen 3500 Kilogramm.

Fahren & Sicherheit 

Es ist keine Überraschung, dass ein Integrierter dieses Formats mehr Umsicht beim Fahren fordert als ein gängiger 3,5-Tonner. Umso erstaunlicher, dass man sich als Flair-Steuermann zwar an die Abmessungen gewöhnen muss, aber schnell ein sicheres Gefühl für das stattliche Schiff entwickelt.
Das hängt entscheidend mit der guten Übersichtlichkeit zusammen. Sie wird entscheidend durch den nach oben und vorn versetzten Führerstand, aber auch durch mächtige Außenspiegel mit großem Weitwinkelteil und das Navigationsradio mit Rückfahrkamera unterstützt. Lediglich der Blick direkt vor den Bug ist durch den hohen Armaturenbrett-Aufbau etwas beschnitten.

Mit dem 170-PS-Motor ist der Flair angemessen motorisiert. Der neue 205-PS-Biturbo steht zudem als reizvolle Option bereit. Dass er sich nicht mit dem automatisierten Agile-Getriebe kombinieren lässt, kann man verschmerzen, denn es hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Generell ein Komfortgewinn auf langen Strecken, ärgert Agile im Stadt- und Überlandverkehr mit teils unsinnigen Gangwechseln.

Während die optionale Luftfederung die Hinterachse beruhigt, poltern die Vorderräder schon mal durch Schlaglöcher. Dies regt teils Quietschgeräusche zwischen den Kunststoff-Formteilen rund ums Armaturenbrett an. Sie bilden zahlreiche Fächer und Ablagen neben Fahrer und Beifahrer aus und tragen eine hochwertige Oberfläche. Die Motorgeräusche sind relativ gut abgedämmt. Nicht mehr zeitgemäßig ist allerdings, dass weder Airbags noch ESP verfügbar sind, nicht einmal auf Wunsch.   
Ausstattung & Preise 

Das Linerpaket für 2990 Euro fasst wichtige Fahrerhaus-Ausstattungen zusammen, die der Flair 1000 dem 100er voraus hat. Auf sie werden Käufer kaum verzichten wollen. Praktisch alle anderen Ausstattungen des Flair 1000 lassen sich entweder gezielt ordern, oder aber ihr Fehlen fällt nicht wesentlich ins Gewicht.
Zum Beispiel zeigt auch das einfachere Kontrollbord des Flair 100 alle nötigen Betriebszustände an, bietet aber nicht die Spielereien des Berührungs-Kontrollbords mit Datenbus-Technik des 1000er.

Realistisch betrachtet eröffnet der Flair 100 einen um etwa 15.000 Euro günstigeren Einstieg in die Oberklasse. Die vielen verlockenden Extras werden in der Praxis aber dafür sorgen, dass die konkreten Endpreise für Modelle aus beiden Flair-Serien in weiten Bereichen überlappen.

Die Baureihe: Flair 100/1000

Preise:129 990 – 154 990 Euro
Basis:  Iveco Daily
Länge: 8,28–8,78 m
Gesamtgewicht:  6700 kg
Modelle: Flair 100 und 1000 gibt es jeweils in fünf Varianten, zwei kürzeren und drei längeren. Die Grundrisse variieren zwischen beiden Linien etwas, bieten aber jeweils zwei Einzel- und drei Doppelbettenmodelle. Der größte Unterschied ist der Möbelbau, der in den 100er-Modellen etwas einfacher ausfällt. Außerdem ist die Serienausstattung im Vergleich merklich knapper gehalten.

Fazit

Abgesehen vom Linerpaket müssen Käufer beim Flair 100 gegenüber dem 1000er kaum schmerzliche Abstriche machen. Die Baureihe ist deshalb mehr als eine Überlegung wert, zumal an den wesentlichen Flair-Eigenschaften nicht gerüttelt wird. Das größte Manko – weder Airbags noch ESP – gilt für beide.