Fachkräftemangel in der Reisemobil- und Camping-Branche

Fachkräftemangel in der Camping-Branche
Diese Konsequenzen drohen durch Fachkräftemangel

Veröffentlicht am 25.12.2023

Unbeschwerte Campingidylle wünschen sich viele Reisemobilistinnen und Reisemobilisten, erst recht nach den Einschränkungen der zurückliegenden Pandemiejahre. Doch ein Thema gibt Anlass zur Sorge: der Fachkräftemangel. Dieses Problem ist im Alltag vieler Menschen längst angekommen. Sei es bei der eigenen Arbeitsstelle oder durch konkrete Einschränkungen in bestimmten Lebensbereichen.

Dass dieses Thema auch vor der Caravaning-Branche keinen Halt macht, liegt auf der Hand. Doch wie sieht es bei Herstellern und Händlern von Freizeitfahrzeugen und auf Camping- und Stellplätzen tatsächlich aus? Welche Arbeitsbereiche sind im Caravaning-Sektor besonders vom Fachkräftemangel betroffen? Und was unternimmt die Branche, um dem entgegenzuwirken?

Fachkräftemangel - Näherei
Hobby

Um das herauszufinden, hat promobil mit dem Caravaning Industrieverband (CIVD), dem Caravaning Handelsverband (DCHV) und dem Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland (BVCD) gesprochen und Camping- und Stellplatzunternehmen befragt.

Handwerkliche Kompetenzen sind gefragt

Reisemobilhersteller benötigen gerade in der Fertigung ein breites Portfolio an handwerklichen Kompetenzen, wie sie Fachkräfte aus der Kfz-Technik, der Mechatronik, der Elektrotechnik, aus Holz- und Möbelbau oder aus der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik mitbringen. Alles Berufe, die in der Analyse der Bundesagentur für Arbeit 2022 als Engpassberufe genannt werden.

Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Industrieverbands CIVD, bestätigt den Fachkräftemangel der Branche in der Fertigung und meint zu den Ursachen unter anderem: "Viele junge Menschen wollen heute lieber studieren und können sich leider nicht mehr vorstellen, eine Ausbildung zu machen oder handwerklich zu arbeiten. Es gibt zu viele Vorurteile gegenüber der Arbeit im Handwerk und der Industrie, obwohl eine Karriere gerade in der Caravaning-Branche besonders erstrebenswert ist."

Fachkräftemangel - Produktionshalle
Phoenix

Um die Attraktivität der Branche und die Flexibilität in den Betrieben zu erhöhen, haben CIVD, DCHV und der Zentralverband für Karosserie- und Fahrzeugtechnik bereits 2021 eine Initiative für die neue Ausbildungsfachrichtung "Caravan- und Reisemobiltechnik" ins Leben gerufen, in der seit August 2023 auch ausgebildet wird.

"Mit unserer Initiative ‚sonnigekarriere‘ wollen wir als Verband Aufklärungsarbeit leisten und zeigen, warum sich eine Ausbildung in unserer Branche lohnt. Die neue Ausbildung vereint die vielen Facetten und Fähigkeiten der Branche in einem Beruf", so der Geschäftsführer des CIVD.

Allround-Talente durch neue Ausbildung

"Die fertig ausgebildeten jungen Frauen und Männer sind echte Allround-Talente in Sachen Caravans und Reisemobile und können in verschiedenen Bereichen eines Betriebs eingesetzt werden. Damit kann ein Unternehmen besser auf Personalengpässe reagieren und ist auch weniger abhängig von einzelnen Gewerken wie Holz, Elektro- oder Sanitärinstallation, die für den Bau oder die Reparatur von Fahrzeugen benötigt werden", erläutert Daniel Onggowinarso die Vorteile des neuen Berufsbilds, von dem im Übrigen nicht nur die Hersteller profitieren sollen: "Auch den Handel darf man nicht vergessen, denn dort werden genauso händeringend Fachkräfte unter anderem für den Service- und Reparaturbetrieb gesucht."

Dass auch die Handelsbetriebe vom Fachkräftemangel geplagt werden, bestätigt das Zwischenergebnis einer aktuell laufenden Befragung des Händlerverbands DCHV bei seinen über 400 Mitgliedsbetrieben. Von den bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe teilnehmenden Händlern "haben aktuell 74 Prozent Schwierigkeiten, Personal zu finden", verrät Ariane Finzel, Geschäftsführerin des DCHV, schon vorab. Fachkräfte fehlen bei diesen Betrieben vor allem im Bereich Service, wo Mitarbeiter für die Auftragsannahme, die Montage und die Werkstattleitung gesucht werden.

Fachkräftemangel - Handelsbetriebe
Eppler

"Der Handel will ausbilden und seine Werkstattkapazitäten weiter ausbauen", sagt Ariane Finzel. "An der neuen Fachrichtung Caravan- und Reisemobiltechnik besteht von deren Seite großes Interesse. Die Betriebe haben in der Regel aber – im Gegensatz zur Industrie – keine Meister für Karosserie- und Fahrzeugbau und dürfen daher in der neuen Fachrichtung nicht ohne Weiteres ausbilden. Wenn die jeweilige Handwerkskammer zustimmt, darf ein Meister mit Zusatzausbildung zum Caravantechniker und Ausbilder-Eignung zwar ausbilden, leider gibt es für diese nötige Zustimmung aber selbst innerhalb der Bundesländer Unterschiede."

Verständnis von Kundinnen und Kunden gefordert

Ariane Finzel wirbt auch für Verständnis auf Kundenseite: "Vieles an Reisemobilen ist Manufakturarbeit; so gibt es beispielsweise sehr viel Varianz beim Möbelbau. Natürlich gibt es Heizungen oder Kühlschränke, die schnell beschafft werden können. Aber wenn zum Beispiel ein Dach undicht ist, kann man nicht einfach auf ein vorrätiges Ersatzteil zurückgreifen, sondern es muss angefertigt werden. Selbst wenn ein schneller Werkstatttermin im Prinzip möglich wäre, müssen Kunden in solchen Fällen trotzdem langfristig planen."

Fachkräftemangel - Berater
Eppler

Auf Camping- und Stellplätzen gibt es je nach Betriebsgröße und Angebotspalette ein mehr oder weniger breit gefächertes Tätigkeitsfeld. Wir haben Betreiber von Campingplätzen mit zum Teil umfassendem Versorgungs- und Freizeitangebot gefragt, wie ihre Personalsituation ist. Bei der großen Mehrheit waren Stellen vakant. Am schwersten fällt es den Unternehmern für Reinigung und Gastronomie Mitarbeiter zu finden. Freie Stellen gibt es außerdem häufig in den Rezeptionen, gefolgt von Schwimmbädern und Lebensmittelläden. In fast allen der befragten Betriebe gibt es bereits Maßnahmen wegen fehlender Fachkräfte. Häufig sind das verkürzte Öffnungszeiten in der Gastronomie, im Lebensmittelladen und in der Rezeption. Einige haben Ruhetage im Restaurant eingeführt und zusätzlich die Zahl der Tische reduziert.

Wie sieht es bei Stellplatzbetreibenden aus?

Auch bei Stellplatzbetreibenden haben wir nach der aktuellen Situation gefragt. Während im niedersächsischen Stade bisher kein Mangel an Arbeits- und Fachkräften für den Betrieb der drei Stellplätze herrscht, zeigt sich im baden-württembergischen Öhringen auf dem HEICamp ein anderes Bild, das dem auf den befragten Campingplätzen entspricht. Besonders Reinigung und Gastronomie sind dort vom Arbeitskräftemangel betroffen.

Fachkräftemangel - Wohnmobilpark HEICamp
Vierneisel

Dass Einrichtungen ganz geschlossen werden mussten, kommt bei den befragten Camping- und Stellplatzunternehmern nur vereinzelt vor. Um dennoch die Öffnungszeiten der Gastronomie aufrechtzuerhalten, greifen einige Unternehmer zu besonderen Maßnahmen. Eine ist die Vier-Tage-Woche für Köche, bei der sich mehrere Mitarbeiter eine Stelle teilen, was den Arbeitsplatz oft attraktiver macht und damit erlaubt, die gewohnten Öffnungszeiten beizubehalten.

Auf einem der befragten Plätze kommt zudem ein ungewöhnlicher elektronischer Helfer zum Einsatz, der die Servicekräfte des Restaurants unterstützt. Der Roboter Anna bringt dort das Essen an den Tisch.

In der Ausweitung digitaler Dienstleistungen sehen viele Unternehmen eine gewisse Chance, fehlende Fachkräfte zu kompensieren und den verbliebenen Mitarbeitern so mehr Zeit für die persönliche Gästebetreuung zu ermöglichen.

Vorstellung: Ausbildung Reisemobiltechnik

Eine neue Ausbildungsfachrichtung Caravan- und Reisemobiltechnik im Beruf Karosserie- und Fahrzeugbau ist seit Mai 2023 als Ausbildungsgang anerkannt. Die Ausbildung dauert insgesamt dreieinhalb Jahre und vermittelt als Basis handwerkliche und Kfz-technische Grundlagen. Mit der Fachrichtung Caravan- und Reisemobiltechnik kommt für die Auszubildenden Spezialwissen über Reisemobile und Caravans hinzu. Nach der Ausbildung werden die Fachkräfte etwa in den Bereichen Multimedia-Technik, Bordelektrik und -elektronik, Fahrwerkstechnik, Holz- und Kunststoffbearbeitung oder Flüssiggas-, Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik eingesetzt. Auf dem Infoportal im Web stellt der CIVD die neue Ausbildungsfachrichtung Caravan- und Reisemobiltechnik im Detail vor. Interessierte finden dort Informationen zu den Ausbildungsinhalten und eine Übersicht aller Ausbildungsbetriebe.

Digitalisierung auf Camping- und Stellplätzen

Fachkräftemangel - Stellplatz Schalkenmehren
Zwingenberger

Mitarbeiter zu entlasten, die dann an anderer Stelle mehr Zeit für Gäste haben, ist eine Möglichkeit, die Folgen des Fachkräftemangels abzufedern. Wenn Routineaufgaben oder körperlich anstrengende Tätigkeiten wegfallen, kann das auch die Jobs attraktiver machen. Die Befragten sind bei diesem Thema aber geteilter Meinung. Einige haben schon vieles digitalisiert, andere wollen diesen Weg am liebsten gar nicht gehen oder verweisen auf Gäste, die teils mit der Technik nicht klarkommen. Viele betonen explizit, dass trotz fortschreitender Digitalisierung der persönliche Kontakt zu den Gästen wichtig ist und bleibt.

Was halten Sie davon, bestimmte Dienstleistungen auf Ihrem Platz zu digitalisieren?

Claudius Wirth vom Camping Wirthshof in Markdorf: "Wir haben schon sehr viel digitalisiert. Seit 2019 ist ein vollständiger Self-Check-in/-out möglich. Das wird in der Zwischenzeit auch gut angenommen. Camper lieben aber den persönlichen Kontakt."

Rainer Heidemann vom Wohnmobilpark HEICamp in Öhringen: "Einen digitalen Check-in möchten wir nicht. Die meisten Gäste freuen sich, wenn sie in eine neue Region kommen und persönlich beraten werden. Das ist uns wichtig, und unsere Gäste schätzen die Beratung."

Johann Köck von Camping Holmernhof und Camping Holmernhof Dreiquellenbad in Bad Griesbach: "Es wird zwangsläufig so werden, dass es eine ziemlich hohe Digitalisierung geben wird. Ich finde es schade, wenn wir zu diesem Mittel greifen müssten, weil wir zu wenig Personal hätten – denn auf unseren Plätzen macht das familiäre und persönliche Ambiente einen Hauptanteil für unsere Gäste aus!"

Frank Tinnemeyer von der Stade Marketing und Tourismus GmbH: "Bei unserem Stellplatz am Schiffertor haben wir von vorneherein auf Digitalisierung gesetzt. So sind etwa der komplette Anmeldeprozess und die Brötchenbestellung digital. Bei den Gästen kommt das gut an. Zusätzlich gibt es eine Betreuung vor Ort, die Fragen der Gäste beantwortet."

Wie reagieren die Gäste, wenn die Speisen vom Roboter zum Tisch gebracht und dort von den Servicekräften serviert werden?

Dieter Lübberding vom Camping Sanssouci in Potsdam: "Manche Gäste sind skeptisch und sagen, das vernichtet Arbeitsplätze, andere finden es großartig, besonders Kinder."

Nachgefragt

Fachkräftemangel - Daniel Onggowinarso
Eppler

... bei Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Industrieverbands CIVD e. V.

Wie ist die Fachkräfte-Situation bei den Herstellern?

Die Caravaning-Branche ist in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren enorm gewachsen. Dementsprechend groß ist der Bedarf an qualifiziertem Personal und Nachwuchsfachkräften. Leider bleiben aufgrund des angespannten Arbeitsmarktes aber auch in unserem Wirtschaftszweig viele offene Stellen unbesetzt.

In welchen Bereichen ist die Lage besonders angespannt?

Allen voran fehlt es an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Fertigung, aber in der Regel sind auch andere Unternehmensbereiche betroffen.

... bei Ariane Finzel, Geschäftsführerin des Händlerverbands DCHV e. V.

Wie ist die Situation in den Handelsbetrieben?

Wir bekommen Rückmeldungen von Betrieben, dass es schwer ist, neues Personal zu finden. Aber das ist längst nicht für alle Handelsbetriebe ein Problem.

Woher kommen aus Ihrer Sicht die Unterschiede?

Es ist teils ein regionales Thema und teils eines der Attraktivität als Arbeitgeber. Es gibt Betriebe, die das hervorragend hinbekommen. Einige hinterfragen, was sie tun können, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, und denken etwa über alternative Arbeitszeitmodelle nach. Andere gehen davon aus, dass etwa das bestehende Arbeitszeitmodell von 8 bis 18 Uhr weiter funktioniert.

Fachkräftemangel - Stefan Zierke
Jakob & Luisa Fotoatelier

... bei Stefan Zierke, Präsident des Bundesverbands der Campingwirtschaft in Deutschland e. V.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie von Ihren Mitgliedern und Landesverbänden?

Wir bekommen seit Monaten zurückgemeldet, dass es in fast allen Bereichen an Arbeits- und Fachkräften fehlt. Besonders eng ist die Lage im Service, im Housekeeping und in der Küche. Der Mangel ist eines der drängendsten gegenwärtigen und zukünftigen Probleme in der Branche.

Wie können Sie als Verband Ihre Mitgliedsunternehmen bei der Fachkräftesicherung unterstützen?

Der Bundesverband unterstützt die Mitgliedsunternehmen, indem er ihre praktischen Erfahrungen und die sich daraus speisenden Forderungen in den politischen Raum und in den Austausch mit anderen Verbänden trägt. Dazu zählen die parlamentarische Ebene im Bund und in der EU sowie die Ministerien. Der BVCD berät bei der Digitalisierung geeigneter Prozesse und gibt konkrete Hilfestellungen, wie etwa durch den Ratgeber zur Personalbeschaffung auf der Internetseite des BVCD.

... bei Frank Tinnemeyer, Stade Marketing und Tourismus GmbH

Die Stade Marketing und Tourismus GmbH betreibt drei Stellplätze in Stade. Fehlen Ihnen dafür Fach- und Arbeitskräfte?

Bisher nicht. Wir haben eine Mischung aus Festangestellten und Aushilfskräften, aktuell sind alle Stellen besetzt.

Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Als Stadtmarketinggesellschaft haben wir insgesamt viele Bewerber. Wer sich ursprünglich für eine andere Position beworben hat, findet unter Umständen auch eine Stelle im Bereich der Stellplätze interessant. Und wir haben engagierte Mitarbeiter und pflegen ein gutes Betriebsklima.

... bei Rainer Heidemann, Wohnmobilpark HEICamp in Öhringen

Haben Sie auf Ihrem Stellplatz Fachkräftemangel?

Ja. Besonders für die Gaststätte und die Reinigung ist es schwer, Mitarbeiter zu finden.

Hat das Auswirkungen auf Ihre Gäste?

Viele Gäste übernachten wegen der Gastronomie hier, dafür sind wir bekannt. Sie wären nicht erfreut, wenn sie dann keinen Tisch bekommen. Als Familienbetrieb versuchen wir den Arbeitskräftemangel selbst aufzufangen. Darüber hinaus arbeiten wir mit einem Kassensystem, das direkte Bestellannahme beim Gast zulässt. Außerdem haben wir feste Reservierungszeiten eingeführt und ein paar Plätze weniger im Biergarten.