„Mich traf fast der Schlag“ – wie ein Camper beim TÜV fast 4.000 Euro zu viel bezahlte

Teure Werkstattrechnung beim TÜV
„Mich traf fast der Schlag“

ArtikeldatumVeröffentlicht am 02.11.2025
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Werkstatt, HU, TÜV
Foto: makasana via GettyImages

Eines vorweg: Wir haben die Beteiligten dieser Geschichte anonymisiert. Es soll nicht der falsche Eindruck entstehen, dieser Report wolle Servicewerkstätten in Verruf bringen. Wir kennen genug positive Beispiele, in denen sich Betriebe mit Kundennähe, Engagement und gutem Service ausgezeichnet haben.

Dass man das allerdings nicht automatisch voraussetzen darf, zeigt der folgende Fall. Sämtliche Dokumente dazu liegen der Redaktion vor. Dieser Bericht soll Reisemobilfahrerinnen und -fahrer sensibilisieren, nicht jeden Kostenvoranschlag – der einen ob seiner horrenden Höhe überrascht – als unvermeidliches Übel hinzunehmen. Vergleichen Sie Angebote. Holen Sie die Einschätzung einer zweiten Werkstatt ein, wenn der Umfang von Servicearbeiten und die dafür aufgerufenen Kosten Ihnen unrealistisch hoch vorkommen.

Unerwartete Diagnose in der Fachwerkstatt

Bei seinem Campingbus steht wieder einmal die Hauptuntersuchung an. Gewissenhaft hat der Besitzer alle Serviceintervalle eingehalten und sämtliche Inspektionen in einer Fachwerkstatt durchführen lassen. "Schon bei der letztjährigen Inspektion wurde mir gesagt, dass die Lager an den Blattfedern porös seien und bald erneuert werden müssten. Mit einer teureren Reparatur sei zu rechnen", erinnert er sich.

Er bringt den Bus also zur HU in die bekannte Werkstatt in seiner Nähe. Kurze Zeit später kommt eine WhatsApp-Nachricht: "Bei der Durchsicht wurden mehrere rissige Lager festgestellt. Die Lager an Blattfedern und Querlenkern müssen erneuert werden." Ohne Reparatur – kein TÜV. Das Fahrzeug soll er vorerst wieder abholen, da die Teile bestellt werden müssen. Sobald sie da sind, könne man einen neuen Termin vereinbaren. Beigefügt: ein Kostenvoranschlag.

Schock über den Kostenvoranschlag

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Beim Blick auf die Kalkulation trifft ihn fast der Schlag: über 4.000 Euro! Zwei komplette Querlenker zu je über 600 Euro, zwei Blattfedern für mehr als 2.000 Euro und natürlich eine ordentliche Summe für Arbeitszeit. "Mir war nicht wirklich klar, was diese teuren Teile mit den rissigen Lagern zu tun haben sollen", sagt er rückblickend.

Also greift er zum Telefon und fragt nach, warum man die Lager nicht einfach tauschen könne. Die Antwort: Dafür brauche man eine spezielle Presse, die man nicht besitze – deshalb müssten die kompletten Komponenten getauscht werden. Er könne aber gern selbst nach einer Werkstatt suchen, die über ein solches Werkzeug verfüge.

Zweitmeinung bringt Klarheit

Das lässt ihn aufhorchen. Nicht nur der Preis, auch die Haltung der Werkstatt irritieren ihn. Also fragt er bei einer kleinen freien Werkstatt in der Region an. Dort winkt man ab: "Kein Problem, wir haben die passende Presse. Aber wir schauen uns das Fahrzeug vorher lieber genau an."

Gesagt, getan. Der Techniker prüft den Unterboden und die Radaufhängung gründlich. Das Urteil: Für ein neun Jahre altes Fahrzeug ist der Zustand gut. "Die Lager sind nicht mehr neu, aber keineswegs TÜV-relevant", lautet die Einschätzung.

Der Mechaniker wundert sich zudem, dass eine Markenwerkstatt kein Werkzeug zum Ein- und Auspressen der Lager besitzt. Beim gemeinsamen Blick in die Ersatzteillisten zeigt sich außerdem: Die gleichen Querlenker und Blattfedern sind auf dem freien Markt – selbst in Originalqualität – deutlich günstiger zu bekommen.

Happy End mit Beigeschmack

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Die freie Werkstatt sieht keine Probleme, dass das Fahrzeug in diesem Zustand die Hauptuntersuchung besteht. Sie bietet an, den Bus noch einmal durchzusehen und die TÜV-Prüfung direkt zu organisieren. Der Besitzer willigt ein. Zwei Tage später klebt eine frische Plakette auf dem Campingbus. "Ich war erleichtert, als ich das Prüfprotokoll in der Hand hielt – ohne festgestellte Mängel", erzählt er.

Am Ende fallen nur die Kosten für die HU, eine Durchsicht und ein paar kleinere Servicearbeiten an und er spart rund 4.000 Euro – und eine Menge Ärger. "Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem", sagt er. "Fast hätte ich die teure Reparatur beauftragt. Man vertraut ja den Fachleuten – Sicherheit geht schließlich vor."

Zufall oder System? Die Rolle der Ersatzteilindustrie.

Ob das außerordentlich zweifelhafte Vorgehen System hat, kann hier seriöserweise nicht beantwortet werden. Systemisch ist allerdings in einigen Bereichen durchaus die Ersatzteilpolitik der Hersteller. Da wird mitunter eine ganze Baugruppe für mehrere Hundert Euro verkauft, obwohl nur ein kleines dazugehöriges Kunststoffteil im Gegenwert von ein paar Cent kaputtgegangen ist – doch einzeln gibt es das Teil nicht.

Ähnlich in diesem Fall: Angeblich defekt ist beim Wagen des betroffenen Campers nur das Lager der Blattfederaufhängung für 20 Euro, angeboten wird aber das komplette Federpaket für jeweils 1.000 Euro. Jahr für Jahr beklagen die Versicherungen, die häufig für die Schadenregulierung aufkommen, steigende Reparaturkosten. Dass Versicherungsprämien ebenfalls teurer werden, hat auch damit zu tun.