Mit dem Auto-Dachzelt durch Irland
Eine abwechslungsreiche Rundreise

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Die Route für unsere Irlandreise mit dem Dachzelt war genau geplant, doch irgendwie kam alles anders – und wurde viel abwechslungsreicher, als wir es uns vorgestellt hatten.

Reise-Tipp Irland
Foto: Axel Brunst

Schon Wochen zuvor hatten wir uns mit der Planung unserer Rundreise um Irland beschäftigt: Wir wollten gegen den Uhrzeigersinn die Insel umrunden, gleichzeitig so viele Nationalparks wie möglich besuchen und Berge erklimmen. Wir hatten eine genaue Route inklusive unserer Schlafplätze, einschließlich den Foto-Spots für Sonnenauf- und -untergang festgelegt, doch es kommt auf Campingreisen immer anders, als man plant oder denkt.

Start in Dublin

Als wir nachts mit der Fähre in Dublin ankommen, machen wir uns gleich auf die Suche nach einem Schlafplatz mit unserem Dachzelt. Vor einer Haltebucht an der Küste nördlich der Hauptstadt fahren wir im Dunkeln auf eine scharfe Bordsteinkante. Das Resultat: ein platter Reifen. Über Nacht wird unsere Vorfreude zu einem Das-kann-ja-nur-besser-werden-Gefühl.

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Axel Brunst
Ob er den passenden Ersatzreifen für uns hat? Der Seniorchef von Sean McManus Tyres hilft uns prompt und gerne.

Unseren ersten Morgen verbringen wir – immerhin unter strahlend blauem Himmel – mit Warten auf den Abschleppdienst. Nach vier Stunden fährt ein Kleinwagen vor, der in Deutschland schon lange der Abwrackprämie zum Opfer gefallen wäre. Zu unserer Überraschung sitzt in eben diesem Auto unser ersehnter Helfer. Das Ersatzrad, das er mitbringt, vermittelt allerdings den Eindruck, als hätte es die letzten Jahre in einem Fluss verbracht, aber aus Mangel an Alternativen wird der veralgte Reifen montiert. Da unser Vertrauen in das Rad eingeschränkt ist, machen wir uns auf die Suche nach einem Reifenhändler.

Wir finden tatsächlich ganz in der Nähe Sean McManus Tyres, den größten Reifenhändler der Insel. Auf den ersten Blick wirkt die riesige Halle eher wie ein Lager für Altreifen. Wir zögern kurz, betreten dann aber doch die Halle und schildern einem älteren Herrn unsere Situation. Ohne langes Nachdenken versichert er uns, dass er unsere Reifengröße vorrätig hat. Kurze Zeit später fahren wir das Auto in die Halle und während ein neuer Reifen aufgezogen wird, kommen wir mit dem alten Herrn ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass er vor Jahrzehnten für Continental in Deutschland den Export nach Irland aufgebaut hat, bevor es ihn zurück in die Heimat gezogen hat. Während seiner Erzählungen strahlen seine Augen, besonders als wir ihn fragen, ob wir das Reifenlager einmal besichtigen können. Sein Stolz ist nicht zu übersehen, als wir durch die Stapel mit hunderten von Reifen schlendern. Und auch wenn inzwischen seine Tochter das Geschäft leitet, lässt es sich der 80-Jährige nicht nehmen, jeden Tag aufs Neue in der Halle zu stehen. In der Zwischenzeit haben wir die Reifenpanne schon fast vergessen, verdanken wir ihr doch diese besondere Begegnung.

Zum magischen Nordirland

Gut gelaunt setzen wir die Reise in Richtung Nordirland fort. Über Belfast – wovon uns einzig das Rathaus im Gedächtnis geblieben ist –, die bekannte Allee The Dark Hedges, deren Magie wir nicht wirklich spüren konnten, und die beeindruckenden Gesteinsformationen des Giant’s Causeway geht es in den nächsten Tagen zum Leuchtturm Fanad Head, einem der nördlichsten Punkte Irlands.

Eine Herausforderung haben wir zuvor kaum bedacht: Unser Dachzelt bietet dem stürmischen Küstenwind eine willkommene Angriffsfläche. Entsprechend schwer ist es, windstille Schlafplätze zu finden, um einigermaßen ruhige Nächte genießen zu können. Regelmäßig passen wir unsere Route an. So auch am Fanad Head.

Nach langer Suche erscheint uns der Windschatten einer etwas im Landesinneren gelegenen Kirche die beste Option. Wir haben ein mulmiges Gefühl, versuchen wir doch sonst eher abgelegene Orte zu finden, um erst gar keine Diskussionen über Camping außerhalb der vorgesehenen Plätze aufkommen zu lassen.

Außergewöhnliche Gastfreundschaft prägt das Land

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Axel Brunst
Endlich ein sturmgeschütztes Eck, in dem wir unser Dachzelt aufbauen können. Doch zunächst finden wir niemanden, um nachzufragen, ob wir hier bleiben dürfen.

Während der letzten Handgriffe beim Zeltaufbau fährt ein Auto auf den Kirchparkplatz. Wir befürchten, unser kleines Zuhause wieder abbauen zu müssen. Als uns der Fahrer jedoch freudig entgegenkommt, beruhigt sich unser Herzschlag wieder. Es stellt sich heraus, dass es der Pfarrer ist, der noch mit den Vorbereitungen für den Gottesdienst am nächsten Morgen beschäftigt ist. Wir erzählen ihm von unserer Dachzelt-Reise und den Herausforderungen mit dem irischen Wetter. Er ist sichtlich fasziniert und versichert uns, die Türe zur Kirche offen zu lassen, sodass wir gerne im Altarraum schlafen können, falls es doch zu windig wird. Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu, dass wir uns aber doch bitte einen Wecker stellen sollen, um morgens nicht von den Gottesdienstbesuchern überrascht zu werden. Auch diese Begegnung zeigt uns einmal mehr, wie offen viele Iren unserer Urlaubsform gegenüber stehen. Nach einer ruhigen Nacht im Windschatten der Kirche machen wir uns vor Sonnenaufgang auf den Weg in Richtung Leuchtturm und genießen die Zeit, ohne andere Touristen zu erblicken.

Nach Süden auf dem Atlantic Way

An den folgenden Tagen wird es wieder sommerlich warm, und wir fahren an der Westküste südwärts, größtenteils auf der Route des Wild Atlantic Way – mit 2500 Kilometern eine der längsten ausgewiesenen Küstenstraßen der Welt. Diese Route ist so gut ausgeschildert, dass man Irland gut ohne Landkarte umrunden könnte. Auf der Fahrt über die engen Küstenstraßen mit atemberaubenden Ausblicken finden wir von Tag zu Tag mehr Gefallen an der Insel und ihrer einzigartigen, wilden Landschaft.

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Axel Brunst
Die Klippen von Slieve League erheben sich gut 600 Meter über den Atlantik und bieten spektakuläre Wanderwege.

Über den Glenveagh Nationalpark setzen wir unsere Reise fort, besteigen den Berg Errigal und verbringen zwei Tage auf dem Tramore Beach Camping Park in den Dünen. Von dort aus geht es weiter Richtung Süden zu den Klippen von Slieve League: ein beeindruckender Berg, der nahezu senkrecht in den Atlantik stürzt. Mit einer Höhe von 601 Metern sind die Klippen außerdem fast dreimal so hoch wie die berühmten Cliffs of Moher, die weiter südlich an der Küste liegen. Slieve League wirkt – vermutlich aufgrund der nördlichen Lage – deutlich weniger touristisch, so wandern wir über atemberaubende Pfade entlang der Klippen und genießen den sommerlichen Tag mit spektakulärem Ausblick auf den Atlantik. Nach der langen Wanderung entschließen wir uns, dort in den Bergen unser Lager aufzuschlagen, und gönnen uns eine eiskalte Dusche mit Wasser aus einem Bergbach.

Stürmische Nacht im Wageninnern

Noch während unseres Abendessens stellen wir uns auf eine unruhige Nacht ein, da Wolken aufziehen und unsere Wetter-App Regen und böigen Wind ankündigt. Was aber nicht vorherzusehen ist, ist das Gewitter, das in der Nacht mit voller Wucht über uns hinwegzieht und das Auto inklusive Dachzelt ordentlich durchschüttelt. Als eine Böe die frei stehende Seite unseres Dachzelts anhebt, entschließen wir uns um drei Uhr nachts, wortwörtlich die Zelte abzubrechen und den Rest der Nacht im Auto zu verbringen. Dort schlafen wir zwar weiterhin unruhig, aber zumindest vor den starken Böen geschützt. Immer wieder erweisen sich Fahrer- und Beifahrersitz als unser Wohn- und Esszimmer – ein gemütlicher, wenn auch enger Zufluchtsort, um dem stürmisch feuchten Wetter zu entfliehen.

Nach dem nächtlichen Abenteuer folgen wir dem Wild Atlantic Way weiter in Richtung Süden. Entlang schöner Strände (wie Mullaghmore), vieler kleiner Küstenorte (Easky) und beeindruckender Felsen (Downpatrick Head) nähern wir uns den bekanntesten Klippen, den Cliffs of Moher.

Nach unserer spektakulären Wanderung bei Slieve League sind die stark besuchten Klippen für uns jedoch weniger beeindruckend. Dennoch genießen wir den wunderschönen Ausblick und erleben auch hier die Gastfreundschaft der Iren hautnah: Wir parken, um die absurden Kosten für die Parkplätze vor Ort zu vermeiden, gegen eine geringe Gebühr auf einem Bauernhof in der Nähe und dürfen dort auch unser Dachzelt aufbauen. Nach unserer Nacht auf dem Bauernhof, führt uns die Route weiter die Küste entlang durch die schönen und abwechslungsreichen Counties Kerry und Cork. Hier treffen wir auch immer häufiger auf Backpacker, Camper oder Stadttouristen.

Kurz vor der Stadt Cork finden wir einen Schlafplatz an einer abgelegenen Recreation Area inklusive Picknicktischen. Bei sommerlichen Temperaturen genießen wir den Abend mit Tortellini vom Campingkocher und freuen uns auf eine windstille Nacht. Am nächsten Morgen werden wir aber von zahlreichen Autos und Stimmen um uns herum geweckt.

Unser erster Gedanke: Wir stehen jetzt anderen Touristen im Weg. Also ziehen wir uns ganz schnell an und klettern aus unserem Zelt. Kaum sind wir ausgestiegen, kommen zwei Frauen mit einem frischen Tee in der Hand auf uns zu und entschuldigen sich für die Ruhestörung. Es stellte sich heraus, dass jeden Samstagmorgen an diesem Picknickplatz ein Lauftreff stattfindet. Wieder bestätigt sich unsere Erfahrung, dass die Iren sehr gelassen reagieren, solange man sich rücksichtsvoll verhält, keine Wege blockiert und den Platz so verlässt, wie man ihn vorgefunden hat.

Touristen bevölkern den Süden Irlands

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Axel Brunst
Die irische Hauptstadt Dublin ist der Ausgangs- und Endpunkt unserer Rundreise. Hier legen die Fähren aus Frankreich, Belgien und Holland an.

Unsere Rundreise nähert sich dem Ausgangspunkt: Dublin. Irland scheint sich mit Nieselregen auch schon auf unsere Abfahrt vorzubereiten. Dazu kommt, dass es im Süden des Landes immer schwieriger wird, einen passenden Schlafplatz zu finden. Der Tourismus nimmt hier zu und wird von Schildern begleitet, die Übernachtungen ausdrücklich verbieten. In den Wicklow Mountains fragen wir einen Nationalpark-Mitarbeiter, wie wir denn den großen Besuchergruppen am besten entfliehen können, doch der erwidert nur trocken: Hier den Touristen zu entgehen ist so aussichtsreich wie in Brasilien den Moskitos.

Nichtsdestotrotz finden wir eine weitere sehr schöne Wanderroute in Wicklow und können den letzten Tag in einem irischen Nationalpark genießen, inklusive Übernachtung auf dem Parkplatz vor Ort mit zahlreichen anderen Campern.

Im Vergleich zu größeren Wohnmobilen wissen wir unseren wendigen Pkw mit Dachzelt zu schätzen. Auf den sehr engen Straßen der Insel fühlen wir uns damit klar im Vorteil. Diese besondere Campingform bringt aber nicht nur höchste Flexibilität – solange es die Windverhältnisse zulassen –, sondern auch immer wieder ungewöhnliche Erlebnisse und Begegnungen mit den gastfreundlichen Iren.