Die Tür schließt satt, der Sitz passt auf Anhieb, die rechte Hand fällt auf das bekannte COMAND-Eingabesystem für Navi & Co., und auch die markenspezifischen Lenkstockhebel links hinterm Lenkrad, finden Mercedes-Limousinen-Fahrer blind. Die neue X-Klasse ist ein Mercedes, das wird nicht nur durch den großen Stern am Kühlergrill, sondern auch im Interieur schnell klar.
Hintergrund der Skepsis vor dem Erstkontakt: Die X-Klasse ist mit dem Navara von Nissan und dem Alaskan von Renault verwandt – das ist kein großes Geheimnis. Der Leiterrahmen, das Fahrwerk mit an Mehrlenkern und Schraubenfedern aufgehängter Hinterachse sowie der 2,3-Liter-Basismotor, den es in einer 163- und einer 190-PS-Version gibt, sind allen drei Marken gemein – zumindest bei den Doppelkabinern. Lediglich Nissan bietet auch noch eine Einstiegsversion mit kürzerer Kabine und blattgefederter Hinterachse an.
Pick-Up in Mercedes-Qualität: Komfortable Lenkung
Die Mercedes X-Klasse hebt sich von ihren Stiefgeschwistern durch eine eigenständige Karosserieform ab, die sieben Zentimeter breiter ausfällt. Dafür wurde auch die Spurweite um 62 Millimeter gestreckt. Damit steht der Mercedes stämmiger auf den 18-Zoll-Optionsrädern und natürlich tragen auch die eigene Fahrwerks- und Lenkungsabstimmung dazu bei, dem Fahrer ein markentypisches Fahrgefühl zu vermitteln.
In Sachen Handling und Komfort erreicht die X-Klasse damit ein Niveau, wie man es bei Pickups bisher selten erlebt hat. Die direkte und relativ feinfühlige Lenkung macht den 5,34 Meter langen und in der gefahrenen Konfiguration rund 2300 Kilogramm schweren Wagen stets gut beherrschbar. Die Federung spricht auch an der Hinterachse überraschend sensibel an – insbesondere im Vergleich zu klassischen blattgefederten Pickups, die bei Fahrbahnunebenheiten empfindliche Nackenschläge austeilen können.
Das typische Zittern, das etwa bei Querfugen durch die Karosserie – und den Rücken hinunter läuft, kann aber auch die X-Klasse nur dämpfen, nicht ganz abstellen. Ein klarer Hinweis auf die Leiterrahmenkonstruktion. Anerkennung gebührt den Mercedes-Entwicklern für die Geräuschdämmung. Motor, Fahrbahn und Windgeräusche zeigen sich auch bei Autobahntempo 120 gut gebändigt. Lediglich ein dezentes Säuseln dringt vom Heckfenster ans Ohr, wo ein kleines Scheibenstück Richtung Ladefläche geöffnet werden kann.
On- und Offroad zeigt die X-Klasse ihre Potenz

Ob im Stadtverkehr, auf der Autobahn oder der Landstraße – der zur Probefahrt verfügbare X 250 d 4MATIC mit der Antriebskombination aus 190-PS-Motor und Siebengang-Automatikgetriebe macht rundum eine gute Figur in punkto Kraft und Komfort. Mit dem optionalen zuschaltbaren Allradantrieb, kann der Fahrer auf losem Untergrund während der Fahrt zum Heck- den Frontantrieb dazu bitten.
Ist in komplizierteren Passagen eine langsamere Gangart mit mehr Drehmoment am Rad gefragt, muss der Wagen kurz gestoppt und in die Untersetzung (2,72:1) gewechselt werden. Zusammen mit der Automatik und dezentem Gaseinsatz wühlt sich der X damit durchs Gelände, dass es eine wahre Freude ist. Der Fahrer kann sich ganz aufs Lenken konzentrieren.
Dabei ist die optionale Bird-View-Kamera eine wirklich große Hilfe. Wenn es eng und unübersichtlich wird, kann gezielt auf Front- oder Heckkamera geschaltet, ebenso auch das Umfeld der Vorder- oder Hinterräder in den Blick genommen werden, um etwa an Felsbrocken oder Abbruchkanten zentimetergenau vorbeimanövrieren zu können.
Sollten einzelne Räder an Grip verlieren, greift die Elektronik selbsttätig ein mit gezielten Bremseingriffen. Nicht weniger beeindruckt, wie die Bergabfahrhilfe die Fuhre auf steilem, rutschigem Grund sicher zu Tal befördert. Und sollten die elektronischen Helferlein in besonders kniffligen Passagen an ihre Grenzen stoßen – etwa wenn die Räder diagonal abheben – bleibt als Notnagel noch die optionale Hinterachs-Differenzialsperre, die für starren Durchtrieb am Heck sorgt.
Preise und Ausführungen des Pick-Ups

Die neue X-Klasse wird ab November in drei verschiedenen Ausstattungslinien (Pure, Progressive und Power) angeboten, die sich außen wie innen in Design und Funktionalität unterschieden. In der einfachsten, nutzfahrzeugartigsten Variante mit schwarzem Stoßfänger ist der X 220 d ab 37295 Euro erhältlich. Das Topmodell X 250 d 4MATIC Power Edition ist ab 47190 Euro konfigurierbar.
Doch Mercedes wäre nicht Mercedes, wenn man nicht noch einen draufpacken würde. Im Laufe des nächsten Jahres folgt das Sahnehäubchen, der Mercedes X 350 d 4MATIC. Er verfügt über den Drei-Liter-Sechszylindermotor wie er auch im Sprinter zum Einsatz kommt. Im X 350 d leistet er 258 PS und stellt ein sattes Drehmoment von 550 Nm zur Verfügung.
Der Motor ist stets gekoppelt mit einem Automatikgetriebe und einem permanenten Allradantrieb, der über ein elektronisch geregeltes Mitteldifferenzial selbsttätig die Kraft zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt. Bei einer ersten Mitfahrt in einem Prototypen konnten wir uns schon einen Eindruck von dem potenten Antriebsstrang verschaffen, der dem Mercedes Pickup noch eine deutliche sportliche Note verleiht.
Gute Voraussetzungen für Absetzkabinen
Für die Nutzung als Basis einer Absetzkabine sind aber andere Eigenschaften wichtiger. Allen voran die Nutzlast, die Mercedes mit über 1000 Kilogramm für die aktuell erhältlichen Varianten mit Vierzylindermotor angibt. Damit sollte für die gängigen Kabinen insgesamt genügend Spielraum vorhanden sein.

Eine verstärkte Hinterachse oder Zusatzluftfedern sind dagegen ab Werk nicht vorgesehen. Einzige Fahrwerksoption ist eine Höherlegung um 20 Millimeter. Für Festaufbauten wie etwa Expeditionsmobile kann auch ein Fahrgestell ohne Ladefläche bestellt werden. Wer die Flexibilität einer klassischen Absetzkabine schätzt, muss sich ein Modell aussuchen, das auf die 1587 Meter lange und zwischen den Radkästen 1215 Meter breite Ladefläche passt.
Beim renommierten Kabinenhersteller Tischer etwa kommen vor allem die Box- und Trail-Modelle 200 bis 240 dafür in Frage. Wann es von Spezialanbieter Bimobil mit seinem Wechselplattformensystem ein geeignetes Modell für den Mercedes X geben wird, ist noch nicht bekannt.