Westfalia Columbus 640 E (2024) im Test

Westfalia Columbus 640 E (2024) im Test
Kastenwagen mit Liner-Flair

Veröffentlicht am 08.06.2024

Das Bedienpanel für die Bordtechnik ist so ziemlich das beste, was es gibt. Es ist intuitiv zu bedienen, gut ablesbar und zeigt nicht nur Füllstände von Batterie und Wassertanks an, es steuert auch den Kühlschrank, die Heizung und sogar die Lichttemperatur und -intensität. Es stammt von Dometic und ist für den Columbus angepasst. Es hat eine praktikable Größe, reagiert wie eine Handyoberfläche – man könnte fast sagen: Die Konnektivität ist mit diesem Gerät in der Wohnmobilbranche wirklich angekommen. Herzlichen Glückwunsch.

Das passt zu einem Columbus, dem Topmodell auf Ducato-Basis von Westfalia, dem Hersteller, der für sich gern reklamiert, der Erfinder des Campingbusses zu sein. Was so nicht stimmt, aber auch nicht ganz falsch ist. Westfalia ist heute in französischer Hand, baut für Ford den Nugget und für Mercedes den Marco Polo, hat aber auch einige Modelle, die unter eigener Flagge laufen und in Gotha gefertigt werden. Der Columbus ist einer der hochwertigsten Ducato-Ausbauten auf dem Markt. Es gibt ihn in drei Längen: 5,41, 5,99 Meter und den hier getesteten 640er in (beinahe) Vollausstattung. Dass er damit auf über 100.000 Euro kommt, mag erstmal irritieren, doch die Wahl der Überschrift kommt nicht von ungefähr.

Westfalia Columbus 640 E

  • Grundpreis ab: 69.390 Euro
  • Länge/Breite/Höhe: 6,36/2,05/2,60 m
  • Zul. Gesamtgewicht: 3.500–4.250 kg
  • Gurte/Schlafplätze: 4/2–3
Westfalia Columbus 640 E (2024) f
Andreas Becker

Seine Ausstattung mit Dingen wie Diesel-Warmwasserheizung (inklusive Fußboden!), lederbezogenen Sitzen oder dem Zusatzbett vorn sind der Reihenfolge nach neueste Technik, edel oder so gut wie einzigartig. Auch die Verarbeitung ist auf einem Fertigungsniveau, das man in der Branche in den letzten Jahren öftermal arg vermisst hat. So sind beispielsweise die Oberschränke einzeln mit jeweils eigenen seitlichen Seitenwänden abgeschlossen und zum jeweils nächsten und dessen eigener Seitenwand formschlüssig verbunden, was zur Stabilität und damit zur Geräuscharmut und Langlebigkeit enorm beiträgt.

Vorbildliches Stauraumkonzept

Die genannten Oberschränke sind zudem großzügige 40 Zentimeter tief, womit sie als Stauschränke ihrer Funktion voll gerecht werden. Anders gesagt: Ein klassisch zusammengelegter Pullover lässt sich der Länge nach in das Fach legen. Kleiner Nachteil der 40 Zentimeter: Auf dem Bett sitzend, ragen die Oberschränke entsprechend weit in den Raum hinein, was die Kopffreiheit an der Stelle seitlich minimal einengt.

Westfalia Columbus 640 E (2024) f
Andreas Becker

Das Stauraumkonzept des Columbus ist unscheinbar, aber es geht voll auf. Zum einen beherbergt der Columbus genügend Dachstauschränke. Zum anderen findet sich noch ein Kleiderschrank mit Stange rechts neben dem Küchenblock unter dem Bett. Nicht wirklich hoch genug für mantelähnliche Jacken, aber es gibt einen abgeschlossenen Ort für Klamotten auf Kleiderbügeln. Und dazu noch einen offenen im Schlafraum – da gibt es eine Kleiderstange für längere Jacken, nur eben im Sichtbereich.

Den meisten Stauraum gibt es im Heck – und zwar Westfalia-typisch auf ganzer Breite. Was das heißt? Nun, bei den meisten Kastenwagen sind links und rechts entlang der Seitenwände Technikkästen mit Wassertanks und Gasflaschen platziert. Im Columbus ist ein ordentliches Stück im Heck auf voller Breite des Ducato-Laderaums verfügbar. Und bei Bedarf sogar bis zu den Hängeschränken.

Westfalia Columbus 640 E (2024) f
Andreas Becker

Das geht, weil die Längsbetten ungewöhnlich konstruiert sind. Sie bestehen aus drei Hauptmodulen und einem Zusatzbrett, um die Lücke zwischen den Einzelbetten zu schließen. Das Kopfteil der Einzelbetten besteht quer aus einem Stück und lässt sich nach oben klappen. Auch während der Fahrt. So lassen sich quer im Heck ein oder, je nach Puzzle-Talent des Beladenden, auch zwei Fahrräder transportieren. Kommt natürlich auch auf die Räder an, ob man gegebenenfalls das Vorderrad ausbauen oder den Lenker drehen muss.

Praktische Details in Küche und Bad

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Andreas Becker

Aber vor dem Radeln darf gefuttert werden. Essen gibt es in der Küche. Der Kühlschrank ist vorne am Küchenblock platziert, und dessen Tür lässt sich beidseitig öffnen. So weit, so bekannt und bewährt – man kommt eben von innen wie von außen an den Inhalt.

An sogenannter Schnippelfläche gibt es nicht allzu viel. Trotzdem gibt die Kochstelle alles her, um leckeres Essen zuzubereiten. Zwei Spots machen Licht von oben, der mittelgroße Herd und das Spülbecken passen für den normalen Kochalltag. Angenehm sind vor allem die drei tiefen Schubladen, in die auch normal hohe Töpfe hineinpassen, und richtig gut sind die drei Korbauszüge an der rechten Seite. Die sind einfach ultimativ praktisch. Punkt. Schön ist, wie sauber die Schubladen rollengelagert in ihren Auszügen laufen und soft schließen und wie liebevoll die Kante der Arbeitsplatte angephast ist, das trägt alles zum Liner-Feeling bei.

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Andreas Becker

Die schlichte Sachlichkeit im Bad findet ihre Entsprechung in ihrer Funktion. Kunststoff-Formteile bilden die Grundlage für die Ablagelandschaft sowie Übergänge zur Toilette und Duschwanne. Sauber gezogene Dichtmasse schließt wasserfest zur Wand hin ab. Ein kleines Ausstellfenster und eine recht große Dachluke sorgen für Frischluft. Dazu gibt es einen Warmluftausströmer in Po-Höhe. Ob das hilft? Die Temperatur im Bad jedenfalls lässt sich unabhängig von der im Wohnraum steuern.

Es gibt sicher Bäder, die Vielduschern mehr Platz bieten, etwa mittels verschiebbarer Toilette oder schwenkbarer Waschtischwand. Nur: Das erkauft man sich meist mit Nachteilen wie mangelnder Abdichtung oder mechanisch anfälligen Bauteilen. Die detaillierte Aus- wie Verarbeitung und damit Konzentration auf die Funktionalität fügt sich in das Columbus-Konzept. Im Detail findet sich das auch im Türschloss wieder. Die sind bei Kastenwagen selten so wertig ausgelegt.

Einzelbetten plus optionales Zusatzbett

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Auch bei Nacht spielt der Columbus seine Trümpfe aus. Hinten gibt’s zwei große Einzelbetten mit unterschiedlichen Längen, mittels Zusatzbrett entsteht eine Schlaflandschaft. Das rechte Bett ist grandiose 230 Zentimeter lang. Links sind es immerhin noch rund 185. Mit dem Zusatzbrett in der Mitte kommt man auf eine Liegebreite von 197 Zentimeter.

Schlafkomfort ist immer individuell zu bewerten, aber die Kaltschaummatratze mit Meshgewebe und eine Unterstützung durch Federelemente sollte den meisten ein gutes Fundament für einen angenehmen Schlaf bieten. Was im Schlafraum so ein wenig fehlt, sind Ablagen. Klar, es prangt eine Batterie an Dachstauschränken über einem, aber ein, zwei offene Ablagen für ein Buch oder Telefon wären noch nett. Die kleinen Fächer in der Verschalung der C-Säule können das Defizit nicht wirklich kompensieren.

Westfalia Columbus 640 E (2024) f
Andreas Becker

Eine der Spezialitäten des Hauses Westfalia ist das optionale Zusatzbett, das vorn aus der Rückbank entsteht. Das gibt es schon einige Jahre im Programm, und es zeigt sich technisch ausgereift. Zum Aufbau ist es aber gut, wenn man weiß, wie es funktioniert. Auch wenn der Klappmechanismus gut handhabbar ist, der Platz für den Aufbau zwischen dem gedrehten Fahrersitz und der Badwand ist knapp bemessen. Dann aber entsteht ein respektables drittes Bett mit rund 180 mal 90 Zentimetern. Da kann man schon mal drauf pennen – vor allem als Enkel.

Technik

Die Bordtechnik ist vor allem von der Art und Weise des Heizens geprägt. Warm macht hier keine klassische Gasgebläse-Heizung, sondern eine Warmwasserheizung, ähnlich wie man sie von zu Hause her kennt. Warmes Wasser wird in einem Boiler erhitzt und über Leitungen zu den Heizkörpern (Konvektoren) gepumpt, über die es seine Wärme abgibt. Soweit ein bekanntes Prinzip bei hochwertigen Reisemobilen, aber im Columbus dient als Treibstoff nicht Gas, wie üblich, sondern Diesel.

Westfalia Columbus 640 E (2024) f
Andreas Becker

Die Hydronic von Eberspächer bedient sich aus dem Dieseltank des Fahrzeugs und kann mit bis zu 5 kW heizen. Das Gefühl der Wärme und der Wärmeverteilung im Columbus vermittelt Liner-Feeling in einem Van. Die Wärme ist gleichmäßig und angenehm. Bei Bedarf lassen sich auch noch Ventilatoren hinter den Konvektoren zuschalten, dann wird es schneller warm. Als großes I-Tüpfelchen sind zudem Warmwasserschläuche im Boden verlegt – als Bodenheizung –, was dem Raumklima und den kalten Füßen zugutekommt.

Nur zum Kochen wird Gas benötigt. Die Gasflasche befindet sich unter dem linken Einzelbett in einem Kunststoff-Flaschenbehälter, auch so eine Westfalia-Eigenheit. Um die Flasche zu tauschen, wird das Kopfteil der Betten hochgeklappt und das ganze Bett nach hinten geschoben – ebenfalls markentypisch: viel technischer Aufwand, nur um an die Gasflasche zu kommen. An dieser Stelle schießt das ingenieurige Homo-Faber-Denken etwas übers Ziel hinaus...

Westfalia Columbus 640 E (2024) f
Andreas Becker

Wenn man unter dem Panorama-Dachfenster sitzt und gezogen vom kräftigen Drehmoment des Vierzylinders seinem Ziel entgegen brummt und sich auf den Abend mit der Fußbodenheizung freut, ist das aber ganz egal.

Daten und Messwerte

  • Auf- und Ausbau: Stahlblechkarosserie mit Serienhochdach, Isolierung Wand/Dach/25–30 mm, Boden 30 mm, Bodenpodest Höhe 120 mm, 4 Kunststoff-Isolierfenster mit Alu-Rahmen, 3 Dachhauben, 1 Panorama-Dachfenster.
  • Bordtechnik: Diesel-Wasserheizung/Boiler 5 Konvektoren (1 x Sitzgruppe, 1 x Beifahrersitz, 1 x vorderer Gang, 1 x Bad, 1 x Heckstauraum), Fußbodenheizung, beheizte Duschtasse.
  • Basisfahrzeug: Fiat Ducato, Vorderradantrieb, Vierzylinder-Turbodiesel, Hubraum 2184 cm3, Leistung 132 kW/180 PS bei 3500/min, Drehmoment 150 Nm bei 1500/min, Neungang-Automatikgetriebe.
  • Fahrleistungen: Beschleunigung 0–50/80/100 km/h 6,3/12,0/17,5 s; Wiederbeschleunigung 60–80/ 100 km/h (Automatik) 4,5/10,5 s, Testverbrauch 10,2 L/100 km.

Preise und Ausstattung

Grundpreis: 69.390 Euro

(Fiat Ducato 35 L, Motor 104 kW/140 PS) mit TÜV und Zulassungsbescheinigung II

Testwagenpreis: 100.115 Euro

  • ✘ 180-PS-Motor/4,25-t-Chassis (40 kg): 9.085 Euro
  • ✘ Columbus-Premium-Paket (u. a. Außendusche warm/kalt, Sitzheizung beide Sitze, Winterpaket inkl. beheizter Abwassertank, Isolierung von Heck- und Schiebetür, zusätzlicher Konvektor im Fahrerhaus, Fußbodenheizung mit beheizter Duschtasse) (1 kg): ✔ 3.550 Euro
  • ✘ Ledersitze Fahrer und Beifahrer (12 kg): ✔ 3.200 Euro
  • 2 zusätzliche Fenster in den Hecktüren (5 kg): ✔ 459 Euro
  • Großes Dachfenster im Wohnbereich (1 kg): ✔ 499 Euro
  • ✘ 2 Lautsprecher im Fahrgastraum: 179 Euro

✘ im Testwagen enthalten; ✔ empfehlenswert

Das fiel uns auf

 Wer das nicht kennt: Das ist ein Warmwasserheizkörper. Macht unglaublich angenehme Wärme.
 Die Steuerung der Sitzheizung ist an der Gurtschnalle. Zweistufig.
 Die Lichtstimmung im Van mit Panoramafenster und großer Dachhaube macht gute Gefühle.
 Nettes Detail ist die etwas andere Besteckschublade, die auch von der Sitzgruppe aus zugänglich ist.
 Die Schließe: die Badtür mit Edelstahlverschluss, Kunststoffschieber und Zuziehhilfe – macht was her.

  Sehr hochwertiges Rahmenfenster, lässt sich aber nur so weit wie abgebildet ausstellen.

Wertung

maximal 5 Punkte möglich/ Maßstab: Campingbus mit Bad

  • Wohnen: 3,9 Punkte
  • Beladen: 4,2 Punkte
  • Technik: 4,0 Punkte
  • Fahren: 3,8 Punkte
  • Preise und Service: 3,3 Punkte