Tonke Van XL (2022) auf VW T 6.1 im Praxistest
Ist der Kompaktcamper 97.000 Euro wert?

Der neue Tonke Van XL erscheint auf den ersten Blick vielversprechend. Doch wie schlägt er sich in der Praxis? Wir haben ihn 48 Stunden lang getestet.

Praxistest Tonke Van XL (2022)
Foto: Karl-Heinz Augustin

Auf geht’s zum 48-Stunden-Praxistest. Ich starte am Redaktionsparkplatz und mache mich auf den Weg nach Hause, um alles für einen Wochenendausflug in den Schwarzwald einzuladen. Das Ausparken auf dem verwinkelten Parkplatz geht dank Parksensoren und Rückfahrkamera leicht von der Hand.

Erster Eindruck: Sehr gut

Fahren lässt sich der VW T6.1 in der Stadt wie ein Pkw, parken und wenden nicht immer. Aufgrund seiner Höhe von 2,05 Metern passt er nur in die wenigsten Parkhäuser und durch den langen Radstand von 3,40 Meter bin ich beim U-Turn an der Linksabbiegerampel froh, dass rechts noch eine Busspur ist, auf die ich leicht ausweichen kann.

Kompakte Camper
Praxistest Tonke Van XL (2022)
Karl-Heinz Augustin
Die zweifarbige Lackierung ist auffällig.

Geräusche aus dem Ausbau, die bei vielen größeren Reisemobilen bei nahezu jedem überfahrenen Gullideckel zu vernehmen sind, gibt es beim Tonke nicht. Das spricht für eine hochwertige Verarbeitung der Möbel. Einzig das Geschirr in der Küchenzeile hinter dem Fahrersitz scheppert ab und zu. Das lässt sich aber schnell beheben, indem man zwischen die Tassen ein Geschirrtuch steckt.

Zuhause angekommen fülle ich als erstes die beiden Wasserkanister im Heck auf. Dazu einfach die Spanngurte lösen, Kanister rausheben, im Haus mit einem Schlauch auffüllen, wieder reinheben und verzurren. Der eine Kanister dient als Reserve mit klassischem Deckel, auf den anderen schraubt man einen Deckel mit integrierter Tauchpumpe, die das Wasser nach vorne zum Spülbecken in der Küchenzeile pumpt.

Praxistest Tonke Van XL (2022)
Karl-Heinz Augustin
Die XL-Version des Tonke Van hat zwei Wasserkanister an Bord, die kleinere Version nur einen.

Stauraum? Kein Problem für zwei!

Da Tonke uns den Bulli mit kompletter Campingausstattung geschickt hat, ist dieser schon mit praktisch allem bestückt, was wir benötigen – Teller, Tassen, Gläser, Besteck, Töpfe, usw. Demnach muss ich nur noch Bettzeug und Kleidung einpacken. Proviant wollen wir unterwegs noch besorgen. Der kommt später in der Kühlbox und in den Staufächern direkt hinter der Küche unter.

Praxistest Tonke Van XL (2022)
Karl-Heinz Augustin
Küchenzubehör und -utensilien kommen in den Schubladen im Küchenblock unter.

Die Bettdecke lege ich zusammengefaltet auf den hinteren Teil der Rückbank im Kofferraum. Diese könnte man auch nach oben klappen – ich finde die beiden separaten Verstauebenen aber praktischer. Das Gepäck findet unter der Liegefläche seinen Platz und die Kissen kommen in den hinteren beiden Staufächern in der Möbelzeile unter.

Alles sicher verstaut geht es los in Richtung Autobahn, auf dem Weg dorthin wartet meine Freundin Elisabeth, die ich direkt nach Feierabend mitnehme. Unser Ziel ist der Titisee im Schwarzwald.

So fährt sich der Tonke

Der Zweiliter-Diesel mit 150 PS und Allradantrieb beschleunigt von unten heraus drehmomentstark und fühlt sich in der Stadt durchaus spritzig an. Bei der Beschleunigung auf Landstraßentempo (Werksangabe 0-100 km/h in 13,5 Sekunden) und im Durchzug zwischen 80 und 120 km/h vollbringt er dagegen keine Wunder – muss er aber auch nicht.

Praxistest Tonke Van XL (2022)
Karl-Heinz Augustin
"Fährt sich fast wie ein Pkw," so die Meinung von Tester Florian Greiner.

Auf dem Hinweg ist die Autobahn relativ voll, um den Verkehr ringsum im Blick zu behalten, ist der Innenspiegel recht hilfreich. Beim Spurwechsel hilft der obligatorische Schulterblick – einen zusätzlichen Totwinkel-Warner hat der Tonke nicht an Bord.

Nach ca. zweieinhalb Stunden Fahrt kommen wir in Titisee-Neustadt an. Um noch Verpflegung einzukaufen, halten wir beim örtlichen Supermarkt. Aufgrund seiner Länge von 5,30 Meter lässt sich der T6.1 noch knapp auf normal dimensionierten Pkw-Plätzen parken. Die Front hängt bei uns allerdings schon nah an der Begrenzungsbepflanzung und die Anhängerkupplung ragt nach hinten um ein paar Zentimeter hinaus.

Praxistest Tonke Van XL (2022)
Florian Greiner
Normale Parklücken erweisen sich nicht als Problem.

Nur noch knapp fünf Kilometer bis zum Ziel. Wir haben zwei Nächte auf dem Campingplatz Bühlhof gebucht. Der Platz liegt ca. einen Kilometer entfernt oberhalb des Titisees. Die Auffahrt ist teilweise recht steil, der Bulli meistert sie aber ohne Probleme.

Umbau vom Fahrzeug zur Ferienwohnung

Auf dem Campingplatz dürfen wir uns den Stellplatz selbst aussuchen. Wir entscheiden uns für einen Wiesenplatz weiter oben, mit Blick auf den Wald. Am Stellplatz angekommen, machen wir den Tonke direkt fertig für die kommenden Tage: Wir räumen unsere Kleidung aus der Reisetasche in die Staufächer, klappen die Rücksitzbank zur Liegefläche um, holen die Klappstühle aus der Tasche an der Heckklappe, bauen den Klapptisch auf, fahren die Markise via Kurbel aus und schwingen das Küchenmodul mit einem Handgriff nach außen.

Den Beifahrersitz drehen wir um, um innen eine zusätzliche Sitzmöglichkeit zu schaffen (z.B. zum Schuhe anziehen). Damit wir im Fahrzeug stehen können, klappen wir das Aufstelldach nach oben: Sicherungen lösen, hochdrücken, fertig.

Praxistest Tonke Van XL (2022)
Karl-Heinz Augustin
Die Küchenzeile lässt sich unkompliziert nach außen drehen, sodass unter freiem Himmel gekocht werden kann.

Zum Abendessen soll es einen gemischten Salat geben. Den Tisch können wir gleich mit Geschirr eindecken, denn geschnippelt wird auf den clever ausklappbaren Arbeitsflächen der Küchenzeile. Die Tomaten waschen wir direkt im Spülbecken. Sobald der Hebel angehoben wird, fördert die Pumpe Wasser aus dem Kanister nach vorne. Der Wasserdruck ist nicht gerade stark, zum Kochtopf auffüllen, Gemüse waschen oder Zähne putzen reicht es allemal – das Geschirr spülen wir aber lieber beim Waschhaus des Campingplatzes.

Nach dem Essen wird es spätsommerlich schnell dunkel und auch deutlich kälter. Wir entscheiden uns, auf der umgebauten Rücksitzbank zu schlafen. Um Wärmeverluste durch das Aufstelldach zu vermeiden, schließen wir es lieber.

Schlafen auf der Sitzbank

Die Liegefläche unten ist länger als gedacht (125cm x 195cm) und bietet ausreichend Platz für zwei Personen. Das Polster hingegen empfinden wir als ziemlich hart.

Da wir die Rücksitze in der hintersten Position montiert haben, bildet die Klappstuhl-Tasche einen gemütlichen Übergang zur Heckklappe. Bisschen ungemütlich: Bevor man sich hinlegt muss man allerdings die Wohnraumbeleuchtung am Schalter bei der B-Säule ausmachen. Im Heck gibt es zwar die Serien-Kofferraumleuchte von VW, diese ist aber an die Starter-Batterie gekoppelt und kann nicht separat geschaltet werden.

Praxistest Tonke Van XL (2022)
Karl-Heinz Augustin
Für zwei Personen ist die Sitzgruppe als Liegefläche völlig ausreichend.

Die Bordtechnik funktioniert einwandfrei

Am nächsten Morgen begrüßt uns strahlender Sonnenschein. Wir bauen Tisch und Stühle wieder auf und setzen uns zum gemütlichen Frühstück unter die Markise. Die beiden Müslischalen spülen wir dieses Mal im bordeigenen Spülbecken. Das Abwasser landet in einem Kanister direkt unter der Spüle. Analog zum Frischwasser kann dieser einfach herausgenommen und das Grauwasser entsorgt werden – ganz ohne Rangieren über Einlassöffnungen. Nach dem Frühstück machen wir uns zu Fuß auf den Weg zum See, wo wir mit Tretbootfahren und leckerem Essen den Tag verbringen.

Abends ist es bei rund 10 Grad noch ein bisschen kälter als am Vortag. Nach dem Duschen im Waschhaus schalten wir für eine halbe Stunde die Standheizung an. Innen ist es nun angenehm warm. Sobald man die Seitentür aufmacht, ist das jedoch schnell wieder verflogen. Die Schiebetüren sind meines Erachtens ein Nachteil bei Campingbussen. Sie sind recht schwer, bilden eine große Öffnung für Kälte und Fliegen und sind ziemlich laut beim Schließen.

Gemütlich auch bei Regenwetter

Am kommenden Morgen gibt es nur ein schnelles Frühstück im Bulli, wir wollen früh los um den letzten Tag (es soll regnen) im Badeparadies Titisee zu verbringen. Wir packen also alles wieder zusammen und ziehen das Dach nach unten. Hier ist es hilfreich, wenn eine Person innen das Dach auf halber Höhe hält und die andere Person die Stoffbahnen nach innen drückt sowie darauf achtet, dass die Dachschale am Rand sauber anliegt.

Praxistest Tonke Van XL (2022)
Karl-Heinz Augustin
Bei schlechtem Wetter bietet die Sitzgruppe im Inneren ausreichend Platz.

Am Abend, nach einigen sehr entspannenden Saunagängen, wollen wir uns vor der Abfahrt nach Hause noch ein schnelles Essen kochen. Da es regnet, lassen wir die Küche im Fahrzeug und machen nur die linke Schiebetür auf. Da die Markisenkassette den Eingang ein stückweit überdacht, wird nichts vom Interieur nass. Eine kleine Gasflasche versorgt zwei Kocherflammen (inkl. Elektrozünder) mit Energie. Der Wasserdampf unseres Nudelwassers kann ungehindert durch die Seitentür abziehen.

Frisch gestärkt geht es wieder nach Hause. Die Autobahn ist recht voll. Da es Sonntag ist und keine Lkw unterwegs sind, reihen wir uns bei ca. 110 km/h in die rechte Spur ein und schwimmen mit dem Strom nach Hause.

Praxistest Tonke Van XL (2022)
Florian Greiner
Volldigital präsentiert sich das Armaturenbrett im VW T 6.1.

Der Bulli könnte zwar eine Höchstgeschwindigkeit von rund 180 km/h erreichen, am entspanntesten fährt es sich aber für mich zwischen 100 und 120 – dann können wir die Landschaft genießen und die interessierten Blicke der vorbeifahrenden AutofahrerInnen. Mit der auffälligen Zweifarblackierung waren wir auf jeden Fall zwei Tage lang ein Hingucker.

Vorteile

 Schicke Optik (Zweifarblackierung)
 Viel Platz
 Lange Liegeflächen
 Gute Stehhöhe bei aufgeklapptem Dach
 Flexible Nutzbarkeit als Alltags- und Campingfahrzeug
 Drehbare Sitze
 Gute Verarbeitung
 Stabile Verschlüsse
 Flexible Lampen
 Ausklappbare Küche mit vielen Funktionen
 Simpel gestaltetes (Ab-)Wassersystem
 Hilfreiche Assistenzsysteme
 Ausreichend Motorleistung
 Gute Sicht nach hinten via Rückspiegel und Heckscheibe
 Verstellbare Kopfstützen und Armlehnen

Nachteile

 Ziemlich teuer
 Langer Radstand
 Nicht parkhaustauglich
 Abstandsregeltempomat arbeitet teilweise ruppig
 Android-Auto-Spracheingabe funktioniert nicht
 Unteres Staufach nicht erreichbar bei aufgebauter Liegefläche
 Harte Liegefläche unten
 Schwergängige Heckklappe
 Laut-schließende Schiebetüren
 Fahrersitz umdrehen fummelig

Tonke Van XL (2022)

Basisfahrzeug: VW T 6.1
Länge/Breite/Höhe: 5,30/1,90/2,05 Meter
max. Gesamtgewicht: 3 Tonnen (Auflastung auf 3,2 t möglich)
Sitz-/Schlafplätze: 5(7)/4


Grundpreis: ab 57.500 Euro
Enthalten im Grundpreis: unter anderem Bluemotion mit Start-Stop System, Klimaanlage, Fahrer- und Beifahrerairbag, elektrische Fensterheber, Kompressorkühlbox, Küchenzeile, 3er-Schlafsitzbank, Gardinen, isolierte Bodenplatte, Frisch- und Abwasserkanister, Luftstandheizung, Aufstelldach inkl. Bettauflage, Radio, 230-Volt-Strompaket, Bordbatterie, Übergabe, TüV und Gasabnahme.

Testwagenpreis: 97.249 Euro
Testwagen-Motorisierung: unter anderem 150 PS, 6-Gang-Automatikgetriebe, 4MOTION-System, Auflastung auf 3,2 t, Rückfahrkamera, Kassettenmarkise links, Campingtisch, Campingstühle, Regenrinne, Kederleiste, Anhängerkupplung, Tonke Excellence Paket mit Nebelscheinwerfern inkl. Abbiegelicht, Multifunktions-Lederlenkrad, Multivan Dashboard, Multifunktionsanzeige, Automatische Distanzregelung ACC mit City-Notbremsfunktion, 17-Zoll-Leichtmetallräder, Reifendruck-Kontrollsystem, Navigationssystem, Digitaler Radioempfang uvm.

Fazit

Der Tonke fährt sich gut, hat viel Platz und ist mit schwenkbarer Küche, Kleiderschränken, drehbaren Vordersitzen, verschiebbarer Rückbank und Aufstelldach sehr variabel. Da wir den Raumgewinn, den der lange Radstand bringt, kaum aktiv genutzt haben, würde mir der kurze reichen – das würde ihn in der Stadt auch noch dynamischer machen. Auf Aufstelldach und Markise könnte ich persönlich ebenfalls verzichten, um den Bulli parkhaustauglich zu machen. Auf die untere Liegefläche noch eine Matratzenauflage, dann wäre der Tonke der perfekte Hybrid zwischen Alltagsauto und Reisemobil.

Für einen Urlaub mieten würde ich ihn jederzeit wieder, zum Kauf wären mir rund 97.000 Euro für einen kompakten Kastenwagen allerdings zu viel.