Den Aufstieg der Marke Pössl kann man getrost als beispiellos bezeichnen. 1989 im Jahr des Mauerfalls gegründet, setzte Peter Pössl auf den Geist der Freiheitsbewegung, der sich im offenen Europa mit einem Campingbus doch ideal ausleben lässt. Aber die Rechnung ging zunächst nicht auf, auch weil ausgebaute Kastenwagen zu dieser Zeit nicht gerade zu den günstigsten Reisemobilen gehörten. Erst 1996 mit der Verlagerung der Produktion nach Slowenien und einer geschickten Einkaufspolitik für die Peugeot-Boxer-Kastenwagen gelang der Durchbruch mit reisefertigen Modellen, die kaum mehr kosteten als hierzulande der leere Transporter.
Großen Anteil am weiteren Erfolg hatte der 2002 vorgestellte 2Win. Mit seinem Heck-Querbett-Grundriss entwickelte er sich bei den großen Campingbussen zu einem ähnlichen Standard wie der California bei den Kompakten. Bis heute wurde davon die stolze Zahl von rund 10.000 Stück gebaut. Und den 2Win gibt es nun in der Jubiläumssaison als Special-Edition mit besonderer Einrichtung und Ausstattung.
Sitzen & Schlafen
Die Halbdinette-Sitzgruppe zeichnet sich durch gute Raumökonomie aus – ist weder zu eng, noch wird Platz verschenkt. Für zwei Erwachsene ist die Sitzbank auf Dauer allerdings eng. Wer häufiger Passagiere mitnimmt, findet in der verstellbaren Aguti-Bank eine bessere Alternative. Die übliche Zwei- bis Drei-Personen-Besatzung kann sich aber bequem um den stabilen, hübsch gerundeten Tisch mit leicht herausdrehbarer Verlängerungsplatte versammeln. Zum freundlichen Wohneindruck trägt besonders der für das Jubiläumsmodell exklusive Ausbaustil mit fast uniweißen Möbelfronten und Polsterbezügen in brauner Mikrofaser bei. Gut möglich, dass dieses Interieurdesign zur nächsten Saison weitere Modelle zieren wird.
Um die Sitzgruppe in eine Liegefläche zu verwandeln, gibt es optional einen etwas sperrigen Umbausatz. Der besteht aus einer mittig faltbaren Matratze und einer Brettunterlage mit Klappfuß. Zum Umbau braucht man nur noch den Tisch abzusenken, die Sitzpolster können an Ort und Stelle bleiben. Das Ergebnis ist wirklich respektabel. Eine Person kann hier passabel nächtigen.
Noch angenehmer träumt man zweifellos auf dem festen Heckbett. Ein kleiner Tritt hilft, um die 86 Zentimeter hoch eingebaute Liegefläche zu erklimmen. Mit bis zu 1,54 Meter ist das Bett rund 15 Zentimeter breiter als im Basismodell 2Win. Zwei Drittel der Matratzenfläche liegen auf zwei Lattenrosten auf. Im Kopf- und Schulterbereich findet sich aber nicht einmal ein Abstandsgewirke zur Unterlüftung.
Die Wände rings ums Heckbett sind mit passgenauen Kunststoff-Formteilen verkleidet. Nacktes Blech tritt nur in einem schmalen Streifen am Hecktürstoß zutage. Drei Fenster, zwei Ablagen in den Hecktürverkleidungen und zwei verschiebbare Lesespots runden die Ausstattung ab.
Bad & Küche
Neben dem Möbeldekor ist der schmale, hohe Kühlschrank der markanteste Unterschied des 25-Jahre-Modells gegenüber der Serie. 138 Liter Kühlvolumen sind für Campingbusverhältnisse beachtlich viel.
Dazu sieht er mit seiner gewölbten glänzenden Front auch noch schick aus. Umso mehr enttäuscht die fummelige Türentriegelung, die man durch eine enge Aussparung in der Front bedienen muss. Obendrein fehlt auch noch eine Lüftungsstellung. Für den großen Kühlschrank muss zudem ein Kompromiss beim Kleiderschrank eingegangen werden, denn der passt weder drunter noch darüber – und findet sich darum als sehr schmales Exemplar daneben. Zwei bis drei dünne Jacken können darin abhängen, mehr nicht.
Der übrige Küchenblock ist in bewährter Manier gestaltet.Er verjüngt sich zur Sitzgruppe hin und lässt dort mehr Bewegungsfreiheit. Das Spülbecken und der Zweiflammkocher sind mit Glasplatten abgedeckt. Zusätzliche Arbeits- und Abstellfläche schafft ein solides Klappbrett im Einstiegsbereich. Zwei große Schubladen unten und eine kleinere oben machen den Stauraum im Unterschrank leicht zugänglich. Ein Besteckkasten würde der Küche allerdings ebenso gut zu Gesicht stehen wie eine elektrische Kocherzündung. Als nettes Gimmick gibt es dafür eine praktische Einkaufstasche, die am Ausgang stets bereit hängt.
Der Zusatz „R“ beim Modell 2Win kennzeichnet die Version mit Raumbad. Diese Badvariante verstaut Toilette und Waschtisch kompakt auf der Seite. Erst bei Bedarf zieht man die mit einem Fangband fixierte Gliederschiebetüre auf und nimmt damit den Gang mit in Beschlag. Das eröffnet ein für Campingbusverhältnisse großzügiges Raumangebot zur Nutzung von Toilette und Waschtisch. Das Becken ist groß genug, um sich auch mal die Haare zu waschen, zumal der Auslauf der Armatur als ausziehbare Handbrause mit Wasserstopptaste fungiert. Ihr Hauptzweck ist aber natürlich das Duschen. Dafür muss das Einlegebrett aus der Bodenwanne entfernt, die zweite Schiebetür und ein Vorhang zugezogen werden. Die üppige Bewegungsfreiheit in der so entstandenen Nasszelle würde auch manchem aufgebauten Reisemobil zur Ehre gereichen.
Ein Brett unter der Decke, an dem die Schiebetürschiene befestigt ist, schränkt die Stehhöhe allerdings um ein paar spürbare Zentimeter ein. Eine Dachhaube darüber könnte nicht nur die Kopffreiheit verbessern, sondern gleichzeitig mehr Tageslicht herein- und Luftfeuchtigkeit hinauslassen. Einzige Lüftungsöffnung ist ein kleines Seitenfenster, das 199 Euro Aufpreis kostet, obwohl es praktisch unverzichtbar ist.
Die variable Badschiebetür lässt sich außerdem geschickt als Raumtrenner nutzen, wenn ein Partner schon früher ins Bett gehen möchte. Ebenso kann das dabei zum Heckbett offene Bad als praktisches Ankleidezimmer mit Zugriff auf Kleider- und Hängeschränke dienen. Ein Nachteil des Raumbads bleibt allerdings, dass während der Badnutzung der Durchgang zum Heckbett und der Kühlschrankzugriff blockiert sind. Darum bietet Pössl alternativ auch weiterhin den Klassiker 2Win an. Sein festes Kompaktbad vermeidet diese Einschränkung.
Aufbau & Bordtechnik
In die Sechs-Meter-Stahlblech-Karosserie mit mittelhohem Dach setzt Pössl leicht gebogene, stark getönte Fenster ein. Sie gehören zur einfacheren vorgehängten Sorte, mit Riegeln ohne Arretierungsknopf. Dafür ist die sonstige Aufbau-Bestückung ungewöhnlich umfangreich. Ein Midi-Heki vorn und eine Mini-Variante hinten sind ebenso Serie wie die Faltverdunkelung für das Fahrerhaus und eine breite elektrische Trittstufe an der Schiebetür. Hier findet sich zudem eine leicht laufende und zuverlässig schließende Fliegengittertür. Und als echte Besonderheit zieht eine elektrische Schließhilfe die Schiebetür ins Schloss und verhindert den typischen Rumms, der Stellplatznachbarn um den Schlaf bringt.Das Gros der Bordtechnik versammelt sich im Heck. Der Frischwassertank schmiegt sich rechts um den Radkasten herum.
Praxisgerecht sind die zwei Weithalsöffnungen für Reinigungszwecke, weniger die Fahrstellung mit lediglich 20 Liter Tankinhalt. Gaskasten und Heizungsfach sind links unter dem Kopfende des Betts untergebracht – das Warmluftgebläse kann empfindliche Ohren im Schlaf stören. Ladegerät und AGM-Batterie finden sich dagegen vorn in den Fahrerhaussitzkonsolen. Die Beleuchtung setzt auf moderne LED-Technik, sollte aber noch etwas mehr Lichtausbeute bringen.
Stauraum & Zuladung
Vom schmalen Kleiderschrank war schon die Rede. Gegenüber versteckt sich ein kleiner Regalschrank unter dem Bett, mit drei Fächern, die sich für Unterwäsche gut eignen. Dazu gesellen sich sechs geräumige Hängeschränke über Heckbett und Sitzgruppe. Der offene Dachstaukasten über dem Cockpit nimmt Strandhandtücher oder Winterjacken auf. Schwerere Kleinteile kommen vorzugsweise in den beiden Bodenpodestfächern oder der Sitztruhe mit Klappdeckel und Seitenzugang unter. Für Sperriges steht zudem der Heckstauraum parat.
Geschickt ist die zweiteilige Schottwand, die wahlweise das Gepäckabteil ganz abtrennt, den Zugriff teilweise zulässt oder Durchladen ermöglicht. Für große Transportaufgaben lassen sich die drei Matratzenteile und zwei Lattenroste sauber zur Seite stapeln und fixieren. Die Auflastung von 3,3 auf 3,5 Tonnen verschafft mehr Freiheit beim Beladen. Wer Schweres wie einen Motorroller am Heck transportieren möchte, sollte zum Maxi-Chassis greifen.
Fahren & Sicherheit
Der Citroën Jumper, den Pössl als günstigere Fiat-Alternative anbietet, fährt sich fast genauso wie der nahezu baugleiche Ducato. Der Citroëneigene 2,2-Liter-Motor fällt beim Kaltstart allerdings durch knurriges Nageln auf, das sich aber bald legt. Etwas unterschiedlich ist zudem die Leistungscharakteristik. Der französische Motor tritt nicht ganz so bullig an, fühlt sich dafür aber in höheren Drehzahlregionen wohler.
Weitere Unterschiede kommen bei Wartung und Service zum Tragen. Der Citroën-Motor tut sich mit einer wartungsfreien Steuerkette gegenüber dem Ducato-Pendant mit Zahnriemen hervor. Andererseits kann nur Fiat mit einem speziellen Werkstättennetz für Reisemobile und einer 24-Stunden-Servicehotline aufwarten.
Die Sicherheitsausstattung erreicht mit ESP und Fahrer-Airbag serienmäßig und dem Beifahrer-Airbag im Paket ein vernünftiges Niveau. Beim Citroën sind die Reifenluftdrucksensoren sogar Serie.
Ausstattung & Preise
1000 Euro spart, wer den Citroën wählt – wie inzwischen mehr als die Hälfte der Pössl-Käufer. Um das All-In-Paket kommt man schon wegen Klimaanlage und Airbag kaum herum. Damit ist die Ausstattung aber auch schon recht üppig.
Fazit
Er ist ein Bestseller und wird es weiter bleiben – zumal als aktuelles Jubiläumsmodell mit extra großem Kühlschrank. Auch wenn es durchaus noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt: Der Kleiderschrank im „2Win R 25 Jahre“ ist ziemlich schmal geraten, und unter der Heckbettmatratze sollte durchgängig eine Unterlüftung vorhanden sein. Welche Badvariante einem besser gefällt, ist Ansichtssache. Klasse sind Innovationen wie die Fliegengittertür und die Schließhilfe für die Schiebetür. Auch das zeichnet den Marktführer aus.