Das Display des Autos warnt: "Sofort Batterie laden. Motorleistung begrenzt." Soeben ist der Füllstand des Akkus unter die 20-Prozent-Marke gerutscht, die versprochene Restreichweite liegt bei rund 50 Kilometern. Zum Glück ist die angepeilte Ladestation nur noch wenige Kilometer entfernt. Ein leicht mulmiges Gefühl hinterlässt die Warnung im Display dennoch. Immerhin: Von der vermeintlich begrenzten Motorleistung ist nichts zu spüren, unser Fünf-Tonnen-Gespann zieht weiter auch leichte Autobahnsteigungen problemlos mit 100 km/h hinauf.
Ich bin unterwegs Richtung Thüringer Wald in den Urlaub, mit Wohnwagen und einem Kia EV9. Das große Elektro-SUV durchläuft aktuell den Dauertest der CARAVANING-Redaktion – und ziehe einen Wohnwagen vom Typ Fendt Bianco 495 SG. Auto und Caravan bringen es auf eine Gesamtlänge von mehr als zwölf Metern und eine zulässige Gesamtmasse von über fünf Tonnen.
Herausforderungen mit Elektrogespann
Die Herausforderungen: Wie weit komme ich mit einer Akkuladung mit dem Wohnwagen im Schlepp? Finde ich eine Gespann-taugliche Ladestation oder muss ich den Wohnwagen abkuppeln, um zu laden? Und funktioniert die Ladeplanung des bordeigenen Navigationssystems?
Die letzte Frage lässt sich ziemlich schnell mit Nein beantworten. Ich starte bei exakt 91 Prozent Akkuladung in Stuttgart. Der Kia verspricht im Anhängerbetrieb eine Reichweite von rund 260 Kilometern. Als Ziel gebe ich eine Ladestation bei Schweinfurt ins Navi ein, etwa 190 Kilometer entfernt – sollte also passen. Doch das Navi meldet: Mein Ziel sei ohne Zwischenladung nicht erreichbar. Dabei habe ich die Einstellungen so gewählt, dass am Zielort eine Restladung von zehn Prozent ausreicht.
Ich rolle los und beschließe, die vermeintlich benötigte Zwischenladung zu ignorieren. 260 Kilometer Reichweite für 190 Kilometer Strecke – was soll da schon schiefgehen? Die von mir anvisierte Ladestation bei Schweinfurt ist vom Betreiber Fastnet und hat den Vorteil, dass ich sie mit dem Gespann anfahren kann, ohne abzukuppeln. So zumindest sieht es auf dem Satellitenbild auf Google Maps aus. Da bleibe ich doch lieber etwas länger an dieser Ladestation und erspare mir dafür weitere Stopps, wo ich zunächst zeitaufwendig den Anhänger parken müsste.
Bei Tempo 100 steigt der Verbrauch rasant
Auf der Autobahn stelle ich fest: Bei Tempo 100 zieht der Kia elendig viel Strom aus dem Akku – die Differenz zwischen versprochener Reichweite und noch zurückzulegender Strecke schrumpft mehr und mehr zusammen. Also drossele ich das Tempo ein wenig, zudem folgt noch ein Abschnitt über Bundesstraßen und durch Würzburg, dazu Baustellen und ein wenig stockender Verkehr – das tut der Reichweite gut.

Die Fastnet-Ladestation bei Schweinfurt-West ermöglichte komfortabel das Auffüllen des Akkus. In 28 Minuten stieg der Akkustand von 28 auf 87 Prozent.
Schon bei 40 Prozent Akkustand meldet das Auto: Niedriger Ladestand, bitte Lademöglichkeit suchen. Ich ziehe durch und erreiche mit immerhin 28 Prozent Restladung die Fastnet-Ladestation in Schweinfurt-West. Die Ladesäulen sind hier wie bei einer Tankstelle angeordnet, man kann sie vorwärts anfahren und auch vorwärts wieder verlassen. Alle vier Ladeplätze sind frei und so ist es kein Problem, die hintere rechte Ladesäule mit dem Gespann anzufahren, ohne dabei einen der anderen drei Ladeplätze zu blockieren.
Laden mit angehängtem Wohnwagen gelingt
Bis zu 300 kW Ladeleistung verspricht die Säule. Der Kia legt mit gut 200 kW los. Wie üblich geht es bis 80 Prozent Ladestand ziemlich zügig, danach wird es zäh und die Ladeleistung fällt unter 50 kW. Bei 87 Prozent ziehe ich nach 28 Minuten den Stecker. Die verbliebenen 190 Kilometer bis Jena müsste ich jetzt eigentlich ohne weiteres Nachladen schaffen. Gebunkert habe ich bei diesem Ladestopp 65 kWh Energie – bei einem Preis von 73 Cent je kWh allerdings kein günstiger Spaß.

Der Campingplatz „Unter dem Jenzig“ in Jena liegt ruhig im Grünen, trotzdem ist die lebhafte Studentenstadt auch zu Fuß schnell erreichbar.
Weiter geht die Fahrt. Als ich auf der A71 über die Höhenzüge des Thüringer Walds fahre, steigt der Verbrauch wieder merklich an. Die Gefälle-Strecken sorgen aber dafür, dass der Kia auch immer wieder kräftig rekuperieren kann. So erreiche ich mit 22 Prozent Restladung den Campingplatz "Unter dem Jenzig" am Stadtrand von Jena.
Insgesamt moderater Durchschnittsverbrauch
Für die Gesamtdistanz ab Stuttgart von 378,9 Kilometer weist der Bordcomputer einen Durchschnittsverbrauch von 33,4 kWh je 100 Kilometer aus. Ein ziemlich guter Wert – auf unserer genormten Testrunde mit Zwei-Tonnen-Trailer verbrauchen E-Autos meist um die 40 kWh. Hätte ich häufiger mit Tempo 100 durchgezogen, wäre ich wohl auch näher an diesen Wert gekommen – wegen eines dann vermutlich nötigen zweiten Ladestopps aber nicht früher angekommen.
Auf dem Campingplatz erweist sich das Elektrogespann als vorteilhaft: Man rollt lautlos vor und das Manövrieren gelingt ohne Angst um eine verschleißende Kupplung. Das macht Spaß und fühlt sich gut an.
Reicht der Ladestand für die Weiterfahrt?
Nachdem der Wohnwagen abgestellt ist, fahre ich zum Einkaufen. Eine ideale Möglichkeit, währenddessen den Akku des Kia wieder aufzufüllen, denke ich. Doch die Ladesäule auf dem Kaufland-Parkplatz meldet: außer Betrieb. Das wird hier also nichts mit dem schnellen Nachladen.

Bevor wir weiter in den Thüringer Wald fahren, kommt der Kia an die Ladesäule – in einer Großstadt ist die nächste Säule zum Glück nicht weit. Der Caravan parkt so lange noch auf dem Campingplatz.
Also stöpsele ich das Auto nahe dem Jenaer Wahrzeichen, dem rund 160 Meter hohen Jentower, ein. Hier fließen aber maximal 11 kW, so dass der Ladestand trotz mehrstündiger Pause nur von 20 auf 56 Prozent steigt. Ob das reicht für unsere Weiterfahrt am Folgetag in den Thüringer Wald? Ich gehe auf Nummer sicher und steuere am nächsten Vormittag vor dem Ankuppeln des Wohnwagens für knapp 20 Minuten einen Schnelllader an und fülle den Akku auf 82 Prozent. Sicher ist sicher, schließlich verlassen wir nun zu zweit die Großstadt und (Schnell-)Ladestationen finden sich nicht mehr an jeder Ecke.
Keine Lademöglichkeit am Campingplatz
Auf teils abenteuerlich schmalen Straßen erreichen wir mit etwa 50 Prozent Restladung den wunderschönen Campingplatz Thüringer Wald nahe des Örtchens Drognitz und unweit des Hohenwarte-Stausees. Wir ergattern einen Stellplatz in Randlage mit freiem Ausblick ins Grüne – herrlich. Eine Lademöglichkeit für E-Autos bietet der abgeschiedene Campingplatz nicht. Wir nutzen in den Folgetagen einen Ausflug in die hübsche Kleinstadt Rudolstadt, um den Kia randvoll zu laden. So sind zum Start der Rückreise noch 90 Prozent im Akku.

Auf der Rückfahrt unterschreitet der Ladestand des EV9 erstmals die 20-Prozent-Marke. Das Auto fordert: sofort Nachladen! Von der angeblich reduzierten Leistung ist indes kaum etwas zu spüren.
Ich gehe keine Experimente ein und steuere die gleiche Fastnet-Ladestation wie auf der Hinfahrt an, ignoriere die Warnungen des Autos, das sei ohne Zwischenladung nicht möglich. So erreiche ich den Zwischenstopp ebenso wie das heimische Stuttgart mit 19 Prozent Restladung und schließe den Selbstversuch Urlaub mit E-Auto und Wohnwagen erfolgreich ab.