Was sind die Wohnwagen-Materialien der Zukunft?

Materialien für den Wohnwagen der Zukunft
Wird der Eriba Touring bald klimaneutral?

Veröffentlicht am 18.02.2025

Wie könnten Wohnmobile und Wohnwagen in der Zukunft aussehen? Was sind die Materialien, die zum Einsatz kommen? Wie können nachhaltigere Wohnwagen und Campingfahrzeuge aussehen? Wie leichtere? Diese Fragen beschäftigen die Industrie und natürlich auch Camping-Fans.

Innovations Camp der Hymer Group

Versteckt vor neugierigen Blicken auf der Rückseite einer Halle nahe Bad Waldsee arbeitet das Innovation Camp der Erwin Hymer Group. Hinter einem großen Rolltor tauchen Scheinwerfer ein hohes Atelier in helles Licht, das mit Moodboards, Skizzen und Regalen voller Materialmuster den kreativen Geist seiner Macher und Macherinnen widerspiegelt.

Chef-Macher ist Oliver Reuther. Er leitet das Innovation Camp, dessen Auftrag, so erzählt er, mehr im Ausloten von Konzepten, funktionalen Details und neuen Materialien liegt, denn in technischen Entwicklungen. Wobei das so ganz nicht stimmt. Denn auch hier geht es um Technik. Günter Dorn, Projektleiter, Prototypenbauer und zweiter Mann im Camp, kann nicht nur Werkzeuge bedienen, sondern die 3D-Drucker auf der Empore. Aus ihnen sind diverse Teile für jenen Prototyp entstanden, der zwar schon auf dem Caravan Salon in Düsseldorf zu sehen war, jedoch so interessant ist, dass wir gerne noch mehr darüber erfahren wollen.

Studienfahrzeug: ein nachhaltiger Eriba Touring

Eriba Touring Concept heißt das Projekt, das exemplarisch zeigen soll, mit welchen alternativen Materialien sich die CO₂-Bilanz und Umweltverträglichkeit beim Bau eines Freizeitfahrzeugs deutlich verbessern ließen, ohne dass die Funktion darunter leidet. Hier erfahren Sie mehr zum Eriba Touring Concept

Caravan Materialien Experten f
Ingo Wagner

Entstanden ist der Prototyp in vier Monaten Bauzeit auf Basis eines serienmäßigen Touring, der zunächst bis auf seinen Stahlkäfig abgetakelt wurde, um ihn unter Zuhilfenahme neuer Materialien wieder aufzubauen. Welche das sind und von welchen Lieferanten sie stammen, zeigen wir auf den folgenden Seiten.

Nach dem Entfernen der 0,8 Millimeter dünnen Aluminiumhaut wurde die Styropordämmung aus dem Stahlfachwerk geholt und durch recyceltes PET ersetzt. Für die Außenhaut hat sich Eriba für Alu-Dibond entschieden. Um das deutlich steifere Material auf die Originalform des Touring anzupassen, mussten sie mittels Holzschablonen zurechtgebogen werden. Das Ergebnis: ein Glattblech-Aufbau, der so wellenfrei ist, dass ihn eine Marke aus der Erwin Hymer Group zum Bau ihrer Reisemobile in Betracht zieht. Und durch den Schaumkern im Dibond verbessere sich sogar die Isolation.

Caravan Materialien Innovation f
F. Heinrichsen/Eriba

Für die Anfertigung des Daches aus NFC statt GfK musste das Allerheiligste nach Bremen geschafft werden: das Originalwerkzeug für die Dachschale. Das NFC-Dach ist so stabil geworden, dass der Verstärkungsrahmen aus Stahl eingespart und die Gewichtsersparnis weiter vergrößert werden konnte. Die Frage, wie realistisch Dächer aus NFC sind, beantwortet Oliver Reuther vielsagend: "Es werden auch Bootsrümpfe aus dem Material hergestellt."

Innovative Materialien

Im nächsten Schritt sollen alle Materialien auf ihre Eignung im Serienbau überprüft werden. Priorität haben dabei die technischen Eigenschaften vor Gewicht und Verarbeitungsfähigkeit. Aber auch ohne Langzeittest zeigt die Eriba-Studie eindrucksvoll: Wenn die existierenden Alternativmaterialien bezahlbar und von Kunden akzeptiert werden, dann kann die Urlaubsform Caravaning noch umweltschonender werden, als sie schon ist. Und zwar schon bald.

Aerowood (Sperrholzwerk Schweitzer)

Ultrascharfe Messer schneiden aus regional gewachsenem Vollholz wellenförmige Furniere, die längs und quer, im Fachjargon "gesperrt", miteinander verleimt werden. Plane Furnierplatten decken das Wellenfurnier ab. Durch die Luft in der Aerowood-Platte wird Holz gespart und das Gewicht deutlich verringert. Somit lassen sich Kerne aus EPS (Styropor), wie sie häufig in Küchenarbeitsflächen von Caravans und Reisemobilen vorkommen, vermeiden. Durch den Holzkern können an jeder Stelle Schrauben ins Aerowood gedreht werden. Einleger aus Holz wie in Sandwichplatten mit Schaumkern sind darum nicht nötig.

Caravan Materialien Aerowood f
Ingo Wagner

Im Touring Concept ist die Küchenarbeitsplatte aus Aerowood konstruiert worden. Die Eriba-Macherinnen und -Macher weisen darauf hin, dass, Wirtschaftlichkeit noch ausgeklammert, jederzeit und ohne Nachteile auf das Wellensperrholz umgestellt werden könne. Eine CO2-Einsparung kann für das Wellensperrholz nicht direkt angegeben werden. Doch alleine der Verzicht auf EPS zugunsten eines nachwachsenden Rohstoffs hat einen positiven Effekt.

Alu-Dibond (3A Composite)

Ein Kern aus Polyethylen zwischen zwei dünnen Aluplatten ermöglicht eine deutlich steifere und damit wellenfreie Außenhaut bei um 21 Prozent reduziertem Aluminium-Anteil. Dem steht zwar der etwas größere Aufwand beim Recyceln des Materials gegenüber, was aber ohne Einschränkung möglich ist, jedoch könnte die Dämmung des Caravans oder Reisemobils im Gegenzug etwas dünner geplant werden, weil Dibond selbst leicht isoliert.

Caravan Materialien Aluminium f
Ingo Wagner

Beim Touring tauchte aber noch ein ganz anderer Effekt auf: Durch die höhere Steifigkeit konnten vorrangig im Bug Stahlprofile aus dem selbsttragenden Käfig entfernt werden. Und auch dieser Effekt dreht den Gewichtsnachteil von Dibond in einen Vorteil – der allerdings nur beim Touring zum Tragen kommt. Denn bei einem Dibond-Sandwich ohne Stahlunterbau würde das Gewichtsplus überwiegen. Mit ausgesparten Schlitzen oder Alustreifen lässt sich Dibond auch frei formen bzw. falzen. Biegen geht auch ohne Schlitze.

NFC (Greenboat)

Das Laminat aus Bioharz und Flachsfasern aus mehrheitlich französischem Anbau heißt Natural Fibre Composite. GFK (Glasfaser-verstärkter Kunststoff) basiert auf Erdöl und verursacht darum einen hohen CO₂-Ausstoß. Das Original-Touringdach wiegt mit Unter- und Oberschale (24,22/28,44 kg) sowie dem nötigen Stahlrahmen (13,66 kg) insgesamt 66,32 Kilogramm. Das reine NFC-Konstrukt ist mit 49,4 kg geringfügig leichter und kann wegen der enormen Stabilität sogar auf den Stahlrahmen verzichten, der bei GFK nötig ist.

Caravan Materialien Greenboat f
F. Heinrichsen/Eriba

Das Weglassen des Stahls erhöht die CO₂-Ersparnis weiter: Insgesamt reduziert das NFC-Konstrukt die CO₂-Bilanz um stolze 71 Prozent. Überdies ist GFK (noch) nicht recyclingfähig. NFC kann häufig wiederverwendet werden, bevor sich seine Struktur schwächt. NFC lässt sich nicht nur als Laminat formen, sondern auch als Plattenware herstellen. Greenboat hat daraus selbst ein Offroad-Reisemobil gebaut.

Rattan (Karuun)

Im Regenwald von Indonesien wächst Rattan wie Lianen. Diese werden ohne maschinelle Hilfe von lokalen Bauern geerntet. Durch die Wasseradern im Holz wird dünn geschnittenes Rattan transparent, oder bekommt, mit Farbstoffen durchsetzt, ein feines Streifenmuster. Aus Rattan fertigt Karuun hauchdünne Furniere (zum Beispiel für den Innenraum des neuen Porsche Macan) sowie Profile und Platten. Unter Hitzeeinwirkung kann das Material sogar frei geformt werden.

Caravan Materialien Rattan f
Ingo Wagner

Im Eriba Touring Concept wurden Bad- und Kleiderschrankkorpus aus Rattan gebaut und das Waschbecken geformt. Das schnell wachsende Rattan nimmt während des Wachstums große Mengen CO₂ auf und ist auf intakten Regenwald angewiesen. Durch die Rattan-Möbel wird der Touring 3 kg schwerer. Die CO₂-Bilanz lässt sich nicht ermitteln. Doch da das Rohmaterial für Sperrholz meist in Monokulturen wächst, ist auch der Umweltaspekt zu berücksichtigen.

Marmoleum (Forbo)

Erdöl ist für die Herstellung des Bodenbelages Marmoleum (Linoleum) nicht nötig. Der Bodenbelag besteht aus 98 Prozent nachwachsenden Rohstoffen. Auf ein Trägergewebe aus Jute wird ein Gemisch aus Leinöl, Naturharzen, Holz- und Kalksteinmehl sowie ökologisch unbedenkliche Farbpigmente aufgetragen und getrocknet. Damit ist Marmoleum von Forbo ab Werk und ohne Kompensationsmaßnahmen klimapositiv.

Im Nachhaltigkeits-Touring ersetzt Marmoleum/Linoleum den komplett synthetisch hergestellten PVC-Bodenbelag. Der kostet im Fachhandel zwischen 10 und 15 Euro/m² (Bahnenware). Linoleum schlägt mit 25–30 Euro pro Quadratmeter zu Buche. Einzige negative Eigenschaft von Linoleum ist, dass er seine Farbe bei erstmaliger UV-Bestrahlung einmal leicht verändert, weshalb der Bodenbelag vor dem Verlegen der Sonne ausgesetzt werden sollte. Die etwaige Nicht-Akzeptanz der Verfärbung sowie der höhere Preis sprechen aktuell gegen Linoleum, die Eigenschaften vollumfänglich dafür.

PET-Dämmung (Armacell/Armapet)

Recyceltes PET kann ohne spezielles Verfahren wieder recycelt werden, während vor allem verschmutztes EPS überwiegend verbrannt werden muss. Schon ohne diese Betrachtung hat PET einen um 40 Prozent reduzierten CO₂-Faktor. Laut Hersteller Armacell wurden seit 2010 fast 3 Milliarden PET-Flaschen zu Armapet verarbeitet. Das Material wird auch im Bauwesen bereits als Dämmmaterial eingesetzt. Zudem könnte es auch dreidimensional geformt werden.

Caravan Materialien PET-Daemmung f
Ingo Wagner

Anders als Styropor soll der PET-Dämmstoff unempfindlich gegen Wasser sein, was bei Undichtigkeiten am Aufbau eines Freizeitfahrzeugs ein weiterer Vorteil ist. Preislich liegt Armapet leicht über EPS/Styropor. Der Einsatz in klassischen Sandwich-Platten zum Bau von Wohnwagen ist laut Oliver Reuther von Innovation Camp technisch leicht umsetzbar. Ob und wann Armapet EPS ersetzen wird, steht noch nicht abschließend fest.

Maisgranulat/Filz

Nahrungsmittel werden für die Herstellung des Popcorn-Kerns der Tischplatte nicht verschwendet. Vielmehr wurde von der Universität Göttingen ein Verfahren entwickelt, aus den Überresten der Tierfuttermittelproduktion (Maisgranulat) durch Hitzeeinwirkung Plattenware herzustellen. Sie sollte sehr leicht und stabil genug sein, um als Kern zwischen zwei Furnierplatten zu dienen und dort EPS oder andere Schäume zu ersetzen. Noch sind laut Innovation Camp die Produktionskapazitäten für Platten aus Popcorngranulat zu gering, um im großen Stil darauf umzusteigen.

Caravan Materialien Maisgranulat f
Ingo Wagner

Für die Innenverkleidung des Touring-Aufbaus und die Wickelrollos hat sich das Innovation-Camp-Team für Filz aus Wolle entschieden. Filz hat positive Auswirkungen auf das Raumklima und ist schall- und wärmedämmend. Tatsächlich klingen Gespräche an Bord des Öko-Touring angenehmer, weil gedämpfter. In den mit Ecostoff bezogenen Polstern sorgt Wirrfaser-Fleece aus Flachs für ein angenehmes Sitzgefühl.