100 km/h-Zulassung für Wohnwagen: So kommen Camper schneller ans Ziel

100 km/h-Zulassung für Wohnwagen und Anhänger
So kommen Camper schneller an

vom Campingprofi seit 1959
Veröffentlicht am 08.06.2025

Autos mit Anhänger dürfen in Deutschland auf zwei- und mehrspurigen Kraftfahrstraßen (Schnellstraßen) und Autobahnen mit "baulich voneinander getrennten Fahrstreifen" 100 statt nur 80 Kilometer pro Stunde schnell fahren. Allerdings nur, wenn Anhänger und Zugfahrzeug technisch dafür gerüstet und zugelassen sind sowie definierte Masselimits und -verhältnisse eingehalten werden. Auf Landstraßen beträgt das Tempolimit demnach weiterhin 80 km/h.

Warum die 100 km/h-Zulassung für Wohnwagen?

Die Möglichkeit, an Lkw-Kolonnen vorbeizuziehen, um etwas schneller am Urlaubsziel anzukommen, schafft die seit 2005 geltende 9. Ausnahmeverordnung zur StVO. Oft werden das flotte Überholen und Vorwärtskommen als Zeit- und Sicherheitsgewinn empfunden, weil der Blick frei und die Sinne geschärft sind. Die eigentliche Zeitersparnis durch 20 Kilometer mehr Strecke pro Stunde hängt in der Praxis jedoch stark vom allgemeinen Verkehrsfluss sowie Zahl und Dauer der Fahrtunterbrechungen ab. Bedenken müssen Schnellreisende nämlich, dass der Verbrauch und der Schadstoffausstoß bei 100 km/h um rund 11 respektive 18 Prozent (Diesel/Benziner) gegenüber jenem bei 80 km/h steigt. Ganz besonders zu spüren bekommen diesen Effekt Fahrer von Elektro-Gespannen, die bei höherem Tempo noch häufiger oder länger nachladen müssen.

Und doch ist es nachvollziehbar, dass man auf langen Etappen über deutsche Autobahnen und Schnellstraßen etwas flotter fahren oder sich zumindest vor Strafe geschützt wissen will, wenn man mal nach links und an einem langsameren Fahrzeug vorbeizieht.

Technischen Voraussetzungen für Tempo 100

  • Auto ist mit Antiblockier-system (ABS) ausgestattet.
  • Der Anhänger/Caravan muss vom Hersteller technisch für eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h freigegeben sein.
  • Die Anhängerreifen müssen für 120 km/h ausgelegt sein und haben wenigstens den Geschwindigkeitsindex L aufweisen.
  • Die Reifen müssen jünger als sechs Jahre sein.

Ob der Caravan oder Nutzanhänger baulich vom Hersteller für Tempo 100 freigegeben ist, verraten das Typenschild bzw. die Fahrzeugpapiere. In der Regel sind sämtliche Caravans neueren Baujahres für 100 km/h zugelassen.

Der Geschwindigkeits- bzw. Speedindex des Reifens ist auf der Reifenflanke ersichtlich. Ebendort lässt sich über die aufvulkanisierte DOT-Nummer herausfinden, die in vier Ziffern Kalenderwoche und Jahr der Herstellung nennen. Überschreitet der Reifen das Höchstalter von sechs Jahren, erlischt die Tempo-100-Zulassung zwar nicht generell, jedoch darf der Caravan dann nur noch mit 80 km/h gefahren werden. Die Verantwortung für die Einhaltung der technischen Voraussetzungen und der Gewichte obliegt grundsätzlich der Lenkerin oder dem Lenker des Gespanns.

Es kommt auch aufs Gewicht an

Tempo 100 für Gespanne gilt nur für Zugfahrzeuge bis 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse. Außerdem müssen bestimmte Masseverhältnisse zwischen Anhänger und Auto eingehalten werden. Maßgeblich zur Berechnung der Gewichtsgrenzen sind das Leergewicht des Zugfahrzeugs und das zulässige Gesamtgewicht des Anhängers.

Das im Fahrzeugschein eingetragene Leergewicht des Zugfahrzeugs wird mit einem Faktor X multipliziert – das Ergebnis dieser Rechnung ergibt das maximale zulässige Gesamtgewicht des Anhängers, mit dem 100 km/h gefahren werden soll.

Der Faktor X wiederum hängt von Bauart und Ausstattung des Anhängers ab. Für leichte Anhänger (z.B. Falt-/Zeltcaravans) ohne Radstoßdämpfer ist der Multiplikationsfaktor 0,3. Bei Caravans mit Bremse und Stoßdämpfern beträgt der Faktor 0,8, erhöht sich aber auf 1,0,...

  • ...wenn der Wohnwagen mit einer geeigneten Kupplung mit Stabilisierungseinrichtung (z.B. Alko AKS, Knott KS oder Winterhoff WS) ausgestattet ist …
  • oder der Anhänger mit einem geeigneten elektronischen fahrdynamischen Stabilitätssystem (z.B. Alko ATC, Knott ETS Plus oder LEAS) ausgerüstet ist...
  • oder das Zugfahrzeug über eine geeignetes fahrdynamisches Stabilitätssystem für den Anhängerbetrieb verfügt. Jene Systeme tragen je nach Autohersteller unterschiedliche Namen und müssen, so ist zu lesen, in der Zulassungsbescheinigung vermerkt sein.

Bei Nutzanhängern beträgt der Faktor unter den oben genannten Bedingungen 1,1 (Stoßdämpfer und Bremse) respektive 1,2 (Stoßdämpfer, Bremse, Stabilisierungseinrichtung an Anhänger oder im Zugfahrzeug).

Rechenbeispiel für ein Caravan-Gespann

Für einen Pkw mit 1.643 Kilogramm Leergewicht bedeutet das, dass der Caravan ohne Stabilisierungseinrichtung 1.314 Kilogramm zulässige Gesamtmasse haben dürfte, einer mit AKS, elektronischer Stabilisierung, oder am Haken eines Pkw mit Anhänger-ESP 1643 Kilogramm. Weil Chassis-Hersteller aber zulässige Gesamtgewichte in Hunderterschritten anbieten, wäre es ergo erlaubt, einen 1300er- respektive 1600er-Caravan mit 100 km/h zu ziehen.

Anhängerstabilisierung nur selten eingetragen

Zwar sind mittlerweile die meisten modernen Zugfahrzeuge mit einer Gespannstabilisierungs-Software ausgestattet, die durch gezielte Bremseingriffe an den Rädern den schlingernden Caravan zurück in die Spur zwingen. Doch nur sehr wenige Automarken (darunter Volkwagen) vermerken deren Existenz in der Zulassungsbescheinigung, Teil 2 des Fahrzeugscheins.

Auf die Nachfrage bei der Dekra, ob man eine vorhanden Gespannstabilisierung nachträglich eintragen könne, antwortet die Organisation: "Wenn ein Fahrzeughalter das möchte, kann er von Dekra-Sachverständigen eine Beschreibung nach §15 Fahrzeug-Zulassungsverordnung bekommen, in der das Vorhandensein einer Stabilitätsregelung bestätigt wird. Auf dieser Basis kann dann bei der Zulassungsstelle die Eintragung in Feld 22 der Zulassungsbescheinigung erfolgen. Wir stehen allerdings nicht auf dem Standpunkt, dass das zwingend erforderlich wäre. Sicherlich kann sich ein Fahrzeughalter bei einer eventuellen Kontrolle dann leichter darauf als Nachweis für die Erfüllung der Voraussetzungen für den Tempo-100-Einsatz beziehen; das könnte auch durch die entsprechenden Bordunterlagen des Fahrzeugs belegt werden."

Auto, Caravan, Stra§e, BŠume
ADAC e. V./Ralph Wagner

Stabilisierungssysteme am Caravan bleiben wichtig

Kann man also auf eine Ant-Schlinger-Kupplung oder ein elektronisches Stabilisierungssystem am Caravan verzichten, wenn der Zugwagen über eine Gespannstabilisierung via ESP verfügt? Rechtlich ja, in der Praxis lieber nicht. Denn das ESP des Autos reagiert erst, wenn der Caravan schon schlingert. Reibkupplungen und Stabilisierungssystem reagieren aber schon deutlich früher, ersticken die Pendelbewegungen schon im Keim, bevor sie sich auf das Auto übertragen. Das erhöht die Sicherheit deutlich stärker.

Passt alles? Dann ab zu Prüf- und Zulassungsstelle

Tempo 100 Zulassung
Philipp Heise

Um die 100 km/h-Zulassung für Wohnwagen und Wohnwagen älteren Baujahres zu erhalten, müssen die technischen Voraussetzungen von einem bzw. einer amtlich anerkannten Sachverständigen einer technischen Prüforganisation geprüft und bestätigt werden. Diese Bestätigung muss dann bei der Zulassungsstelle vorgelegt werden, damit die 100er-Plakette, die am Heck des Caravans angebracht werden muss, ausgehändigt und die Papiere geändert werden.

Bei neueren Wohnwagen ist die Vorführung bei einer Prüfstelle nicht mehr nötig, da die Tempo-100-Eignung in den Papieren vermerkt und damit garantiert wird. Mit den Papieren kann man direkt zur Zulassungsstelle gehen. Dass auch das Zugfahrzeug die Bedingungen für die 100er-Zulassung erfüllt, muss im Falle einer Kontrolle nachgewiesen werden.

Achtung: 100er-Plakette gilt nur in Deutschland

Die deutsche 100 km/h-Zulassung ist nur in Deutschland gültig. In der Schweiz darf jedoch ohne Plakette und große Auflagen 100 km/h schnell gefahren werden, wenn der Caravan bauartbedingt dafür ausgelegt ist. In Österreich dürfen ausschließlich Gespanne 100 km/h schnell fahren, deren Gesamtgewicht, also die Summe aus den zulässigen Gesamtgewichten von Auto und Caravan, unter 3,5 Tonnen beträgt. Auch in Frankreich dürfen nur Gespanne unter 3,5 Tonnen bis zu 130 km/h schnell fahren, sonst nur 90 km/h. Aber Achtung: Bei Caravans mit einer bauartbedingten Maximalgeschwindigkeit von 100 km/h, die bei deutlich höherem Tempo verunglücken, kann die Versicherung die Übernahme des entstandenen Schadens ganz oder teilweise ablehnen.