Woran liegt es, dass viele Wohnmobile deutlich schwerer unterwegs sind als gedacht? Und vor allem, wie kann man Abhilfe schaffen? Auflastung heißt das Zauberwort für übergewichtige Wohnmobile.
Woran liegt es, dass viele Wohnmobile deutlich schwerer unterwegs sind als gedacht? Und vor allem, wie kann man Abhilfe schaffen? Auflastung heißt das Zauberwort für übergewichtige Wohnmobile.
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Dass die Pfunde leichter auf die Hüften gehen als zu purzeln, ist eine Erkenntnis, die Menschen und Wohmobile gleichermaßen trifft. Bei letzteren sind es oft nachgerüstete Zubehörteile, Familienzuwachs oder Sportgeräte, die noch mit sollen und die Zuladungsreserven auffressen. Manches Reisemobil ist aber bereits beim Neukauf ein kritischer Fall – wie das? Seit einigen Jahren geben fast alle Hersteller für ihre Modelle das reisefertige Leergewicht (oder Leermasse) nach Norm 1646-2 an – vom zulässigen Gesamtgewicht abgezogen, ergibt sich die Zuladung.
Doch diese Norm lässt Hintertürchen offen: Für die Gewichtsangabe etwa wird eine Toleranz von fünf Prozent eingeräumt, was bei einem mit drei Tonnen angegebenen Modell mal eben auch ein Leergewicht von 3150 Kilo bedeuten kann – ganz legal.
Schönrechnen lässt sich das Leergewicht außerdem durch kleine Tricks bei der Bordtechnik. Wenn der eigentlich 120 Liter fassende Frischwassertank eine sogenannte Fahrstellung mit lediglich 20 Liter aufweist, spart man 100 Kilo bei der Prospektangabe und wenn man statt zweier Stahl-Gasflaschen nur eine Alu-Flasche einrechnet – und den Halter für die zweite Flasche beilegt –, wächst die formale Zuladung nochmals um 30 Kilo. Zu beachten ist zudem, dass sich das Leergewicht auf den Serienzustand des Fahrzeugs bezieht.
Jegliche Sonderausstattung muss noch addiert beziehungsweise von der versprochenen Zuladung abgezogen werden. Seriöse Preislisten geben darum bei allen Optionen neben dem finanziellen Obolus auch das Mehrgewicht an. Bei manchen Extras, wie einem stärkeren und damit oft schwereren Motor oder gewissen Ausstattungspaketen, die beinahe obligatorisch mitbestellt werden müssen, fehlen die Gewichtswerte aber nicht selten.
Umsichtige Käufer kalkulieren schon vor Vertragsabschluss die Gewichtsituation durch, am besten gemeinsam mit dem Verkäufer, und lassen sich eine Mindestzuladung schriftlich zusichern. Umsichtige Hersteller wiederum wiegen jedes produzierte Fahrzeug und legen den Wiegebeleg bei.
Jeder Wohnmobilbesitzer sollte sein Fahrzeug mindestens einmal im typisch beladenen Zustand mit allen Passagieren wiegen. Manche TÜV- und ¬DEKRA-Stellen sind dafür eingerichtet, ansonsten verfügen auch Mülldeponien und Raiffeisenmärkte über entsprechende Bodenwaagen. Im Idealfall sollte dabei jedes Rad einzeln, aber zumindest achsweise gewogen werden, um nicht nur Problemen beim Gesamtgewicht, sondern auch bei den zulässigen Achs- und Radlasten auf die Spur zu kommen.
Vielen bekannt ist, dass bei Modellen mit langem Hecküberhang schnell die Hinterachse überfordert sein kann, weniger dagegen, dass manche Integrierte, aber auch Campingbusse, vorn überladen herumfahren. In solchen Fällen kann es durchaus sinnvoll sein, nur eine Achslasterhöhung anzustreben, ohne am Gesamtgewicht etwas zu ändern.
Auch Ungleichgewichte auf einer Achse sollte man nicht unterschätzen. Die Küche und die Sitzbank mit dem Wassertank sind schwere Grundrisselemente. Sind sie auf einer Seite angeordnet, kann sich daraus eine einseitige Auslastung ergeben. Die Zulassungspapiere geben Maximalwerte für die Achslasten und das Gesamtgewicht, aber auch für die Reifen vor. Die Reifentragfähigkeit wird allerdings als Lastindex hinter dem Reifenformat angegeben, der mittels einer Tabelle in Kilo übersetzt werden kann. Bei der Felge muss der Wert aus den technischen Daten des Herstellers herausgelesen werden.
Die Analyse der Gewichtssituation ist also der Ausgangspunkt jeglicher Auflastungsüberlegungen. Um den Weg und damit passende Maßnahmen zu definieren, sollte als Nächstes das Ziel festgelegt werden. Geht es rein um die Zuladung, lohnt es sich eventuell zu prüfen, ob eine Auflastung ohne technische Veränderungen möglich ist. Bei älteren Ducato (bis Typ 244) war dies häufiger der Fall. Bei neueren Fahrgestellen kann manchmal statt der 3,5-t- auch eine 3,65-t Zulassung gewählt werden. Für die meisten Auflastungen müssen aber Modifikationen am Fahrwerk vorgenommen werden, die oft noch andere Auswirkungen haben.
Welche Maßnahme für welchen Zweck geeignet ist, zeigt die Tabelle im PDF. Häufig führt aber nur eine Kombination mehrerer Maßnahmen zum gewünschten Erfolg. Eine Vollluftfeder kann zur Auflastung dienen, den Fahrkomfort erhöhen und das Heck nivellieren, muss aber meist durch einen verstärkten Stabilisator ergänzt werden, um das Wanken im Zaum zu halten.
Systemanbieter wie vor allem Goldschmitt können auf der ganzen Klaviatur der Fahrwerksoptimierung spielen, weil sie auch innerhalb einer Maßnahme noch Abstufungen für die Feinabstimmung verfügbar haben. An einer individuellen Beratung führt kaum ein Weg vorbei, um die Vorgaben des Fahrzeugs, die möglichen Maßnahmen und die persönlichen Wünsche in Einklang zu bringen. Auch für ältere Schätzchen, exotische Basisfahrzeuge und andere Sonderfälle lohnt eine individuelle Anfrage, am besten mit beigefügter Kopie des Zulassungsscheins.
Allerdings werden die Auflastungsmöglichkeiten mit jeder neuen Fahrzeuggeneration zunehmend eingeschränkt. Aktuelles Beispiel ist der 2014 erneuerte Fiat Ducato. Auch wenn sich bei dem größeren Facelift am Fahrwerk selbst kaum etwas verändert hat, macht der Einsatz einer neuen ESP-Generation eine erneute Zulassungsprüfung mit erhöhtem Testaufwand nötig. Die steigenden Kosten sorgen dafür, dass weniger gängige Varianten wegfallen oder kleinere Anbieter ganz aussteigen. Bei den Varianten von SMV soll die Freigabe in den nächsten Monaten folgen.
Den absoluten Spitzenwert für die Auflastung eines aktuellen Fiat Ducato mit Alko-Chassis und Einzelhinterachse vermeldete übrigens kürzlich Goldschmitt. 4,8 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht und maximal 2300 Kilo vorn sowie 2700 Kilo hinten sind möglich mit verstärkten Schrauben- oder Vollluftfedern an der Vorder- und Zusatz- oder Vollluftfedern an der Hinterachse. Zudem müssen spezielle Leichtmetall-Felgen mit einer Tragfähigkeit von 1350 Kilo montiert und entsprechende Reifen (225/75 R 16 C, Lastindex 121) aufgezogen werden. Auch bei allen übrigen Auflastungen gilt es stets zu prüfen, ob Reifen und Felgen tragfähig genug sind. Zu bedenken ist schließlich, dass eine Auflastung noch ganz andere Folgen nach sich ziehen kann, besonders wenn dabei die 3,5-Tonnen-Grenze überschritten wird. Viele Regelungen ändern sich – Tempo-, Überhol- und Parkvorschriften sowie Mautgebühren. Aber vielleicht reift dabei auch die Erkenntnis, dass man mit einem – legal – molligeren Mobil einfach gemütlicher unterwegs ist und die Reise mit allen Facetten umso intensiver erlebt.