Wohnmobil-Tour am Mittellandkanal
Canale Grande

Als längste künstliche Wasserstraße Deutschlands verbindet der Mittellandkanal West und Ost. Eine Entdeckungstour entlang seiner Ufer zwischen Westfalen und der Magdeburger Börde.

Reise-Service: Mittellandkanal, Hannover
Foto: M.R.Reichel

Die Morgensonne spiegelt sich auf dem Wasser, majestätisch schiebt sich ein Lastkahn vorbei. Noch ein Schluck Kaffee auf der Terrasse des Ausflugslokals, dann machen wir uns auf, um dem Canale Grande Deutschlands zu folgen. Mit 325,3 Kilometern ist der Mittellandkanal die längste künstliche Wasserstraße der Republik. Hier, am Nassen Dreieck bei Hörstel in Westfalen, liegt am Abzweig des Dortmund-Ems-Kanals der Kilometer null. Auf gewundenen Nebenstrecken erfahren wir die Ausläufer des Teutoburger Waldes. Kommen durch Dörfer, wo die Bank unter der Dorflinde Treffpunkt ist und Pferde auf den Koppeln weiden.

Geschichte und Kultur am Mittellandkanal

In der malerischen Altstadt von Mettingen beherbergt das Postmuseum die erste preußische Briefmarke aus dem Jahr 1851, bei Westerkappeln finden wir Hünengräber aus der Jungsteinzeit. Und Bramsche-Kalkriese würdigt den Sieg von Hermann, dem Cherusker über den römischen Feldherrn Varus. Erste Pläne für den Bau einer Wasserstraße zwischen Rhein und Elbe gab es bereits 1856. Doch befürchteten die ostelbischen Bauern einen Preisverfall ihrer Produkte und blockierten im Reichstag zweimal das Prestigeobjekt des Kaisers. Wilhelm II. verschärfte daraufhin das preußische Beamtengesetz. Dass Beamte ihre eigenen politischen Ansichten hinter die Interessen der Regierung stellen müssen, hat seinen Ursprung im Streit um den Mittellandkanal.

Mensch und Natur

Nur selten folgen die Straßen dem Verlauf der von Menschen angelegten Wasserstraße. Dafür wird der Kanal von 318 Straßenbrücken überquert, die ersten Fahrgastschiffe auf dem Kanal sehen wir bei Bad Essen. Wir aber entscheiden uns für die ein Stück parallel verlaufende Westfälische Mühlenroute. Mit etwas Glück lassen sich hier auf manchem Schornstein Störche entdecken.

Vor allem in der Nähe der Städte entpuppen sich die Ufer des Kanals als Erholungsgebiete. Kanuten und Ruderer ziehen ihre Bahnen, abends gehen Angler auf Brassen und Rotaugen. Im Rhythmus der 14 Schleusen kommen die Schiffe, das langsam dahinfließende Wasser lässt keine Hektik aufkommen. Auch das patrouillierende Boot der Wasserschutzpolizei löst keine Unruhe aus. Am Morgen mischt sich das Geräusch eines Schiffsdiesels in die Träume. Der Stellplatz in Minden-Hahlen liegt direkt am Yachthafen, fast glaubt man, den übers Wasser gleitenden Kahn mit bloßer Hand berühren zu können.

Der Bau des Mittellandkanals – Ein Großprojekt

Selten forderte ein Projekt so tiefe Eingriffe in die Natur wie der Bau des Mittellandkanals. Inklusive der sieben Stichkanäle wurde eine Strecke von 392 Kilometern ausgehoben. Als in den 30er Jahren der Bau des Kanals mit Hochdruck vorangetrieben wurde, hob man zur Beschaffung des Baumaterials entlang des Streckenverlaufs unzählige Kiesgruben aus. Mittlerweile renaturiert, sind viele davon nun Naherholungsoasen, oftmals mit Campingplätzen. Zur Wasserspeisung entstanden über 250 Flusskilometer entfernt Diemelsee und Edertalsperre.

1915 wurde dann der erste Abschnitt bis Minden eröffnet. Aus dieser Zeit stammen auch die Schachtschleuse und die fast 400 Meter lange Trogbrücke zur Weserquerung. Während ein Infozentrum Einblicke in Technik und Geschichte gewährt, ist man draußen ganz nah an den Schiffen, die 13 Meter tief zur Weser herabgelassen werden. Ein Schubverband ist bis zu 185 Meter lang, auf die Besatzung kommt Arbeit zu. Müssen die Schiffe doch ständig neu vertäut werden, damit sie nicht gegen die Schleusenmauer schlagen.

Schöne Orte entlang des Mittellandkanals

Im nahen Bückeburg machen wir einen Ausflug in die Luft, nahe des neben der Residenz befindlichen Stellplatzes lockt das Hubschraubermuseum. Lohnend ist auch der Abstecher nach Wiedensahl zum Geburtshaus von Wilhelm Busch. Roter Backstein und weiß getünchte Fassaden heben sich im Schaumburger Land vom Grün der Natur ab. Seit 1916 liegt Hannover nicht nur an der Leine, sondern auch am Mittellandkanal. Ein Muss sind die im 17. Jahrhundert angelegten Herrenhäuser Gärten, die jedem Vergleich mit Versailles standhalten. Nicht weit entfernt befindet sich ein anderes Meisterwerk: Die 225 Meter lange Hindenburg-Schleuse in Anderten war 1928 die größte Binnenschleuse Europas. 22.000 Schiffe machen hier jedes Jahr fest. 40.000 Kubikmeter Wasser sorgen binnen 15 Minuten für den Ausgleich der knapp 15 Meter bis zur Scheitelhöhe des Kanals.

Vorbei an der Eulenstadt Peine geht es nach Braunschweig. Das Flair der Studentenstadt lockt zum Verweilen, doch zieht es uns weiter. Der direkte Anschluss an den Mittellandkanal trug dazu bei, das Dorf Fallersleben als Industriestandort zu wählen. Heute steht hier die daraus entstandene Autostadt Wolfsburg. Vor den Toren der Stadt lädt die Schleuse Sülfeld zum Besuch ein. Der Weg dorthin wird mit hautnah erlebbarer Technik belohnt. Hinter der einstigen innerdeutschen Grenze folgen wir der Straße der Romantik bis Haldensleben.

Zeit bleibt noch für einen Spaziergang in den barocken Gartenanlagen der Hundisburg, dann wird Kurs auf Magdeburg genommen – dem krönenden Abschluss entgegen. Mit dem Schiffshebewerk Rothensee bei Magdeburg wurde 1938 der Übergang zur Elbe geschaffen. Das nach der Wiedervereinigung errichtete Wasserstraßenkreuz schafft mit der längsten Trogbrücke Europas und zusätzlichen Schleusen Verbindungen zum Elbe-Havel-Kanal und zur Elbe.

Den besten Eindruck von diesem Jahrhundertbauwerk bekommt man hoch oben auf der Aussichtsplattform der Schleuse Rothensee. Als die Abenddämmerung hereinbricht und die untergehende Sonne das Wasser glitzern lässt, werden noch zwei Kähne an der Schleusenmauer vertäut. Wer könnte da widerstehen, dem folgenden Schleusengang zuzuschauen. Schiffchen gucken am Mittellandkanal ist einfach unschlagbar ...