„Einfach toll!“, das ist immer die erste Reaktion, wenn man von sieben Monaten Urlaub mit dem Wohnmobil erzählt. „Wenn man es sich leisten kann“, geht der Satz dann oft weiter und trägt so etwas in sich wie: Ihr müsst ja Geld haben. Hier folgt allerdings kein Reisebericht eines reichen Paares, das in freier Zeit- und Geldeinteilung den Asphalt unter die Räder nehmen konnte. Wir sind finanziell eher die Durchschnittsfamilie, auch wenn wir unseren Lebensunterhalt nicht ganz so durchschnittlich verdient haben: Bis Ende 2015 waren wir Eigentümer und Besatzung eines Traditions-Segelschiffs und sind mit Gästegruppen auf Nord- und Ostsee gesegelt. Ein wunderbarer Job, doch auch der wird irgendwann zur Routine, und das ist dann der Zeitpunkt, an dem man zu neuen Ufern aufbrechen sollte.
Mit dem Verkauf des Schiffs und dem Bruch in unserem Leben entstand die Gelegenheit, eine Urlaubssaison einzulegen. Unser Traum: Griechenland und Kroatien im Frühling, Alpen und Süddeutschland in der Sommerhitze, Italien mit Schwerpunkt Süden und Sizilien im Herbst.

Zunächst aber die Frage, welches Mobil uns auf die Tour begleiten sollte. Vollintegriert? Alkoven? Oder doch ein Wohnwagen? Nach reiflicher Überlegung haben wir uns für einen 2Win Vario von Pössl entschieden, der in unseren Augen den Spagat zwischen Raumangebot und Nebenstraßentauglichkeit am besten schafft. Um es vorwegzunehmen: Eine gute Entscheidung. Das Interieur unseres „Womi“ – einen Namen brauchte unser Heim natürlich – wurde in wochenlanger Winterarbeit verändert, um es unseren Anforderungen anzupassen: Die Toilette und die Duschabtrennung flogen raus, ebenso das untere Querbett. An seine Stelle traten ein Kinderbett und Regale, Regale und nochmals Regale. Stauraum war das Zauberwort, und es hat sich gezeigt, dass auch dies ein weiser Entschluss war. Von außen wurde Womi mit bunter Folie beklebt. Zum einen, um den Lack zu schonen; zum anderen, um ein fröhliches Mobil zu schaffen, das zeigen sollte: Nette Leute unterwegs.
Erste Etappe: Griechenland
Nach einem Jahr Vorfreude konnte es im Frühjahr endlich losgehen. Gen Süden: via Österreich, Slowenien, Kroatien, Serbien und Mazedonien fuhren wir in fünf Tagen nach Griechenland. Auf der Balkanstrecke lief alles reibungslos, auch wenn der Begriff Autobahn in Serbien oft eine eigene Definition hat. Anfang April erreichten wir das Meer, die Ägäis. Knapp über 20 Grad, blauer Himmel, ein laues Windchen, Sandstrand. Begeisterung!
An dieser Stelle muss ein kurzer Exkurs zu unserer Übernachtungsphilosophie eingeschoben werden: Wir genießen es, an einsamen Stellen fernab vom Trubel zu stehen. Solche Stellen erfordern oft eine längere Suche, ehe man genussvoll den Motor ausschalten kann – aber dann wird man meist mit wunderbarer Aussicht und viel Natur belohnt. Ganz klar: Rücksichtnahme gehört dazu. Es ist für uns völlig selbstverständlich, unsere Übernachtungsplätze sauber zu hinterlassen (oft sogar sauberer als vorher) und niemanden zu stören. Mit dieser Einstellung ist es uns gelungen, immer wieder abseits des organisierten Tourismus zu übernachten, ohne nur ein einziges Mal in Schwierigkeiten oder auch nur in Kontakt mit Ordnungshütern gekommen zu sein. Und wir hatten wundervolle Plätze: direkt am Strand, in unserem Rücken den noch verschneiten Gipfel des Olymp; in einem Pinienhain, den Blick über eine einsame Bucht; auf einem Hochplateau, tausend Meter über dem Tal …

Für den ersten Monat hatten wir uns eine Runde durch das griechische Festland vorgenommen – und auch so „abgearbeitet“: von unserem ersten Platz, westlich Thessaloniki, bis zur äußersten Spitze des Peloponnes, an dessen westlichen Küsten entlang wieder gen Norden; schließlich quer durch die Bergwelt und bis zu den drei Fingern der Chalkidiki. Das griechische Festland ist eine Reise wert. Die Menschen haben eine tiefe, natürliche Freundlichkeit (keine Spur von Feindschaft gegen Deutsche), die Natur ist herrlich und oft noch unverbaut und ursprünglich. Die Straßen sind im Großen und Ganzen aber gut befahrbar. Werden wir nach Highlights dieser Etappe gefragt, so sagen wir: alles!
Nächster Halt: Kroatien
Mittlerweile braungebrannt, brachen wir Mitte Mai zum zweiten spannenden Teilstück auf: via Albanien und Montenegro nach Kroatien an die Adria. Albanien: das Land der Gegensätze, eine andere Welt. Eselskarren hinter Limousinen, verfallene Bauten neben Prachtvillen, eine vierspurige Autobahn, die in einen Schotterweg mündet. Montenegro: wunderschöne Natur, spektakuläre Küste – auch eine echte Insider-Empfehlung.

Kroatien gab es für uns dann im Komplettpaket: einmal die gesamte Adriaküste von Süd nach Nord. Ein Geheimtipp ist das mit Sicherheit nicht mehr, aber auch hier lassen sich einsame Plätze finden. Highlights dieser Etappe: die Mittelalterstadt Dubrovnik und der Nationalpark der Plitvicer Seen. Beide Ziele sind allerdings so beliebt, dass man den Besuch besser schon früh am Morgen startet. Das kleine Küstenstädtchen Omiš im Süden gefiel uns ebenfalls gut, auch Rovinj auf der istrischen Halbinsel. Ansonsten wird es an der Küste untouristischer und leerer, je weiter man nach Süden kommt. Für uns – in Gegenrichtung unterwegs – nahm der Trubel zu.
Über die beeindruckende Bergwelt der Alpen
Ende Juni überquerten wir die Grenze zu Italien. Damit lag das erste Drittel unserer Reise, der Frühlingsteil, hinter uns. Vom Meer in die Berge, eine herbe Umstellung. Spannend, wie sehr man plötzlich die Küste als Bezugspunkt vermisst. Unsere Route wurde zum heiteren Nebenstraßen-Strickmuster kreuz und quer durch die Alpen.
Die Erhabenheit der Bergwelt beeindruckte uns jeden Tag aufs Neue, besonders der südliche und damit italienische Teil der Alpen. Tendenziell geht es hier etwas ruhiger zu als in Österreich, auch wenn der Tourismus auch hier einen großen Stellenwert hat. Ein paar Schlaglichter: unsere herrliche Wanderung auf dem Penser Joch, ein spektakulärer Übernachtungsplatz knapp unterhalb der Seiser Alm und der Lago di Tovel, ein wenig berührtes, glasklares Juwel in einem engen Talkessel am Ende einer kleinen Stichstraße.
Im Juli und August führte uns der süddeutsche Teil unserer Reise durch Fichtelgebirge, Fränkische Schweiz, Schwäbische Alb und Schwarzwald. Dazu an dieser Stelle nur so viel: Das Gute liegt nicht fern. Deutschland bietet mehr, als man oft vermutet. Wunderschöne Landschaften, malerische Städte – uns haben Bamberg und Freiburg besonders gut gefallen – und auch hier sehr freundliche Menschen.
Von Frankreich über die Toskana nach Sizilien
Ende August wurde es Zeit, wieder so langsam Richtung Süden zu fahren – für unsere Herbstetappe via Frankreich ans Mittelmeer. Kaum hatten wir den Rhein überquert, drehte der Sommer noch einmal richtig auf. So waren die pittoresken Städtchen des Elsass, die Berg- und Waldwelt der Vogesen und das romantische Tal der Loire umso mehr ein echter Genuss. Unser Geheimtipp in Frankreich: der Lac de Vouglans nordöstlich von Genf. Gut erschlossen, aber sehr naturbelassen.
Was für ein Kontrastprogramm war anschließend die Côte d’Azur. Weil wir nicht gerade zu den hartgesottenen Rudelmenschen zählen, beließen wir es bei kurzen Eindrücken und sahen zu, dass wir, via Monte-Carlo und italienische Riviera, in einigen Tagen nach Mittelitalien kamen.

Die Toskana war in unserer Route fest eingeplant, und faszinierende Städte wie Siena und Volterra gaben uns zu hundert Prozent Recht. Um noch genügend Zeit in Kalabrien und auf Sizilien zu haben, standen nun längere Fahrstrecken auf dem Programm. Je weiter man in Italien nach Süden kommt, umso ärmer und umso weniger touristisch wird das Land – aber auch die Vermüllung nimmt sichtbar zu.
Rund um die Spitze des Stiefels erkundeten wir sowohl Nord- als auch Südküste. Überall finden sich sehr schöne Fleckchen Erde und immer wieder einsame Strände mit kristallklarem Wasser. Und was für uns das Tollste war: Außerhalb der italienischen Sommerferien ist hier ziemlich „tote Hose“. Was uns nicht daran hinderte, in einer Kleinstadt nahe des Kap Vaticano steckenzubleiben: Gefühlt der halbe Ort musste gesperrt werden, weil ein buntes, deutsches Wohnmobil rückwärts herausgewinkt werden musste. Aber Google hätte uns auch wirklich sagen können, dass da eine Treppe auf unserer Route lag.

Sizilien bildete den Abschluss unserer Reise. Wir haben die Insel einmal umrundet und auch das Inland gecheckt: Tolle Natur, Einsamkeit, beeindruckende Städte – das alles findet sich, ist aber sehr punktuell, denn weite Landstriche wirkten auf uns ziemlich reizlos. Zweifellos sind die touristischen Ziele wie Taormina und Cefalù einen Besuch wert, aber auch überlaufen, die Küste an diesen Stellen dick zugebaut. Unser Natur-Highlight: Siziliens Nordwestspitze rund um das Naturschutzgebiet des Monte Cofano.
Ach ja: Und den Straßenverkehr muss ich erwähnen. Wer angewandte Anarchie erleben möchte, ist hier an der richtigen Adresse. Dem deutschen Wohnmobilfahrer graut es zunächst, aber wenn man sich eingewöhnt und mit allem abgeschlossen hat, klappt es. Die hupen nur, die beißen nicht.
Für uns war Palermo die letzte Station der langen Reise. Mit mehr als einer Träne im Knopfloch schifften wir uns ein in Richtung Genua. Für Spätbucher ist die Fährpassage billiger als die Autobahnfahrt, dazu schneller und stressfrei. Es folgten noch fünf Tage Heimweg mit Stopps in der Schweiz, Heidelberg und an der Loreley, bis wir heimatliche Gefilde erreichten.
„Schlafen wir dann immer an der gleichen Stelle?“, fragte unsere Tochter Lyana – sie konnte sich nicht mehr an ein Leben in einem festen Haus erinnern. Unser Fazit: Diese Reise war eine der besten Entscheidungen, die wir getroffen haben. Eine Zeit, die wir keinesfalls missen wollen und die die Regale unserer Erinnerungen randvoll gefüllt hat. Wir werden sicher noch sehr lange davon zehren.
Der Campingbus
Größer als ein VW-Bus mit Hochdach, kleiner als ein Alkovenmobil, das machte den sechs Meter langen Pössl 2Win Vario für uns so interessant. Wir wollten auch schmale Wege befahren und mussten andererseits genug Platz haben. Für einen so langen Zeitraum kommt so einiges an Gepäck zusammen (Mutter, Vater, Hund benötigten fünf Kisten, Kind allein ebenfalls …). Das Dachbett ist ein Reingewinn in Sachen Platz. Wird es heruntergeklappt, sind die Sitze und sogar die Küche noch immer nutzbar. Das Raumangebot ist also völlig ausreichend für eine Familie mit ein bis zwei Kindern, wenn man aufeinander Rücksicht nimmt.

Die äußeren Abmessungen des Pössl halten sich in Grenzen und er fährt sich insgesamt sehr angenehm. Auch die Höhe von über drei Metern war nur sehr, sehr selten ein Problem. Eine Rückfahrkamera sollte man sich gönnen, das entspannt. Ungeeignet für Fahrten auf Nebenstrecken (besonders im Süden): die ausfahrbare Trittstufe und der Schmutzwasserablass. Unter den eh schon tiefen Kastenwagen geschraubt, wurden diese beiden Teile Opfer der griechischen Straßen. Ansonsten hat Womi alles brav mitgemacht, vom Buckelfeldweg bis zu Reisegeschwindigkeit 140 km/h auf der Autobahn. Die Motorleistung (150 PS) war vollkommen ausreichend.
An der Verarbeitung des Ausbaus gab es nichts auszusetzen. Alles passgenau, sauber gefertigt, prima. Ganz besonderer Pluspunkt: Der Wagen ist topisoliert, wie wir während frostiger Nächte, aber auch bei Hitze feststellen konnten.
Das Zusammenleben
Camping bedeutet Freiheit, heißt aber auch Leben auf engstem Raum. Kein Thema bei drei Wochen Urlaub, wohl aber in sieben Monaten. Wir hatten diesen Aspekt unterschätzt. Mal eben durchdrängeln, wenn der andere gerade Spaghetti abgießt; kurz die Milch aus dem Fußraum wischen, weil es auf dem Tisch zu wenig sichere Abstellfläche gab; abends noch lesen, obwohl die restliche Besatzung schlafen möchte …

Vieles spielte sich ein, weil die Handgriffe routinierter wurden. Trotzdem kam ein Punkt, an dem wir gemeinsam überlegen mussten, wie wir mit dieser kleinen, aber vorhandenen Spannung umgehen sollten, die sich immer schnell aufbaute, wenn man das zehnte Mal über den Hund gestolpert war. Wir haben unseren Weg gefunden, mit diesem inneren Grummeln umzugehen: Wenn man die dunklen Wolken in sich aufsteigen spürt, kurz mal innehalten und in Gedanken einen Schritt zurücktreten, sich selbst betrachten: Über welche Nichtigkeit regst du dich da gerade auf? Welchen Grund hat mein Ärger eigentlich, und ist dieser Anlass ein guter Grund oder nicht vielleicht völlig trivial? Schau dich um: wie gut es dir geht, was gerade alles Tolles passiert, dich umgibt, dir widerfährt. Und da willst du dich über so etwas ärgern? … Und die Antwort lautete dann fast immer: Nein, natürlich nicht! Take your time, bleib cool! So blieb die Urlaubsstimmung sieben Monate erhalten, und wir haben auch für das Zusammenleben in unserer „normalen” Umgebung einiges gelernt, denn diese Methode wirkt nicht nur im Wohnmobil, sondern auch bei vielen Alltagssituationen.