Estland, Lettland & Litauen: Campingbus-Reise ins Baltikum

Campingbus-Reise nach Estland, Lettland & Litauen
Unberührte Natur & endlose Strände im Baltikum

Veröffentlicht am 04.08.2020

Na zdrowie!", Kamil, ein polnischer Pfadfinder, prostet uns zu. Seit 23 Jahren kommt er an diesen malerischen Ort an der polnischen Ostsee in der Nähe von Krokowa – inzwischen baut er jährlich gemeinsam mit seiner Frau das Pfadfinderlager für den Sommer auf.

Wir können gut nachvollziehen, was einen zu dieser kleinen Idylle an der Ostseeküste Polens zurückkehren lässt. Als wir selbst gestern hier nach einer 1100 Kilometer langen Anfahrt aus Süddeutschland ankamen, waren wir sofort schockverliebt in den weitläufigen Sandstrand, die wunderschön bewachsenen Dünen und in die gastfreundlichen Pfadfinder, die einen mit Willkommens-Wodka und Eintopf begrüßen.

Campingbus-Reise Baltikum
Timo Wirth

Von den drei kleinen baltischen Staaten nördlich von Polen haben wir bisher noch nicht viel gehört. In diesem Sommer ist es Zeit für eine Horizonterweiterung. Nachdem uns die polnische Ostsee so herzlich begrüßt hat, folgt ein kurzer Abstecher nach Gdansk. Im Zweiten Weltkrieg zerbombt, wurde Danzig ab 1949 originalgetreu wiederaufgebaut und gilt heute als eine der kulturell bedeutendsten Städte Europas. Wir lassen uns durch die schmalen Gassen der Altstadt treiben und bewundern das Meer schmaler Giebelhäuser, die sie ummanteln. Hier findet sich auch die berühmte Ulica Mariacka, die Frauengasse, in der man Schmuck aus Bernstein in allen Formen und Preislagen bekommt. Früher war das "Gold der Ostsee" wichtiges Handelsgut und bedeutete Reichtum und Macht. Entstanden ist es aus dem Harz prähistorischer Bäume und wird heute an den Stränden der Ostsee angeschwemmt.

Am nächsten Tag steht Wegstrecke auf dem Programm. Da wir kein Visum für die russische Exklave Kaliningrad beantragt haben, umfahren wir diese und machen einen Schlenker durch Masuren. Der kleine Umweg lohnt sich. Die Masurische Seenplatte umfasst etwa 3000 Seen sowie unzählige kleine Kanäle, die man mit dem Kanu erkunden kann. Hat man kein eigenes dabei, gibt es zahlreiche Anbieter vor Ort, bei denen man eins leihen oder direkt eine geführte Kanutour buchen kann.

Erstes Ziel: die Kurische Nehrung

In machen Ecken des 1700 Quadratkilometer großen Gebietes scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, andere Teile sind touristisch gut erschlossen. Wir finden einen kleinen abgelegenen See, an dem wir die Nacht verbringen. Nach einem morgendlichen Bad im See, den wir uns mit Kranichen und Entenfamilien teilen, zieht es uns weiter Richtung Norden. Unser nächstes Ziel: Litauen, sowohl von der Fläche als auch nach Einwohnerzahl der größte der drei baltischen Staaten.

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Timo Wirth

Litauens wichtigste Hafenstadt, Klaipéda, ist der perfekte Ausgangspunkt für eine Erkundung der Kurischen Nehrung. Eine Autofähre schippert uns in zehn Minuten an das gegenüberliegende Ufer. Die langgezogene Landzunge liegt etwa zur Hälfte auf litauischem Gebiet, der Rest gehört zu Kaliningrad. Auf dem 100 Kilometer langen und bis zu vier Kilometer breiten Streifen findet man Sanddünen, die zu den höchsten Europas zählen. Die Strandabschnitte sind übrigens thematisch unterteilt, so können Frauen unter sich bleiben, den gemischten Familienteil wählen oder im FKK-Bereich alle Hüllen fallen lassen.

Drei sonnige Strandtage später sind wir neugierig auf mehr und schlagen den Weg Richtung Norden ein. In Lettland sagen wir dem Meer "Hallo" und besuchen anschließend die Hauptstadt Riga. An diesem Wochenende finden mehrere Straßenfeste und Konzerte statt, an jeder Ecke der Touristenmetropole wird etwas geboten. Wir genießen ein lettisches Abendessen mit dreierlei Hering, Roter Beete, Aal und Kartoffelpuffer und verlassen bei Sonnenuntergang das Treiben der Stadt, um uns einen Stehplatz außerhalb des Zentrums zu suchen.

Wald, Inseln und Kurorte in Estland

Schon bald erwartet uns ein weiterer Länderwechsel, an Tag 15 sind wir bei der Hälfte unserer Reisezeit und in Estland angekommen. Der estnische Staat unterhält ein Netz aus öffentlichen bewirtschafteten Zelt- und Stellplätzen, sogenannten RMK-Plätzen. Kaum über der Grenze, entdecken wir einen. Die RMK-Plätze liegen oft im Wald, man bekommt Feuerholz zur Verfügung gestellt, das an einer Feuerstelle entflammt werden darf, es gibt Holztische und gepflegte Komposttoiletten. Von unserem von Kiefern umstandenen Stellplatz führt ein direkter Weg zum 100 Meter entfernten Strand. In dem benachbarten Waldstück warten dicht behangene Blaubeersträucher darauf, von uns abgeerntet zu werden, viele der süßherben Früchte wandern direkt in unsere Münder.

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Timo Wirth

Zu Estland gehören auch die zwei Inseln Saaremaa und Hiiumaa, die zu besuchen sich wirklich lohnt. Die Überfahrt vom Festlandshafen Virtsu dauert 25 Minuten und kostet rund 15 Euro. Die Fähre legt auf der kleinen Insel Muhu an, von dort geht es über einen Damm weiter nach Saaremaa. Voller Vorfreude fahren wir an Windmühlen vorbei und steuern unser erstes Insel-Abenteuer an: Von der Spitze der Halbinsel Kuusnõmme kann man auf dem alten Postweg zur Insel Vilsandi waten. Die ersten Schritte in das kniehohe Wasser sind eine Überwindung, doch schon bald haben wir uns mit dem ungewöhnlichen Wanderweg angefreundet. Stellenweise reicht uns das Wasser bis über die Hüften. Während uns bunte Libellen aus dem Schilf zublinzeln, bleibt so mancher Schritt im schlammigen Untergrund stecken – wasserfestes Schuhwerk und Badesachen sind als Wegbegleiter empfehlenswert. Trotz nasser Füße ist dieser spezielle Weg ein unvergessliches Erlebnis, das man so schnell kein zweites Mal findet.

Die einzige Stadt der Insel, Kuressaare, erkunden wir am nächsten Tag. In dem schönen Kurort vergessen wir schlendernd die Zeit, so dass wir abends mit Vollgas Richtung Hafen düsen müssen. Wir erreichen unsere Fähre drei Minuten vor ihrer Abfahrt – der kleine Adrenalinschub bringt uns nach Hiiumaa und dort zum am westlichen Zipfel gelegenen "Surfers Paradise". Wie der Name verrät, kommen hier Wassersportler voll auf ihre Kosten. Während uns am nächsten Morgen die Sonnenstrahlen wachkitzeln, machen sich die ersten Windsurfer neben uns bereit für die Wellen, am Horizont lässt sich bereits ein Kitesurfer vom Wind tragen. In der benachbarten Surfschule kann man Bretter, Kanus und Schlauchboote für jeden Wellengang ausleihen.

Nachdem wir uns an dem windigen Spektakel satt gesehen haben, packen wir unsere sieben Sachen und erkunden den mittleren Küstenteil der kleinen Insel. Wir entdecken einen weiteren RMK-Strandparkplatz und mit diesem ein kleines karibisches Paradies. Beim Strandspaziergang im weißen Sand fühlen wir uns wie Robinson Crusoe und genießen den letzten Abend, abgeschnitten vom Trubel des festländischen Alltags. Leider findet auch das schönste Inselhopping ein Ende – zurück an Land, decken wir uns bei einer russischen Babuschka mit frisch gesammelten Pilzen ein und füllen unseren Vorratsschrank im Supermarkt auf.

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Timo Wirth

Die nächsten drei Tage werden wir abgelegen am Nordkap von Estland verbringen. Die 1,5 Kilometer lange Landzunge Purekkari liegt im Nationalpark Lahemaa auf der Halbinsel Pärispea. An der Küste haben eiszeitliche Gletscher zum Teil riesige Felsbrocken im Meer abgeladen, dazwischen schwimmen Schwäne, das Ufer ist bedeckt von Hagebuttensträuchern und verwunschenen Wäldern – näher an der Natur kann man sich kaum fühlen. Wir staunen über das atemberaubende Farbenspiel des abendlichen Sonnenuntergangs, und um noch eins obendrauf zu setzen, kreuzt schließlich ein Segelschiff die langsam im Meer versinkende Sonnenscheibe.

Allein im weiten Moor

Für das letzte Highlight unserer Reise, das Moorgebiet Viru Raba, fühlen wir uns nach diesem erfolgreichen Reset für Körper und Geist nun bereit. Das Moor liegt in der Nähe von Kolga und ist von zwei Seiten aus mit dem Auto zu erreichen. Die Hauptverbindungsstraßen sind oft in gutem Zustand, auf den Nebenstraßen kann es teilweise holpriger zugehen. Wer tief ins Moor vordringen möchte, muss sich auf viel Geruckel einstellen, doch das mühselige Vorankommen lohnt sich. Uns erwartet ein einzigartiges Fleckchen estnischer Erde. Der mit Holzbrettern verlegte Bohlenweg ist perfekt in die natürliche Umgebung eingefügt, und die Sumpflandschaft leuchtet in kräftigen Farben. Wir erklimmen einen Aussichtsturm – außer uns ist kein Wanderer auf dem Pfad unterwegs, so können wir den faszinierenden Anblick ganz in Ruhe auf uns wirken lassen.

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Timo Wirth

Es fällt schwer, sich von dieser fesselnden Atmosphäre loszureißen, doch leider rückt das Abreisedatum näher, und wir machen uns nach knapp 30 Tagen auf den Rückweg Richtung Polen. Ein letzter Programmpunkt ist vor der Heimkehr nach Stuttgart eingeplant: ein Zwischenstopp in der Nähe von Piła bei Grzegorz, dem polnischen Schrauber unseres Vertrauens. Vor einem Jahr ließen wir unseren Mercedes 207 D bei ihm generalüberholen und neu lackieren. Er bessert dieses Mal ein paar Stellen aus und schweißt ein kleines Loch im Auspuff. Wir schwelgen in Erinnerungen an die ursprüngliche Schönheit der Ostsee, kaufen bei Grzegorzs Vater selbst geimkerten Honig und probieren eigens gefertigte Likörchen. Er sei schon mehrfach für seine Eigenkreationen ausgezeichnet worden, erzählt er uns, während wir an den Gläsern mit leckerem Honig-Zitronen-Likör nippen. "Na zdrowie!" – so schließt sich der Kreis unserer Rundreise. Seit diesem Sommer sind die baltischen Staaten keine weißen Flecken mehr auf unserer Landkarte. Der Blick über den Tellerrand hat uns viele unvergessliche Eindrücke beschert.

Reise-Infos Baltikum

Campingbus-Reise Baltikum
Timo Wirth

Anreise
Wer Zeit hat, fährt über Dresden oder Prag und Warschau (ab Stuttgart ca. 1500 km). Bei knappem Zeitbudget empfiehlt sich – besonders aus der Nordhälfte Deutschlands – die Fährverbindung mit DFDS von Kiel nach Klaipe·da (www.dfdsseaways.de/baltikum) in rund 20 Stunden je nach Richtung, Zeitverschiebung 1 Stunde. Auch eine Kombination der beiden Varianten ist möglich. Zwei Personen zahlen mit Campingbus und Zweibett-Innenkabine in der Hauptsaison ab etwa 180 Euro pro Fahrt. Über den Landweg kann man mit einem russischen Touristenvisum die Abkürzung über Kaliningrad nehmen. Ansonsten durchquert man einen Teil der polnischen Seenplatten: Masuren. Zu beachten ist, dass in allen vier Ländern Lichtpflicht herrscht.

Preise
Eine Reise ins Baltikum lohnt sich auch für den Geldbeutel. Am günstigsten (ca. 1,11 Euro) tankt man in Litauen. Je nördlicher man kommt, desto skandinavischer werden die Preise. Sparfüchse sorgen vor und meiden den Einkauf in Touristenmetropolen. Ein Beispiel: In Polen gab es 1 kg Blaubeeren noch für 4 Euro, in Klaipe·da lag der Preis bei 6 Euro und auf Saaremaa zahlten wir für ein Kilo Beeren 14 Euro.

Camping
Es gibt eine kleine, aber feine Auswahl an Stell- und Campingplätzen. Die Einheimischen sind oft eingefleischte Camper, die in Estland gerne auf die kostenlosen RMK-Plätze ausweichen. Unter www.rmk.ee/organisation/rmk-mobile-app gibt es eine kostenlose App, in der alle RMK-Plätze aufgelistet sind.

Einkaufen/Verständigung
Lettisch, Litauisch sowie das dem Finnischen ähnelnde Estnisch sind nur sehr entfernt mit mitteleuropäischen Sprachen verwandt. Man kommt aber meistens mit Englisch weiter, bei der älteren Bevölkerung sind Russischkenntnisse oft hilfreich. Gut sortierte Supermärkte sind zahlreich vorhanden, jedoch lohnt sich die Suche nach einem Wochenmarkt oder "Tante-Emma-Laden", dort ist das frischere und günstigere Gemüse zu finden. Oft werden Pilze und Beeren sowie Honig direkt am Straßenrand angeboten. Supermärkte sind bis in die Nacht geöffnet oder 24/7 erreichbar.

Beste Reisezeit
Das Klima ist mit deutschem Wetter zu vergleichen. Wir wurden im August von der Sonne verwöhnt. Zum Reiseequipment gehört auf jeden Fall ausreichend Mückenspray – die gefräßigen Biester können einem sonst schnell so manchen Sonnenuntergang oder Waldspaziergang vermiesen.

Infos
Litauen: c/o BZ.Comm GmbH, Gutleutstr. 16a, 60329 Frankfurt, Telefon 0 69/2 56 28 88 68, www.lithuania.travel
Lettland: 2 Perses Street, LV-1442 Riga, www.latvia.travel/de
Estland: Kleine Reichenstraße 6, 20457 Hamburg, Telefon 0 40/30 38 78 99, www.visitestonia.com

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