Blau war der Himmel, als Henri Matisse im Sommer 1905 in Collioure aus dem Zug stieg. Blau wie an der Côte d’Azur. Nur dass der Himmel hier, über den rostroten Klippen und dem knalligen Grün der Reben an der Côte Vermeille, noch kräftiger leuchtete. Matisse sah, staunte und blieb. Er mietete sich in einer Kaschemme beim Bahnhof ein. In den heißen Wochen nach seiner Ankunft änderte der Maler seinen Stil radikal. Die Bilder aus dieser Zeit sind mit brachialem Schwung gemalt, auf der Leinwand schlagen die Farben der im Hafen ankernden Boote geradezu aneinander.
Roussilons Aushängeschild: Die Kunst des 20. Jahrhunderts
Der Skandal folgte wenig später, beim Pariser Herbstsalon. Matisse und sein Mitstreiter André Derain, der ebenfalls mit der Staffelei nach Collioure gereist war, bekamen den Schimpfnamen „fauvistes“, Wilde, verpasst. Am Kai unterhalb der 700 Jahre alten Burg beweist der ausgeschil-derte „Weg des Fauvismus“, dass Collioure noch immer so aussieht wie von den „Wilden“ vor über 100 Jahren gemalt. Kopien ihrer Werke führen von der Altstadt zur Burg, die sich vor die lachsrote Dächerlandschaft schiebt.
Auf dem Weg, der die Burg einmal umrundet, wird man manchmal von Gischt nass gespritzt – das Meer ist zum Greifen nah. Ein Kranz kleiner Badebuchten schmiegt sich um das Altstadtquartier Le Mouré, im Hinterland drängen sich die Pyrenäen heran. Das Ganze ist wie eine Explosion der Farben. Rot, Orange, Grün, Violett, Gelb. Darüber der Himmel, sehr blau – willkommen im Roussillon.
(Dächer-)Landschaften von einmaliger Schönheit – im Hinterland von Perpignan
Rot und Gelb leuchtet die Fahne des Roussillon. Rot und Gelb sind die Farben des Rugbyclubs USAP aus Perpignan, der seit 2004 Partnerclub des FC Barcelona ist. Es sind die Farben Kataloniens. Verwaltungstechnisch befinden wir uns im französischen Departement Pyrénées-Orientales, historisch in Nordkatalonien, das erst seit 1659 zu Frankreich gehört. Die Erinnerung aber bleibt im Roussillon allgegenwärtig. Orts- und Straßenschilder sind ausnahmslos französisch und katalanisch geschrieben. Und die Autobahn A 9 trägt ab Salses, wo eine mächtige Festung an die ehemalige Grenze zu Frankreich erinnert, den Beinamen „La Catalane“. Die Grenze hat sich zum Pyrenäenkamm hin verschoben. In den Dörfern des Roussillon aber wird die katalanische Sardane getanzt.
Das Hinterland von Perpignan bietet ein Kaleidoskop dramatisch schöner Landschaften. Die Hochtäler der Cerdagne oder des Conflent sind im Winter tief verschneit und bis in den Mai ein Ziel für Wintersportler. Im Sommer grasen Kühe der Rasse La Rosée des Pyrénées auf den Almwiesen. Dann erobern Wanderer und Bergsteiger die Täler, während keine 100 km Luftlinie entfernt an den Stränden die Son-nenschirme aufgeklappt werden. Von den Hügeln der Aspres, die südwestlich von Perpignan nonchalant zur Côte Vermeille abfallen, schweift der Blick zum 2784 Meter hohen Canigou.
300 Sonnentage im Jahr ziehen die Roussillioner nach draußen
Bis in den Hochsommer liegt Schnee auf dem heiligen Berg des Roussillon. Über den Weinbergen der Aspres aber flirrt spätestens ab Mai die Hitze. Der Tramontane macht die Temperaturen erträglich. Mal säuselt, mal faucht der Pyrenäenwind. Der Tramontane pustet den Himmel blank und garantiert über 300 Sonnentage im Jahresdurchschnitt. Und damit fast ebenso viele Nächte, in denen auf den Terrassen von Perpignan und in den Strandclubs unter freiem Himmel gefeiert wird.
Perpignan, katalanisch Perpinya, war einst Residenz der Könige von Mallorca. Davon zeugt die mächtige Burg im Süden der Altstadt. An der Place Arago rauschen mächtige Palmen im Wind. Ein Café reiht sich ans nächste. Ein paar Schritte weiter in Richtung Rathaus taucht man in verwinkelten Gassen unter. Lauschige Patios und gotische Palais erinnern an Barcelona, nur zählt Perpignan gerade mal 100.000 Einwohner.
Süße Schätze: Obst aus Perpignan und Umgebung ist was für Feinschmecker
Im Hochsommer hat man die Gassen fast für sich allein, denn dann entspannt sich ganz Perpignan à la playa, entweder an den endlosen Sandstränden von Le Barcarès bis St. Cyprien oder an der Felsküste der Côte Vermeille. Trubelig wird es im Sommer in Perpignan nur morgens, wenn auf dem Markt an der Place de la République die Stoffhimmel über den Ständen voller Knoblauch, Würste und Schinken hängen. Ab Mai kommen die Kirschen. Bald darauf folgen Aprikosen und Pfirsiche, später Melonen: Das Obst aus der Region von Perpignan genießt frankreichweit einen legendären Ruf.
Auch in kulinarischer Hinsicht unterscheidet sich das Roussillon übrigens vom übrigen Frankreich. Gambas und Fisch werden à la planxa, vom Grill, serviert. Ente kommt mit einer Pfirsichsauce, Wildschwein mit Kirschen auf den Tisch. Tapas gibt es in fast allen Bars. So wie auch auf der anderen Seite der Pyrenäen.
In Stein gehauen
Zum Laboratorium der Romanik wurde das Roussillon um das Jahr 1000. Laut Überlieferung riefen die Grafen von Barcelona lombardische Maurer ins Land. Sie führten die typischen, festungsartigen Kirchtürme und Schmuckfriese ein. Der quadratische, zinnengekrönte Kirchturm der Abbaye de St.-Michel-de-Cuxa überragt beispielsweise den Conflent. Erstmals im Roussillon setzen sich hier lombardische Stilmerkmale durch. Zu den Paradebauten zählt auch die Kathedrale in Elne. Besonders der südliche Kreuzgang ist ein Meisterwerk der Roussillon-Romanik, mit einer Darstellung der Erschaffung von Adam und Eva. Die Kirche von Serrabone wiederum lockt mit Säulenkapitellen aus rosa Marmor. Die in Stein gehauenen Figuren stellen Adler, Stier, geflügelte Löwen, Hirsch, Engel und Dämonen dar.
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