Kreuz und quer durch Weinberge radeln, mit einem Glas Wein am Strand sitzen oder mitten in einem Urwald wandern: Eine Mobil-Tour rund um den Bodensee hat Genusspotenzial.
Kreuz und quer durch Weinberge radeln, mit einem Glas Wein am Strand sitzen oder mitten in einem Urwald wandern: Eine Mobil-Tour rund um den Bodensee hat Genusspotenzial.
Was für ein herrlicher Sommerabend. Die Sonne macht sich langsam zum Untergehen bereit, eine warme Brise weht übers Wasser. Auf der Restaurantterrasse sind alle Plätze längst besetzt. Zum Glück gibt es direkt am Strand ein paar Bänke und ein paar rustikale Holztische. Wir sitzen auf einem der vielen Baumstämme, die umgestürzt am Strand liegen, die Füße im Sand, das Wasser zum Greifen nah. Ein Teller Maultaschen balanciert auf dem Schoß, das Glas eiskalter Rosé steht daneben auf dem Boden. Irgendwo spielt einer Gitarre, die untergehende Sonne verwandelt die zwei Palmen am Strand zum Scherenschnitt. Musik und Leichtigkeit liegen in der Luft.
Wo sind wir? Auf Key West, Florida? Wo jeden Abend Hunderte von Menschen den Sunset zelebrieren? Ja, das fühlt sich fast so an – aber wir sind am Bodensee, genauer: am Strand vom Campingplatz Sandseele auf der Insel Reichenau. Auch hierher sind viele gekommen, auch hier ist der Sonnenuntergang eine Zeremonie an jedem schönen Sommerabend. Und wenn die Sonne dann hinter der Halbinsel Höri in glühendem Rot versinkt, klatscht einer leise, es wird kurz ganz ruhig, nur ein paar Gläser klirren – und alle stoßen an. Da ist er wieder, einer dieser magischen Augenblicke, die wir rund um den Bodensee gesucht und vielfach auch gefunden haben.
Die Reichenau ist ein guter Startpunkt für eine solche Tour. Irgendwie war die Insel ja schon immer bedeutend. Anfang des 8. Jahrhunderts entstand hier ein Benediktinerkloster, das in den folgenden 300 Jahren zu einem der kulturellen Zentren des Abendlands wurde. Heute ist an dieser kleinen Insel aber auch bedeutend, dass sie so charmant und leise geblieben ist, trotz des großen Tourismus, der am Bodensee im Sommer auch manchmal zu viel werden kann.
Das beste Fortbewegungsmittel? Für uns eindeutig das Fahrrad, das gilt eigentlich für den gesamten Bodensee: Die Radwege sind gut ausgeschildert und verlaufen fast immer abseits der großen Verkehrswege. Am Bodensee kann man einfach losradeln von einem der vielen Stell- und Campingplätze, die es rund um den See gibt. Und wenn man müde ist, nimmt man einfach das Schiff für den Rückweg oder für eine Abkürzung quer über den See. Die Auswahl ist groß: Zwölf Fahrgastschiffe und zwei Autofähren der Weißen Flotte sind jeden Tag unterwegs, rund um den See gibt es 39 Anlegestellen. Und überall kann man Räder mit an Bord nehmen.
Wir sind inzwischen auf der Halbinsel Höri, ganz am westlichen Ende des Bodensees. Hier ist die Welt auch im Hochsommer leise und ein ganzes Stück gelassener als am übrigen See. Hier macht der Fernverkehr einen großen Bogen um die Region – und man sieht von fast überall das gegenüberliegende Ufer.
Mit heute rund 3200 Einwohnern ist und war seit jeher ein Ort, der Künstlern zur Heimat wurde. Im Dritten Reich flüchteten etliche Maler, deren Kunst als "entartet" galt, auf die Höri. Erich Heckel war darunter, Helmuth Macke, Max Ackermann und Otto Dix. Im Höri-Museum mitten im Ort gibt es oft wechselnde Ausstellungen, und es werden literarische Wanderungen angeboten.
Otto Dix hat sich in seinem Spätwerk auch mit dem Bodensee und der Landschaft beschäftigt. Er wurde in den 1920er Jahren zu dem führenden Repräsentanten der Neuen Sachlichkeit. Während des Dritten Reichs verlor er als einer der ersten in Deutschland 1933 seine Professur an der Dresdner Akademie und bekam Ausstellungsverbot. Dix flüchtete mit seiner Familie ganz in den Süden und bezog 1936 ein Wohnhaus im Gaienhofener Ortsteil Hemmenhofen. Bis zu seinem Tod 1969 wohnte und arbeitete er hier.
Das Dix-Haus wurde im Juni 2013, nach umfangreicher Renovierung wieder eröffnet und ist unbedingt einen Besuch wert. Bei der Renovierung wurde eine ganz besondere Attraktion entdeckt: der Partyraum im Hause Dix – der Künstler hat auch hier beherzt zu Farbe und Pinsel gegriffen und die Wände bemalt.
Es geht ein Stück bergauf, dann auf einem schmalen Weg vorbei an netten Wohnhäusern. Die Eingangstür ist unscheinbar, nur ein Kästchen mit Broschüren verrät, dass sich hinter der Gartenmauer etwas Besonderes verbirgt. "Wollen Sie zu Hermann Hesse?" fragt der freundliche Mann am Gartentor, "ja, da sind Sie hier richtig." Mitten in dem Städtchen Gaienhofen, weit oberhalb vom Seeufer, liegt dieses Haus mit dem Charme des beginnenden 20. Jahrhunderts, umgeben von einem schönen, gepflegten Garten.
Das Haus hat Hermann Hesse 1907 von einem Basler Architekten bauen lassen, hier hat er einige Jahre seines Lebens verbracht, hier hat er seine Leidenschaft fürs Gärtnern entdeckt, hier wurden seine Kinder geboren. Heute sind Haus und Garten ein Privat-Museum, aber ein ganz besonderes. Eva Eberwein, eigentlich Biologin, hat vor elf Jahren im Gemeindeblatt von Gaienhofen eine, wie sie sagt, "verstörende" Nachricht gelesen: Hesses Domizil sollte abgerissen werden und ein paar Reihenhäusern weichen.
Das hat sie verhindert, zusammen mit ihrem Mann – Familie Eberwein hat Haus und Garten im Original-Zustand erhalten und lebt jetzt hier. Es gibt regelmäßige Führungen, aber auch an normalen Tagen, wenn die beiden Eigentümer in den Beeten arbeiten, öffnen sie schon mal ihre Gartenpforte. "Es kommen viele Besucher aus der ganzen Welt hierher, sehr viele etwa aus Korea und Japan, die dann oft ganz ergriffen sind." Es ist ein wunderschöner Garten, von Familie Eberwein und mit Hilfe einer Stiftung in Schuss gehalten und liebevoll mit Hessezitaten auf Tafeln dokumentiert. Es ist auch der Beweis dafür, dass durch das Engagement Einzelner kulturelle Werte erhalten werden können.
Auf der Suche nach weitern magischen Momenten landen wir auf der Insel Mainau. Dort erleben wir ein Fest der Farben – Blumen, soweit das Auge reicht und ein prächtiges Schloss, eingebettet in dichtes Grün. Mit 46 Hektar ist sie die drittgrößte Insel des Bodensees und wird bis heute von der gräflichen Familie Bernadotte bewohnt.
Besichtigt werden kann das hiesige Deutschordensschloss nur bei Ausstellungen oder Veranstaltungen. Doch allein mit dem Palmen- und Schmetterlingshaus, den Mammutbäumen und den immer wieder neu gestalteten Themengärten gibt es genug zu bewundern, im Südflügel befindet sich ein Café. Auch einen Bauernhof mit Alpakas, Eseln, Ziegen und Ponys gibt es zu sehen. Dazu kommt der italienische Rosengarten, rund 20.000 Pflanzen in 1200 Sorten verwandeln den Park in ein wahres Blütenmeer. In der "Gläsernen Floristik" kann man zudem den Gärtnern und Floristen bei der Arbeit zuschauen. www.mainau.de
Unsere nächste Etappe führt uns durch die Weinberge von Hagnau und Meersburg. Auch die Pfahlbauten in Unteruhldingen und die schöne Barockkirche von Birnau sind Ziele einer Tour – und alle sind sie für einen Glücksmoment wirklich bestens geeignet.
Szenenwechsel zum anderen Ende des Bodensees, ans österreichische Ufer: In Bregenz legen wir einen Kultur-Tag ein, besuchen das KUB, das örtliche Kunsthaus, das immer großartige Ausstellungen hat und schon wegen seiner puristischen Architektur von Stararchitekt Peter Zumthor einen Besuch wert ist. Man kann im Sommer zu den Bregenzer Festspielen gehen (und sollte lang vorher eine Karte reserviert haben) und einen Ausflug auf den Pfänder machen. Vom Bregenzer Hausberg aus hat man einen herrlichen Ausblick über die Stadt und den See.
Von Bregenz aus brechen wir einen Tag später zu unserer schönsten Natur-Radtour auf. Es geht von der Landeshauptstadt Vorarlbergs in Richtung Schweiz. In Hard kann man den Alpenrhein auf seinen letzten Kilometern in den See auf dem Rheindamm begleiten. Vorbei an angeschwemmtem Holz, den lärmenden Schwimmbaggern, die permanent den Kies rausholen, den der Rhein so mit sich gebracht hat, und den vielen Vögeln, die sich hier wohlfühlen, weil im Rheindelta das ganze Bodenseeufer unter Naturschutz steht.
Weiter geht’s dann entlang der Fußacher Bucht und durchs Rheinholz auf der Halbinsel Rheinspitz, quer durch den wilden Auwald, einen veritablen Urwald. 330 Vogelarten haben Biologen dort gezählt, 160 Wildbienen- und etwa 600 Pflanzenarten. Wir sehen Frösche und sogar einen Biberbau. Am Ende wird der Wald erst zur Wiese, dann erreicht man den Strand, an dem es sogar Grillstellen gibt. Hierher kommt man nur zu Fuß oder mit dem Rad, und genau darum ist es an diesen naturbelassenen Kieselstränden des Bodensees selbst an schönen Sommertagen nicht allzu voll.
Der Weg führt weiter durch Wald und Wiesen und dann bald über die Schweizer Grenze. In Romanshorn trinken wir einen Kaffee, steigen später aufs Schiff und fahren über den See nach Kressbronn und anschließend zurück nach Bregenz. Dort endlich hüpfen wir dann hinein ins Wasser. Auch wieder so ein magischer Glücksmoment – und ein guter Abschluss für einen perfekten Rad-Tag am Bodensee.
Fernradweg: Drei Länder in fünf Tagen. Die Radwege am Bodensee sind in der Regel sehr gut und auch bestens ausgeschildert. Auf dem berühmten Bodensee-Radweg radelt man rund um den See.
Meist ganz nah am deutschen, österreichischen und am Schweizer Ufer. Man kann sich dafür fünf Tage Zeit nehmen, Super-Sportliche sollen es an einem einzigen Tag schaffen, heißt es. Nachteil: Der Radweg ist so beliebt, dass an sonnigen Sommertagen wahnsinnig viel los ist, machmal so viel, dass es nervt. Aber es gibt etliche Alternativen. Zum Beispiel: "Die Höri in vier Gängen", so heißt eine Radtour, bei der man die schöne Halbinsel auf der leisen Seite des Bodensees kennenlernt und vier tolle Restaurants mit ihren Spezialitäten. Mehr Informationen unter www.gaienhofen.de und www.bodensee.eu
Bodenseewein - ein Genuss: Felchen und Wein - So richtig verwundert es nicht, dass der Wein der Bodenseeregion so ausgezeichnet mundet. Mediterranes Klima, das tags wie nachts ausgeglichene Temperaturen aufweist, und dazu die sanften Hanglagen mit Blick auf den Bodensee: Egal ob Weiß-, Grau-, Spätburgunder oder Rosé - unter solchen Umständen strengt man sich als Traube geschmacklich doch gern an. Bodenseeweine sind einfach eine Kategorie für sich. Dazu ein schlicht in Butter gebratener Felchen, ein typischer Fisch der Region - das ist ein runder Genuss.
Bregenzer Festspiele und Co: Sommer, Sonne, Festivals Rund um den Bodensee gibt es auch eine ausgeprägte Kulturszene.
Klassikfans kommen zum Beispiel in Bregenz auf ihre Kosten: Die Festspiele auf der übrigens weltgrößten Seebühne ziehen jedes Jahr tausende Zuschauer an, alle zwei Jahre gibt es ein neues Stück. Für die Saison 2018 steht Carmen auf dem Programm (18. 7. bis 19. 8. 2018). Ein weiteres Highlight in der Region ist der Jazzherbst Konstanz, der seit mehr als 35 Jahren für gute Stimmung sorgt. Ebenfalls in Konstanz startet alljährlich das Festival Rock am See – geboten wird dabei ein Programm, das die Herzen der Rock- und Hip-Hop-Fans höher schlagen lässt. Mehr dazu: www.bodensee.eu
Wo sich alles um die Kunst dreht und wo man ruhig länger bummeln sollte, wie man mal richtig gut abtaucht, welche Altstädte am romantischsten und welche Fassaden besonders schön sind – neun Orte am See, die Sie nicht verpassen sollten.
Information bei Bodensee-Tourismus: Service gibt es gute Infos zur Region und den Orten. Top auf der Website: die Rubrik "1000 Tipps" für besonders sehenswerte und spannende Dinge. Fritz-Arnold-Str. 16a, 78467 Konstanz, Info: Tel. 07531/8199350, www.der-bodensee.de