Seinen VW T3-Syncro liebt Tischler Jona Siegrist über alles, der robuste Allradler ist nicht nur im Urlaub steter Begleiter. Der kantige Hannoveraner spielte auch eine Rolle in seiner beruflichen Karriere. Er hat ihn als Gesellenstück ausgebaut.
Seinen VW T3-Syncro liebt Tischler Jona Siegrist über alles, der robuste Allradler ist nicht nur im Urlaub steter Begleiter. Der kantige Hannoveraner spielte auch eine Rolle in seiner beruflichen Karriere. Er hat ihn als Gesellenstück ausgebaut.
Bereits 2013 war Jona auf seiner Suche nach einem Allrad-Bulli, zwei Jahre später erwarb er einen tapferen T3-Krankenwagen mit nur 80.000 Kilometern, um ihn sofort zum Camper umzumodeln. Die Milchglasscheiben wurden getauscht, erste Möbel aus Pappelholz eingebaut, Reisen unternommen. Mit zwei Freunden fuhr er einen harten Trip bis ans Nordkap, er umrundete die komplette Ostsee auf einer Schleife mit fünfstelliger Kilometerzahl. Er genoss das freie Leben in den schottischen Highlands, ging wandern, verliebte sich jedes Mal aufs Neue in den Regenbogen über den regennassen Klippen – und konnte sich bei all den Reisen stets auf seinen Bulli verlassen. Denn die Kombination aus Fernwehsucht und Fernweh-VW, die funktionierte bestens.
Doch bei all dem spürte Jona, dass mit dem Alleskönner aus Niedersachsen noch ein wenig mehr zu machen ist. Nicht unbedingt in Sachen Kilometer – sondern mehr im Kleinen. In der Welt der Millimeter nämlich. Denn Jona entspannte während seiner vielen Reisen im Bulli auch von seiner Arbeit als Tischlerlehrling. Und er hatte Ideen...
Denn wie es sich für einen echten Lehrling gehört, so hatte auch Jona zum Sommer 2018 ein Gesellenstück zu erschaffen, mit dem er den Beweis handwerklicher Fertigkeiten zu erbringen hatte. „Die meisten bauen dann einen Schrank oder eine Truhe, und das reicht eigentlich auch. Mir schwebte aber ein bisschen was mit richtig Alltagsnutzen vor. Also ein Camperausbau für meinen Bulli“, erinnert sich Jona, der seine Talente als begnadeter „Holzwurm“ schon bei Umbauten anderer Reisemobile aus dem Freundeskreis oder bei der Rettung eines historischen Wohnwagens, eines Hymer Eriba Familia, sinnvoll hatte einbringen können.
„Was ich da so an Ideen entwickelte, das verdichtete sich schließlich zu einem Gesamtplan, den ich eine Weile gären ließ – um ihn schließlich in meinem Syncro umzusetzen. Den für mich perfekten T3-Ausbau.“ Zum Jahresanfang 2018 wagte sich Jona dann aus der Deckung und wurde ganz offiziell bei der Innung vorstellig. Dort hatte es zwar noch nie ein solches Projekt gegeben, doch die Prüfer reckten den Daumen nach oben – und Jona hatte plötzlich ein Mammutprojekt vor der Brust.
Denn der Campingausbau sollte nicht nur zweckmäßig, funktional und robust gestaltet sein, er sollte auch die diversen Ausbildungsinhalte darstellen. „Also musste es einen ‚Schubkasten‘ ebenso geben wie eine anspruchsvolle Schwalbenschwanz-Verzapfung. All das hatte ich nun zunächst in einer Handzeichnung aus allen Perspektiven in Szene zu setzen und vorzulegen.“ Und wieder war man bei der Innung angetan vom Mut des jungen Herrn Siegrist, der nun den nächsten Schritt zu tun hatte, die Umsetzung in genormte CAD-Pläne, „nach denen jeder gelernte Handwerker meinen Ausbau fertigen können muss, ohne je mit mir geredet zu haben“. Auch solche Fertigkeiten am PC werden heutzutage verlangt: „Dass ich aber insgesamt 120 Stunden in diese Entwurfs- und Fertigungszeichnungen investieren musste, das hätte ich nicht gedacht“, meint er heute lachend, während er zur Besichtigungstour lädt.
Geradezu geschmeidig gleiten die mit schmucken Apothekergriffen versehenen Schubladen auf, statt auf metallene Scharniere setzt der Ausbau auf leicht verbreiterte Bodenplatten, die in Nuten gleiten, während einfache Schubhölzer eben jene Gleitkufen während der Fahrt sichern. „Apropos Bodenplatte“, wirft Jona in diesem Moment ein – und zieht unter dem massiven Eichenboden eine Tischplatte aus der Schiebetür heraus, die von zwei zusätzlichen Stützen derart stabilisiert wird, dass Fred Astaire wohl liebend gerne darauf gesteppt hätte. „Ja nun, im Bus selbst geht das ja nicht, ich hab leider keine Stehhöhe. Aber darauf kann ich mit meinen 178 Zentimetern verzichten“, meint Jona grinsend und verweist dafür auf den im vergangenen Sommer erstandenen Dachträger aus Alu, der stabil genug ist, um ein Dachzelt zu tragen, ein „Gästezimmer“ sozusagen.
Im Bus selbst schläft man ganz klassisch auf der umklappbaren Rückbank, die hinterste Schublade gleitet exakt über das Polster hinweg. Das – von Jona natürlich selbst – mit Eiche furnierte Pappelholz der Möbel verströmt einen ungemein warmen Charakter, der sich im Boden fortsetzt, um in den aus massivem Birnenholz gearbeiteten Körpern der Schubladen und vor allem in der ebenfalls aus Birnenholz gefügten Arbeitsplatte seine Krönung zu erfahren. Ganz oben drauf: ein aus dem massiven Stein gearbeitetes Waschbecken – den Gag konnte sich Jona nicht verkneifen. Der Wassertank fasst maximal 80 Liter, die Kompressorkühlbox derer 35, „nur einen Hersteller weiß ich nicht, ich hab sie günstig auf einer Messe als No-Name-Produkt erstanden. Ganz so dicke hab ich es ja nicht.“ Immerhin aber hat er einen Gas- und einen Spirituskocher, „ich nehme dann spontan einen von beiden mit, draußen kochen kann man mit beiden“.
Ohnedies aber ist Jona das Kochen nicht so wichtig, ein kaltes Vesper in der freien Natur ist ihm stets lieber als ein Sternerestaurant. Und so gestalten sich auch seine Reisen. Das wilde Campen an abgelegenen Orten ist der Idealfall und sein Maß für individuelle Freiheit. „Und deshalb liebe ich Schottland so sehr, hier kann ich ganze Tage verbringen, ohne Menschenmassen ertragen zu müssen“, meint er schmunzelnd.
Ertragen muss hingegen der Innenausbau die wechselnden Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse. „Das war auch noch ein spezielles Problem, weil ich das arbeitende Holz mit berücksichtigen musste“, erklärt Jona, während er eine der Schubladen herauszieht, so dass man die perfekt gefügte Schwalbenschwanz-Verzapfung sehen kann. Denn sein Campingausbau wurde in Sachen Maßhaltigkeit wie ein Schrank für eine Wohnung bewertet, obwohl er ganz andere Toleranzen zu berücksichtigen hatte. Hier musste Jona Punktabzüge in Kauf nehmen. „Die Schuber müssen halt auch im schottischen Dauerregen und bei 95 Prozent Luftfeuchtigkeit sauber gleiten. Und das tun sie, also basta!“
Wirklich zerknirscht wirkt er deshalb aber nicht: „Es hat ja trotzdem gereicht“, berichtet der Kammer- und Innungssieger (!) tiefstapelnd, wobei die Prüfer weder die Bank noch den Boden auch nur wohlwollend berücksichtigt haben, sondern lediglich die Möbelzeile. Und doch waren die Prüfer begeistert und meinten aufgrund der vielen Details, des enormen Planungsumfangs und ganz allgemein wegen der Größe des Projekts zu Jona: „Eigentlich hättest du daraus ein Meisterstück machen sollen!“ Der jedoch bleibt bescheiden: „Ein Schritt nach dem anderen. Jetzt ist das mal geschafft, jetzt mach ich erst mal Reisepläne.“ Wo es hingehen soll, das ist noch völlig offen. Und letztlich auch egal. Sein meisterhaftes Gesellenstück ist für alles zu haben.