Eine Wohnung? „Nein“, sagt Ben Wawra über das Knistern des Lagerfeuers hinweg. „Der Gedanke an eine normale Wohnung macht mich gerade nicht an.“ Dann sieht er rüber zu seinem Spacecamper-Bus mit Hochdach und meint: „Ist doch auch ganz kuschelig, meine Wohnung. Außerdem steht sie immer in der Lage, die ich gerade bevorzuge.“ An diesem Nachmittag wohnt Ben Wawra, einer der beiden Chefs des T5-Umbauers Spacecamper, direkt am Rhein. Rechts ein kleiner Sandstrand, gleich vorne der Fluss, breit und träge fließend. Und morgen? „Keine Ahnung“, gibt Ben zurück. „Mal sehen, was sich ergibt.“
Seit einem Jahr hat Ben Wawra einen festen Wohnsitz nur noch im Sinne einer Meldeadresse. Seit einem Jahr lebt Ben im Bus. Weil er das so möchte und weil er dabei natürlich eine ganze Menge darüber lernt, wie praktisch die Autos ausfallen, die er und seine Kollegen auf VW-T5-Basis für Alltag, Arbeit, Sport, Reise und Freizeit ausbauen. Ein Handgriff an der Rückbank reicht, um Bens Wohnraum in ein Schlafzimmer zu verwandeln. Ein Griff zum Laptop auf dem Schrank und dem Spanngurt, mit dem sich die Matratze im Rückenbereich aufrichten lässt, und das Schlafzimmer ist Büro.
Machbar ist vieles auf ein paar wenigen Quadratmetern. Der Raum im VW-Bus ist knapp, doch die Räume, die das eröffnen, sind groß und weit. Und im Einerlei des Alltags kaum zu entdecken, weil sie unter Gewohnheit, Bequemlichkeit und Befürchtungen versteckt liegen. Das sagt Ben Wawra nach seinem Jahr Leben im Bus nicht wörtlich so. Aber es schwingt mit in jedem seiner Sätze. Zum Beispiel diese hier: „Ich habe immer versucht, neue Plätze zu finden, wie ein Entdecker. Ich wollte nicht am Ende die meisten Nächte neben der Firma gestanden haben.“
Mit einem VW-Bus birgt jeder Parkplatz ein Abenteuer
„Also bin ich in Wohngebiete, habe vor Kneipen und Kinos die Nächte verbracht, auf Waldparkplätzen, in Weinbergen, hier am Rhein oder auch neben der Schule der beiden Kinder. Ich habe spektakulär schöne Plätze gleich um die Ecke und das Abenteuer direkt vor der Haustür gefunden. Außerdem eine Gastfreundschaft, die man so in Deutschland gar nicht erwartet.“
Aus dem engen Zwischenraum von Spüle und Kühlschrank ragt der Griff eines Keramikmessers hervor, unter der Spülenabdeckung heftet sich das gesamte Besteck – fünf Löffel, zwei Gabeln, ein Messer – an eine Magnetschiene. Das Badezimmer passt in eine Hängetasche hinter der Fahrersitzlehne, und unter der Bank teilt sich eine Taschenlampe die Schublade unter anderem mit zwei Apfelsinen, einer Flasche Weißwein und einem Schraubenzieher. Kein Spalt bleibt leer, keine Ablage ungenutzt. Die Ordnung mag unkonventionell sein. Aber: Sie hat eine Logik, ist durchdacht und funktional. Darauf kommt es an. „Es ist am Anfang nicht so leicht ein System zu finden, mit dem du zurechtkommst. Aber wenn man mal auf ein paar Kniffe und Tricks gekommen ist, macht es Spaß. Die Freude nimmt zu“, sagt Ben. Und dann ist Ordnung halten sogar viel leichter als in einer großen Wohnung. „Erstens hast du hier nicht so einen Haufen unnützen Krempel. Zweitens kommst du nicht in Versuchung, nachlässig zu werden, weil du sofort die Konsequenzen zu spüren bekommst.“ Das diszipliniert – und gilt nicht allein fürs Thema Ordnung. Seit der Zeit im Bus ist Ben Wawra auch regelmäßiger im Fitness-Studio als früher. „Klasse Duschen und Wellness-Angebot. Das passt.“
Oft haben Lara und Jan Hardy ihren Vater im Bus besucht und sind über Nacht geblieben. Sogar extrem gerne, weil einen der enge Raum im Bus näher zusammenbringt. In einer Wohnung gelingt es, sich aus dem Weg zu gehen, im Bus nicht. Also beschäftigt man sich ganz anders miteinander, viel aufmerksamer. Das tat den Kindern genau so gut wie ihrem Vater.
„Du tust einfach mehr“, sagt der, „und konsumierst weniger. Du schaffst dir Unterhaltung, statt sie dir servieren zu lassen. Das belebt.“
Wenn der Chef im VW-Bus lebt, profitieren auch die Kunden
Auch den Kunden kommt der Selbstversuch zugute. Eine Heckklappen-Abdeckung mit Mückennetz hat Ben entwickelt, eine Schublade, unter der sich lange Sachen wie Paddel oder Surfboard durchladen lassen, sowie zwei schlanke Taschen, die sich unauffällig hinter die Vordersitze kuscheln und als kleine, mobile Küchenschränke fungieren. Außerdem hat der Spacecamper-Chef eine Menge Zubehör im Bus-Alltag probiert. Zum Beispiel? „Ein Sitzkissen, das Fehlhaltungen ausgleicht – grandios, weil man oft nicht ganz eben parkt. Und Urinflaschen“, sagt Ben. „Hört sich vielleicht komisch an, aber du merkst: Für alle Bedürfnisse und Notwendigkeiten finden sich Lösungen.“ Eben auch für manche zutiefst menschliche.