Wohnmobil-Tour Piemont und Lombardei
Sacri Monti – Zwischen Comer See und Turin

Im Land der Heiligen Berge: Zwischen dem Comer See und Turin liegt eine Region, die wie geschaffen ist für eine Entdeckertour: die Sacri Monti. Die malerische Landschaft ist seit 2003 Weltkulturerbe.

Cassata del Toce Wasserfall Piemont Italien
Foto: Rolf Müller

Die große Tafel biegt sich fast unter der Last der Speisen: Käse, Fische, Brot, Obst, selbst ein Hummer fehlt nicht. Doch die Köstlichkeiten der italienischen Küche stehen in seltsamem Kontrast zu den ernsten Gesichtern der bärtigen Herren, die um diesen Tisch versammelt sind. Es ist das Letzte Abendmahl, das da sehr italienisch mit lebensgroßen Figuren in Szene gesetzt ist. Jesus und seine Jünger tragen echte Gewänder und haben echtes, blondes, inzwischen etwas verblichenes Kopf- und Barthaar.

Varallo Piemont Italien
Rolf Müller
Hoch über dem Tal der Sesia: In Varallo begann Ende des 15. Jahrhunderts die Geschichte der Heiligen Berge.

Die Szene gehört zum Sacro Monte di Varallo im Piemont. 45 Kapellen und eine Kirche stehen hoch über der Stadt im Tal der Sesia, mit der Seilbahn oder dem Mobil bequem zu erreichen. Mit 800 Figuren wird das Leben Jesu erzählt, umrahmt von einer Malerei mit weiteren 4.000 Menschen und Tieren. 160 Kapellen sind es insgesamt auf den neun Heiligen Bergen zwischen Belmonte nördlich von Turin und Ossuccio am Comer See.

Dieses einzigartige, zeitweise fast vergessene und nördlich der Alpen praktisch unbekannte Ensemble religiöser Architektur und Kunst, harmonisch in die Seen- und Alpenlandschaft Oberitaliens eingebettet, ist seit 2003 Unesco-Weltkulturerbe.

Auch heute noch fahren viele Urlauber an den Heiligen Bergen acht- und ahnungslos vorbei. Dabei hat die Region auch sonst viel zu bieten: interessante Städte mit ihren beliebten Märkten, die besonders schönen Seen Orta und Mergozzo, die Borromäischen Inseln im Lago Maggiore, die Kamelienblüte im Frühjahr, das Wanderparadies des Nationalparks Val Grande, die Radrouten rund um die Seen des Varesotto, die Ossola-Täler mit dem Toce-Wasserfall und die Outlets von Biella.

Die Sacri Monti – ein „Neues Jerusalem“

Die Geschichte der Sacri Monti beginnt Ende des 15. Jahrhunderts in Varallo. Die Franziskaner, die bis dahin die heiligen Stätten in Palästina betreut hatten, wollten diese in Italien nachbauen, nachdem die Wallfahrt in das von den Moslems beherrschte Heilige Land fast unmöglich war. Ein „Neues Jerusalem“ plante Pater Bernardino Caimi, in Jerusalem Wächter des Heiligen Grabes, auf dem Berg über Varallo vor der Kulisse der Piemonteser Alpen. 1650 war das Unternehmen in Varallo abgeschlossen. Acht weitere Sacri Monti folgten – auch als Bollwerk gegen die Reformation.

Die Darstellungen lassen es an Realismus nicht fehlen, in Varallo etwa in Kapelle elf mit der drastischen Darstellung des Kindermordes von Bethlehem mit 95 Figuren, aufgespießten Kindern und verzweifelten Müttern. Gewaltig auch die Szene auf Golgatha mit den drei Kreuzen.

Lokale Traditionen fanden gleichfalls Eingang in die Themen der Sacri Monti. So erzählt der Sacro Monte di Oropa in zwölf Kapellen das Leben Mariens. Kein Wunder, stehen doch die vergleichsweise bescheidenen Bauten in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer der ältesten Marien-Wallfahrtsstätten Italiens auf 1.200 Meter Höhe am Fuß des Monte Mucrone – mit Stellplatz im Schatten einer imposanten Kirche. Selbst Papst Johannes Paul II. bekam in dieser Bergwelt Lust zum Wandern, weshalb einer der vielen Wanderwege seinen Namen trägt. Und weil diese Gegend mit Biella seit dem Mittelalter ein Zentrum der Tuchindustrie ist, lernt Maria in einer der Kapellen das Nähen, während andere Frauen sticken und Wolle spinnen.

Das Leben des heiligen Franziskus

Varese Piemont Italien
Rolf Müller

100 Jahre nach dem Baubeginn in Varallo wurde auf dem Sacro Monte von Orta dem Ordensgründer Franz von Assisi ein Denkmal gesetzt, das Varallo noch übertreffen sollte. Es blieb jedoch bei 20 Kapellen, in denen das Leben des heiligen Franziskus erzählt wird.

Der Heilige Berg von Orta ist der am schönsten gelegene, Wohnmobilstellplatz inklusive. Der Blick auf die Isola San Giulio mit ihrer romanischen Kirche, hinüber nach Pella hoch zur barocken Kirche Madonna del Sasso gehört zu den beeindruckendsten Aussichten Oberitaliens.

Der Sacro Monte della SS. Trinità di Ghiffa liegt in einem Naturpark oberhalb des Lago Maggiore, wenige Kilometer über der Touristenroute von Lugano nach Verbania. Belmonte ist von einem Naturschutzgebiet umgeben. Der Sacro Monte Calvario, der Kalvarienberg von Domodossola, war lange vom Verfall bedroht und ist erst seit 25 Jahren wieder geöffnet.

Der Sacro Monte von Crea berichtet in 21 der 23 Kapellen vom Leben der Mutter Jesu. Jeweils 14 Kapellen und eine Kirche thematisieren auf den beiden lombardischen Sacri Monti von Ossuccio und Varese die Rosenkranzmysterien. In Ossuccio endet der Weg in 419 Meter Höhe mit Blick auf den Comer See. Der Heilige Berg von Varese schließlich führt über zwei Kilometer und rund 200 Höhenmeter zur 883 Meter hoch gelegenen Wallfahrtskirche.

promobil-Tipp: Drei Tage Passionsspiele

Passion Venerdi Santo Piemont Italien
Rolf Müller
Passion: Venerdì Santo, der Karfreitag in Romagnano Sesia.

Karfreitagmorgen, 4.30 Uhr. In den engen Gassen von Romagnano Sesia erklingt dumpfer Trommelwirbel: Tag zwei der „Sacra Rappresentazione del Venerdì Santo“. Drei Tage lang wird die Passion Christi auf den Straßen und Plätzen der kleinen piemontesischen Stadt gespielt – in Echtzeit, von Gründonnerstag bis Karsamstag. Von der Verschwörung der Hohenpriester am Gründonnerstagabend auf der Piazza Cavour bis zur Auferstehung im Parco della Rimembranza. 350 Laienschauspieler und Statisten spielen seit 1729 mit bei der Passion, in der heutigen Form alle zwei Jahre – 2017 zum 259. Mal vom 13. bis 15. April. Diese Laienspiele im Umfeld der Sacri Monti haben Tradition. Das Besondere an der Passion von Romagnano Sesia ist der unübersehbare Einfluss der Darstellung auf dem Sacro Monte di Varallo bei den Kostümen ebenso wie bei der Komposition der Szenen. www.venerdisanto.org

Information

Das Dokumentationszentrum der europäischen Sacri Monti, Kalvarienberge und Andachtsstätten bündelt die Informationen und Forschungen zu den Sacri Monti.
Adresse: Cascina Valperone 1, I-15020 Ponzano Monferrato (AL), Telefon 00 39/01 41 92 71 20, www.sacrimonti.net, http://whc.unesco.org

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