Ein privates Mietbad auf der Campingplatz-Parzelle ist wie ein VIP-Bereich fürs Zähneputzen – nur ohne Türsteher. Statt Flipflop-Marsch durchs Morgengrauen geht’s direkt von der Matratze aufs eigene WC. Dusche, Spiegel, Klobrille – alles da, alles sauber, alles zur alleinigen Nutzung.
Privatbad auf dem Campingplatz – ja oder nein?
Die einen feiern die neue Form des Komforts als zeitgemäßes Angebot. Die anderen kritisieren: Mietbäder fördern das Eigenbrötlertum, steigern Kosten und entfremden vom klassischen Campinggefühl. Ist ein privates Bad direkt an der Parzelle ein Fortschritt oder ein Rückschritt fürs Camping?
An kaum einem Thema scheiden sich die Geister unter Camperinnen und Campern so sehr wie an dieser Frage. Zwischen Naturnähe und Komfortanspruch, Gemeinschaft und Rückzug – Zwei Redaktionsmeinungen, zwei Perspektiven, ein Thema: Wie viel Privat-Bad verträgt das Camping?
Philipp Heise: Klare Kante gegen Mietbäder!
Die Campingwelt verändert sich – und nicht jede Entwicklung ist ein Fortschritt. Mietbäder auf der eigenen Parzelle versprechen auf den ersten Blick Komfort, doch sie werfen auch grundlegende Fragen auf, wohin sich Camping entwickelt. Als Fachredakteur, der sein Hobby lebt, sehe ich den Trend zu privaten Sanitärkabinen mit Sorge – und das nicht nur, weil ich am liebsten unparzelliert oder bestenfalls frei stehe beim Campen. Warum? Weil Mietbäder für mich eine Abkehr vom eigentlichen Wesen des Campings bedeuten.

Für Redakteur Philipp Heise gehört das Prinzip "Minimalismus" zum Camping dazu - das Privatbad widerspricht dem.
Verlust des Camping-Gefühls
Camping war immer mehr als nur eine Urlaubsform. Es ist ein Lebensgefühl. Es geht um Naturverbundenheit und auch um eine materielle Reduktion, die hilft, dem Alltag in einer Überflussgesellschaft zu entfliehen. Wer sich ein eigenes abgeschlossenes Bad direkt an die Parzelle mietet, grenzt sich ab. Der Schritt zur abgeschotteten Ferienwohnung im Grünen ist dann nicht mehr weit. Es entsteht ein künstlicher Komfortraum, der mit klassischem Camping wenig zu tun hat. Warum noch mit dem Freizeitmobil verreisen, wenn man sich vor Ort dann die Annehmlichkeiten eines Ferienapartments nachbaut?
Weniger Gemeinschaft
Camping lebt von Begegnung. Der morgendliche Plausch am Waschhaus, das Zähneputzen neben anderen Reisenden aus aller Welt – das sind die kleinen Momente, die verbinden. Mietbäder fördern jedoch die Abschottung. Wer alles privat hat, begegnet niemandem mehr zufällig. Der Campingplatz verkommt so zur Parzellenansammlung mit eigenem Sanitärtrakt.

Gemeinschaftsbad auf dem Camping Beerze Bulten: Hier gibt's Waschbecken für kleine und große Camper.
Höhere Kosten – für Camper und Betreiber
Mietbäder treiben die Preise hoch – für Stellplätze wie für deren Wartung. Camper, die auf diese Form der "Luxus-Parzelle" verzichten möchten, zahlen oft mit dank insgesamt höherer Gesamtpreise. Für Betreiber bedeuten der Unterhalt und die Reinigung privater Sanitäranlagen einen erheblichen Mehraufwand.
Widerspruch zur Naturverbundenheit
Camping steht für Reduktion, für bewusstes Leben in und mit der Natur. Die Errichtung privater Bäder auf jeder Parzelle wirkt diesem Gedanken entgegen: versiegelte Flächen, zusätzliche Infrastruktur, höherer Wasser- und Energieverbrauch. Und zu guter Letzt wandeln sie das optische Erscheinungsbild eines Campingplatzes stark hin zu einer Mini-Reihenhaussiedlung.
Fazit: Mietbäder mögen bequem sein – aber sie sind ein Komfort, der das Camping einen Teil seiner Essenz raubt. Statt naturnah und gemeinschaftlich wird es individuell und abgeschottet. Es entsteht eine Art Zweiklassengesellschaft, die das Knüpfen neuer Kontakte weiter erschwert. Wenn wir nicht aufpassen, verwandeln sich unsere Campingplätze schleichend in Reihenhaussiedlungen mit Urlaubsanstrich.
Sophia Pfisterer: Privates Mietbad, gönn ich mir!
Ich habe viele Nächte in Stockbetten verbracht. Habe mit Stirnlampe auf Festivals das Zelt gesucht, mit nassen Flipflops in Gemeinschaftsduschen gestanden und während Corona die Hände vor und nach dem Klogang desinfiziert. Entgegenkommende Camperinnen und Camper nickten mir zu. Es war intensiv – und irgendwie schön. Aber heute wünsche ich mir etwas mehr "Chill Pill".

Redakteurin Sophia Pfisterer hat seit neuestem keine Lust mehr, das Badezimmer zu teilen.
Seitdem ich mit kleinem Kind reise, stelle ich fest: Nicht jede Situation lässt sich mit einem Schulterzucken und einem fröhlichen "Das gehört dazu" lösen. Heute freue ich mich über Mietbäder auf der Parzelle – nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus dem Bedürfnis nach Routine und Verlässlichkeit.
Glamping ist kein Verrat an der Idee – sondern ihre Weiterentwicklung
Camping ist nicht nur wild und reduziert. Es ist das, was wir daraus machen. Ich sehe Mietbäder nicht als Abschottung, sondern als Wahlfreiheit. Glamping ist für mich der Beweis, dass Camping mitwachsen kann – mit dem Leben, mit der Familie, mit den Ansprüchen.
Wer eine atomare Windelexplosion nachts eindämmen oder einem Kleinkind (sprich: zappeligem Dinosaurier) die Zähne putzen muss, lernt ein sauberes, privates Bad zu schätzen. Und wenn ich nach einem langen Campingtag 5 Minuten ungestört mit warmem Wasser duschen kann, habe ich schlicht mehr Energie für das, was draußen zählt: das Lagerfeuer, die Natur, die Begegnung.
Gemeinschaft braucht Raum – auch Rückzugsraum
In Südspanien stand ich einmal auf einem wunderschönen Campingplatz, weitläufige Parzellen unter Bäumen, direkt am Strand. Doch irgendwas mit der Wasserversorgung war faul. Die Toiletten liefen über, teilweise waren sie so randvoll, dass wir schnell das Weite gesucht haben. Der Angestellte an der Rezeption schaute nur mitleidig: "Si, claro", sagte er, und wir bekamen unser Geld zurück. Es war schon so ein Albtraum – mit kleinem Kindosauraus rex, das alles ableckt? Der blanke Bakterien-Horror!
Die Begegnungen auf Campingplätzen gehören für mich dazu: das kurze Schwätzchen am Spülbecken, die Urlaubsfreundschaften bei den Großen wie Kleinen. Und genauso genieße ich es, abends die Tür hinter mir zu schließen – und mein Buch zu lesen. Gemeinschaft darf für mich nicht bedeuten, dass ich meinen Wunsch nach Ruhe und Rückzug komplett aufgeben muss. Gemeinschaft entsteht nicht im Mangel, sondern im geteilten Erleben – gerne draußen, gerne am Grill, aber nicht zwangsläufig in der Duschkabine.

Auf dem Camping Beerze Bulten gibt es als eine von fünf Parzellen-Kategorien Komfortplätze mit Privatbad.
Ja zu Vielfalt auf dem Platz
Nicht jeder Camper und jede Camperin ist gleich. Manche reisen minimalistisch, andere mit Komfortanspruch. Das Schöne an modernen Campingplätzen: Sie können beides. Mietbäder sind ein Angebot, kein Zwang. Das Gemeinschaftsbad wird's weiterhin geben. Vielleicht nutze ich es sogar irgendwann mal wieder.
Gleichwohl empfinde ich es als Gewinn, wenn Menschen mit besonderen Bedürfnissen – Familien mit kleinen Kindern, Senioren, Menschen mit Mobilitätseinschränkung – sich auf dem Campingplatz willkommen und wohl fühlen. Komfort ist keine Bedrohung, sondern eine Einladung.
Fazit: Mietbäder rauben dem Camping nicht die Seele – sie geben der Urlaubsform neue Möglichkeiten. Wer diesen Komfort ablehnt, soll das tun. Aber wer ihn braucht, sollte sich nicht schämen müssen. Denn wahres Campinggefühl entsteht nicht im Bad – sondern draußen, wo wir uns begegnen.