In Summe vier Millionen Euro Schaden, 54 geprellte Wohnmobilkäufer, fünf betrogene Banken, manipulierte Bilanzen und Insolvenzverschleppung – der Fall FlexiCamper ist ein wahrer Krimi. Vor der zehnten großen Strafkammer des Landgerichts München II fiel in der Vorwoche das Urteil in dem spektakulären Betrugsverfahren aus der deutschen Campingbranche. Die beiden Hauptverantwortlichen wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Im Zentrum: die 36-jährige Geschäftsführerin und Gesellschafterin von FlexiCamper und der 63-jährige faktische Geschäftsführer des Wohnmobilhandels aus Rosenheim. Ihr Unternehmen verkaufte noch Ende 2022 Wohnmobile – oder tat zumindest so. Denn die Strafkammer stellte während des Verfahrens fest, dass das Unternehmen spätestens seit 30.11.2022 zahlungsunfähig war, den Antrag auf Insolvenz in Eigenregie aber erst im Mai 2023 stellte.
Zu diesem Zeitpunkt war der Schaden längst angerichtet. Der Strafkammer zufolge handelte es sich bei den Taten nicht um Ausrutscher. Vielmehr stützte sich das kriminelle Handeln auf einen klaren Plan: "Die gemeinsam begangenen Taten beruhten auf einem gemeinsamen Tatplan, die jeweiligen Tatbeiträge waren wechselseitig zuzurechnen", erklärt die zuständige Justizpressestelle beim Oberlandesgerichts München.
Das Betrugssystem von FlexiCamper
Mit geschönten Bilanzen und manipulierten Unterlagen überzeugten sie fünf Banken von der Solidität ihres Unternehmens und erschlichen sich so Darlehn. Den Finanzinstituten entstand dadurch laut Landgericht München ein Schaden von 1,6 Millionen Euro.
Noch gravierender war jedoch der Schaden bei den Kunden, die sich ein Wohnmobil oder einen Wohnwagen bei FlexiCamper kaufen wollten. In insgesamt 55 Fällen täuschte das Unternehmen seine Handlungsfähigkeit vor, obwohl es längst nicht mehr zur Abwicklung des Verkaufsprozesses fähig war. In 54 durch selbst ahnungslose Verkäufer, einmal durch den 63-jährigen Angeklagten. Das bedeutet konkret: Fahrzeuge wurden verkauft, Anzahlungen kassiert, Liefertermine versprochen – obwohl längst keine Kapazitäten mehr vorhanden waren. In elf Fällen ließen sich die Angeklagten sogar den kompletten Restkaufpreis überweisen – mit einer gefälschten Bereitstellungsanzeige, obwohl kein Wohnmobil zur Abholung vorhanden war. Auf insgesamt 2 Millionen Euro kalkuliert das Landgericht München II den Schaden.
Am geringsten ist mit 110.000 Euro die Schadenssumme, um die drei Leasing-Unternehmen betrogen worden sind. Auf die Gesamtschulden kommen noch 500.000 Euro drauf, die der 63-jährige Angeklagte zweckwidrig aus den Finanzen der Firma entnommen hat.
Betriebswirtschaftliches Chaos statt kriminelles Kalkül
Die Strafkammer fand keinen Hinweis auf ein bewusstes Beiseiteschaffen der Gelder – abgesehen von den 500.000 Euro. Stattdessen sprach das Gericht von einem geschäftlichen Totalschaden. "Letztlich sind die Gelder in dem Geschäftsbetrieb verbrannt worden, der auf einem nicht ertragreichen Geschäftsmodell und chaotischer Buchhaltung beruhte", erklärt die Justizpressestelle des Oberlandesgerichts. Die Ursachen lagen weniger im gezielten Betrug, sondern in einer gefährlichen Mischung aus "bemerkenswerter unternehmerischer Inkompetenz", "verwegenen unternehmerischen Entscheidungen" und "Größenwahn". Bei einem Jahresumsatz von rund sechs Millionen Euro machte das Unternehmen satte drei Millionen Euro Verlust.
Die Urteile – Justiz zieht klare Grenzen
Der 63-jährige Angeklagte muss für vier Jahre ins Gefängnis, die 36-jährige Angeklagte für drei Jahre. Beide gestanden die Taten umfassend – das Urteil basiert auf einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Strafmildernd wirkten auch Kooperation und Reue der beiden. Die Kammer würdigte, dass der Ursprung des Unternehmens nicht in betrügerischer Absicht lag. Vielmehr hätten wirtschaftliches Unvermögen und ein nicht tragfähiges Geschäftsmodell zu den späteren Straftaten geführt. Beide Angeklagten verloren durch ihr eigenes Handeln zudem privates Vermögen und häuften erhebliche persönliche Schulden an. Belastend bewertete das Gericht hingegen die Folgen der Taten – allen voran den finanziellen Schaden, der in einzelnen Fällen für die betroffenen Kunden mit erheblichen persönlichen Härten verbunden war. "Die Angeklagten hätten ihre Tatpläne mit besonderer Hartnäckigkeit und über einen längeren Zeitraum verfolgt", erklärt die Justizpressestelle Oberlandesgerichts. Der entstandene Schaden – finanziell wie menschlich – sei erheblich.
Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben bis heute (18.08.25) Zeit, das Rechtsmittel der Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen. Erst dann entscheidet sich, ob das Urteil rechtskräftig wird. Da es auf einer Absprache beruht, ist die Wahrscheinlichkeit eines Widerspruchs durch eine Verfahrenspartei allerdings gering.
Kein Einzelfall im Wohnmobilhandel
FlexiCamper ist nicht der erste Fall, in dem Kunden auf leere Versprechen hereinfielen. Auch bei Camper Base meldeten sich in der Vergangenheit Dutzende Käufer, die Wohnmobile bestellten, Anzahlungen leisteten – und nie ein Fahrzeug sahen. Die Muster ähneln sich: Vorkasse, Lieferverzögerung, Insolvenz. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
In beiden Fällen spielt im Hintergrund das Vertriebsmodell in der Caravaning-Industrie eine Rolle. Denn die Hersteller liefern die Fahrzeuge selten auf Kommission. Die Händler müssen Wohnmobile und Wohnwagen vorfinanzieren und tragen die Kreditlast bis zum Verkauf – oft über lange Zeit. Bricht der Absatz ein, verzögern sich Lieferungen zu lange oder wird schlecht gewirtschaftet, ist das Geschäftsmodell ohne externe Sicherheiten kaum stabil zu halten – und damit anfällig für Missbrauch oder finanzielle Manipulationen.
Lehren für Käufer und Markt
Der Fall zeigt, wie wichtig gesunder Menschenverstand und Sicherheitsvorkehrungen beim Wohnmobilkauf sind. Wer hohe Summen im Voraus zahlt, ohne gesicherte Lieferzusage, riskiert viel. Zahlungsaufforderungen ohne Nachweis oder widersprüchliche Kommunikation sollten sofort misstrauisch machen.