Bürstner Aviano i 684 P im Test
Gute Aussicht mit dem Bürstner Aviano

Zugvögel sind inoffiziell die Wappentiere aller Reisemobil-Freunde. Ihr Traum: Frei wie ein Vogel durch die Lande zu ziehen und mal hier, mal da zu bleiben. Wohl nicht ganz zufällig schwingt im Baureihennamen Aviano deshalb das lateinische Wort für Vögel – Aves – mit. Der Idealvorstellung des leichten, luftigen und intensiven Reisens kommt das neue Modell i 684 P mit seinem Einzelsitz am Seitenfenster im XXL-Format besonders nahe.

Bürstner Aviano 684 P
Foto: Konstantin Tschovikov

Fahren: Der Weg ist das Ziel – kein Klischee für den i 684 P

Mit dem Aviano lässt sich ein Land gleich im doppelten Wortsinne gut erfahren. Das Steuern des rund sieben Meter langen i 684 P gelingt mühelos, die Umgebung lässt sich durch die üppige Verglasung ungewöhnlich intensiv und direkt erleben. Das liegt unter anderem daran, dass Bürstner jüngst im Rahmen der Überarbeitung der Baureihe an einem elegant gerundeten Bug mit seitlich eingezogenen Wänden und aufwendig gebogenen Seitenscheiben festgehalten hat. Diese Form erlaubt, kaum gestört von den A-Säulen, eine störungsfreie Rundumsicht von mehr als 180 Grad. Hinzu kommt beim Modell i 684 P das große Seitenfenster. Es gewährleistet gerade in einem der kritischsten Sichtbereiche, seitlich rechts vom Reisemobil, wertvolle Orientierung. Nimmt man die gute Sicht vor den Fahrzeugbug und die relativ großen Wischerfelder dazu, hat speziell dieses Modell trotz des etwas knappen Sichtwinkels für den Ampelblick das Zeug zum Klassenprimus in Sachen Übersichtlichkeit. Auch die beiden Außenspiegel sind passend ausgewählt und an geeigneter Stelle montiert. Sie stören den direkten Blick nach schräg vorn nur wenig und bilden ein relativ großes Sichtfeld ab. Einzig Weitwinkelgläser fehlen. Wer sich eine Fahrer- oder Beifahrertür gönnt, bekommt für je 1341 Euro Aufpreis nicht nur den direkten Zugang, sondern zusätzlich eine größere Fensteröffnung. Nicht unwichtig, denn das schma-le Schiebefenster der Serienversion verlangt beim Heranfahren an Mautstellen Präzisionsarbeit. Den Testwagen trieb der optionale Fiat-Diesel mit 157 PS und automatisiertem Schaltgetriebe an. Diese Kombination befreit den Fahrer von jeglicher Sorge um Kraftreserven und Gangwahl. Bei regennasser Fahr-bahn sollte der Gasfuß aber Feingefühl zeigen, denn allzu schnell bringt der bullige Top-Motor die Reifen an ihre Traktionsgrenze. Zu den wenigen Kritikpunkten während der Fahrt gehört die störende Geräuschentwicklung bei Fahrbahnunebenheiten. Das leichte Quietschen und Klappern aus der Armaturenbrettverlängerung, dem Möbelbau und besonders der schlecht fixierenden Flach-TV-Halterung ist noch erträglich. Beim Testwagen nervte vor allem bei Autobahntempo ein Vibrationsgeräusch aus Richtung der linken A-Säule. Abgesehen davon ist der i 684 P ein echtes Fahrermobil – idealerweise für drei Personen. Es gibt kaum ein anderes Modell, das einen ähnlich attraktiven Platz in der zweiten Reihe bietet: Genauso bequem wie vorn und durch das breite und hohe Fenster mit einem einzigartigen Ausblick ausgestattet. Einen vierten und fünften Gurtplatz gibt es bei Bedarf zusätzlich auf der Querbank.

Technik: Konventionelle Aufbautechnik in sorgfältiger Ausführung

Das riesige Fenster neben dem Einzelsitz lässt nicht nur Licht, sondern auch Luft herein. Die einfachen Rastaufsteller haben mit der mächtigen vorgehängten Scheibe allerdings ihre liebe Mühe. Von oben erhellen drei Klarglas-Dachhauben und das serienmäßige Panoramadachfenster die Szene. Der Aufbau selbst besteht aus klassischem Aluminium-Sandwich. Die Zahl tragender Holzlatten nimmt zwar bei Bürstner immer mehr ab, aber auch der Kabinenboden besteht noch aus einem Holzsandwich. Die Seitenschürzen aus Alu-Profilteilen sind teils als dezent integrierte Klappen ausgeführt. Die Tür zum Gasflaschenfach ist allerdings zu -schmal für einen bequemen Zugriff. Die Verarbeitung kann sich rundum sehen lassen. Ebenso im Griff hat Bürstner die Bordtechnik. Die Leitungen und Rohre sind überwiegend geschützt und verdeckt verlegt. Rund die Hälfte aller Lampen ist mit modernen LED-Leuchtmitteln bestückt. In einem Fach hinter der Schürze findet sich die 90-Ah-Batterie;  wählt man das Winterpaket, sind es zwei Akkus. Dazu gehören ebenfalls die Truma Combi 6 in Elektroversion, ein isolierter und beheizter Abwassertank sowie eine elek-trische Fußbodenerwärmung. Doch bereits ohne Zusatzpaket stellt sich die Warmluftverteilung mit vier Ausströmern in der Sitzgruppe als praxisgerecht heraus.

Wohnen: Viel Wert legt Bürstner auf gehobenen Schlafkomfort

Die drei drehbaren Einzelsitze und die L-Bank gruppieren sich zu einer höchst flexiblen Sitzgruppe um den Säulentisch. An die verschiebbare, jedoch nicht allzu große Tischplatte reichen sämtliche Plätze heran. Dem Einzelsitz rechts sollte Bürstner für eine bequemere Haltung beim Essen indes eine Höhenverstellung spendieren.   Die zwei Doppelbetten vorn und im Heck versprechen mit Kaltschaummatratzen eine angenehme Nachtruhe. Im Heck lassen sich sogar die Kopfteile getrennt aufstellen. Wie so oft fehlt es dem Längsbett an Breite am Fußende. Zum fast perfekten Hubbett wünscht man sich Ablagen. Gekonnt eingerichtet, lädt die Küche zum Schwingen des Kochlöffels ein. Die Spüle mit praktischer Abtropffläche, solide Schubladen mit Vollauszügen und der 160-Liter-Kühlschrank gegenüber der Winkelküche überzeugen. Eine Elektrozündung für den Kocher und echte Arbeitsfläche fehlen dagegen. Zustimmung erntet auch das Bad links im Heck. Besonders die flexible Raumnutzung des aus anderen Bürstner-Modellen bekannten Sanitärraums verblüfft immer wieder. Zwei Klappwände lassen flugs eine relativ großzügige Duschkabine entstehen, die auch als Trockenkammer dienen kann. Größter Nachteil: Während des Duschens ist auch die Toilette blockiert. Mit gebogenen zweifarbigen Hängeschrankklappen wirken die Möbel modern. Bei näherem Hinsehen vermisst man jedoch eine klare Linie -- manche Klappen etwa werden von soliden Federpuffern gebremst, andere von Gummipuffern, wieder andere gar nicht.

Beladen: Zwei bis drei Personen kommen mit dem Stauraum gut zurecht

Dank Heckabsenkung zieht sich der Bettstaukasten bis auf die gegenüberliegende Aufbauseite, geschickt für flache Gegenstände wie Campingtisch und Klappstühle. Wegen des glatten Innenbodens sind die vorhandenen Zurrösen sehr willkommen. Als hilfreich erweisen sich auch die Fächer für Kleinteile. Vergeblich tastet man allerdings im Dunkeln nach einer Lampe. Im Wohnraum fällt der schmale Kleiderschrank eher knapp aus. Zusammen mit einer respektablen Zahl an Hängeschränken und Fächern offeriert der Aviano insgesamt aber ein angemesse-nes Stauvolumen für zwei bis drei Personen. Mit etwas Zurückhaltung bei der Ausstattung sollte die Zuladung des 3,5-Tonners reichen. Wer seinen i  684 P üppig einrichten und zu viert fahren will, greift zum Maxi-Chassis.

Kosten

Weder Billigheimer noch Luxusklasse – der Aviano.  
Mittelklasse heißt bei Bürstner bereits zum Grundpreis eine ver-nünftige Ausstattung zu bekommen, die mit Paketen und Extras vielfältig verfeinert werden kann, aber nicht unbedingt muss – vielleicht mit Ausnahme des empfehlenswerten Chassispakets für 1400 Euro.

Fazit

So stellt man sich ein Reisemobil im Wortsinn vor: Das Unterwegssein macht einfach Spaß, weil sich der Aviano recht einfach steuern lässt und auch zwei Passagiere die Fahrt bei bester Aussicht genießen können. Mehr Sorgfalt sollte Bürstner der Geräuschkulisse und dem Möbelbau zukommen lassen.

Technische Daten
Bürstner Aviano
AufbauIntegriert
Maße696 x 230 x 275 mm
Leistung96 kW / 130 PS
Motor2,3 MJET
Sitze mit Gurt4 bis –
Schlafplätze4 bis –