Patentstreit um Fibre Frame: Knaus Tabbert kämpft gegen Rückruf von Deseo und Azur

Patentrechtsstreit um Knaus Fibre Frame
Müssen Camper ihre Wohnwagen zurückgeben?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 03.10.2025
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Knaus Travelino Magic Window
Foto: Philipp Heise

Fibre Frame Leichtbau-Wohnwagen waren einst der Innovationsträger, mit dem Knaus Tabbert ab 2017 den Markt erobern wollte. Nur acht Jahre später sind alle Modelle mit der Technologie aus dem Portfolio verschwunden. Die Gründen dafür sind unklar. Sicher ist, dass sich Knaus Tabbert in einen Patentrechtsstreit um die Fibre Frame Technologie verstrickt und diesen in erster Instanz verloren hat. Im Urteil der Lokalkammer Düsseldorf des Einheitlichen Patentgerichts vom Mai 2025 ist sogar ein Rückruf aus den Vertriebswegen angeordnet. Knaus Tabbert hat zwar Berufung eingelegt. promobil erklärt aber, was es für Camper, Händler und die Caravaning-Industrie bedeuten würde, sollte das Urteil vor der Berufungskammer des EPG in Luxemburg bestehen, und warum es patentrechtlich ein Meilenstein wäre.

Wohnwagen Deseo und Azur vom Patentstreit betroffen

Die Kläger, die YellowSphere Innovations GmbH und Erwin Härtwich, werfen Knaus Tabbert vor, ihr europäisches Patent unerlaubt genutzt zu haben. Dieses betrifft einen Rahmen für Fahrzeuge mit Strukturteilen aus Schaumharz, die in Gussformen hergestellt und mit einer Schutzschicht versehen werden. Härtwich und Alexander Christ, Geschäftsführer von YellowSphere, hatten als Erfinder zunächst im Auftrag von Knaus Tabbert an der Entwicklung eines Leichtbaurahmens für den Wohnwagen Knaus Travelino gearbeitet. Das Ergebnis war aufseiten von Knaus Tabbert die Fibre-Frame-Technologie und für Härtwich und YellowSphere besagtes Patent (EP 3 356 109 B1) auf das Herstellungsverfahren dafür. Im Nachgang konnten sich die beiden Parteien nicht auf einen Lizenzierungsvertrag über den Travelino hinaus einigen. Knaus Tabbert stellte mit einem abgewandelten Verfahren jedoch weiter Wohnwagen mit Fibre-Frame her – ab 2018/19 den Knaus Deseo und ab 2022/23 den Oberklasse-Wohnwagen Knaus Azur. Genau diese beiden Modelle lösen den Patentstreit aus.

Im Kern schützt das Patent EP 3 356 109 B1 ein Herstellungsverfahren für Strukturteile, die aus einem selbstaufquellenden Schaumharz bestehen und in einer Gussform ihre dreidimensionale Form erhalten. Die Schutzschicht, die teilweise außen aufgebracht wird, dient der mechanischen Festigkeit und Oberflächenqualität. Strittig war vor Gericht unter anderem, ob die von Knaus Tabbert eingesetzten Bauteile – trotz abweichender Herstellungsschritte – unter den Schutzbereich des Patents fallen. Die Lokalkammer Düsseldorf des EPG bejahte dies im Mai 2025 mit Verweis auf sogenannte Product-by-Process-Ansprüche. Entscheidend ist dabei nicht das konkrete Herstellverfahren, sondern das technische Ergebnis und die Eigenschaften des Endprodukts. Ob die Schutzschicht zum Beispiel in einem oder zwei Gussvorgängen aufgebracht wird, spielt demnach für den Patentschutz keine Rolle, wenn das fertige Bauteil dieselben Merkmale aufweist.

Rückruf nur vom Händler, nicht vom Kunden

In der Urteilsbegründung sind die Patentrichter deutlich: Knaus Tabbert darf keine Wohnwagenmodelle, bei denen gegen das Patent verstoßen wird, weder weiter herstellen noch vertreiben – im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, der Italienischen Republik und der Republik Slowenien. Das Unternehmen wird zu verschiedenen Schadensersatzzahlungen verpflichtet, die im schriftlichen Urteil noch nicht exakt beziffert sind. Bereits hergestellte Fahrzeuge müssen aus den Vertriebswegen zurückgerufen, entfernt und, sofern im Besitz der Firma, vernichtet werden. Knaus Tabbert hat dagegen Berufung eingelegt, weshalb die Anordnungen bisher nicht rechtskräftig sind.

Was ist das Einheitliche Patentgericht (EPG)?Das Einheitliche Patentgericht (engl. Unified Patent Court, UPC) ist ein gemeinsames europäisches Gericht für Patentstreitigkeiten. Es entscheidet zentral über Verletzung und Gültigkeit europäischer Patente – mit einheitlicher Wirkung in den teilnehmenden Staaten. Zu den größten Mitgliedsländern zählen Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande und Belgien. Die Hauptsitze befinden sich in Paris und Luxemburg, wo auch die Berufungskammer tagt. In Deutschland gibt es eine Zentralkammer in München und Lokalkammern in Düsseldorf und Mannheim.

Inhaltlich bedeutet das Urteil aus der ersten Instanz aber: Knaus Tabbert müsste alle betroffenen Deseo und Azur mit Fibre Frame, die sich noch im Fuhrpark von Händlern befinden, zurückrufen und müsste sie vernichten. Ob das noch viele Fahrzeuge sind, ist unklar. Denn das Urteil betrifft ohnehin nur Einheiten, die nach dem 9. April 2022 ausgeliefert wurden. Außerdem haben verschiedene Händler mit Preisnachlässen von 15.000 bis 20.000 Euro für den Azur im Frühjahr 2025 den Abverkauf des Oberklassewohnwagens beschleunigt. Wirtschaftlicher Schaden entsteht trotzdem. Die Kosten müsste aber der Hersteller tragen, sollte das Urteil nach der Berufungsinstanz rechtskräftig werden. Für Kunden, die bereits ein betroffenes Modell gekauft haben, ist der Besitz nicht gefährdet.

Knaus Tabbert zweifelt an der Rechtsbeständigkeit des Patents an

"Das Urteil ist ein voller Erfolg für unsere Mandantin. Es unterstreicht nicht nur die Bestandskraft des Schutzrechts, sondern auch die Effektivität des Einheitlichen Patentgerichts bei der Durchsetzung komplexer technischer Patente", erklärt Rüdiger Bals, Patentanwalt der Kanzlei Bals und Vogel, die YellowSphere vor Gericht vertrat.

Knaus Azur 500 FU
Christiane Rauscher

Knaus Tabbert beantwortet eine Anfrage dagegen mit der Aussage, "dass das erstinstanzliche Urteil unrichtig ist, weil das Patent aus unserer Sicht weder verletzt noch rechtsbeständig ist". Deshalb zieht der Wohnwagenhersteller vor die Berufungskammer des EPG und äußert sich nicht weiter zum Verfahren, bis ein rechtskräftiges Urteil gefallen ist. Damit ist im Jahr 2026 zu rechnen.

Streitparteien schreiben ungewollt Rechtsgeschichte

Der Patentstreit um die Fibre-Frame-Technologie hat auf jeden Fall weitreichende patentrechtliche Folgen. Die Entscheidung der Lokalkammer Düsseldorf gilt als erste grundlegende Auslegung eines Product-by-Process-Anspruchs durch eine Instanz des Einheitlichen Patentgerichts in Europa. Nach Auffassung der Richter liegt der Schutzfokus auf den physikalischen Eigenschaften, die durch das Herstellungsverfahren erzielt werden – nicht auf dem Verfahren selbst. Sollte die Berufungskammer das das Urteil bestätigen, wäre es als Präzedenzfall für alle Lokalkammern in den Ländern bindend, die sich dem einheitlichen Patentgericht angeschlossen haben. Knaus Tabbert hätte dann einen Patenstreit verloren und an einem Stück europäischer Rechtsgeschichte mitgeschrieben.