- Das Abenteuer beginnt
- Klippenspringer und klares Wasser
- Landesgeschichte und UNESCO
- Ruhiges Hinterland
- Reiten und Rafting
- Informationen zu Land und Camping
„Mama, hier oben ist alles nass.“ Jäh werde ich aus meinen Träumen gerissen. Wo bin ich? Was ist passiert? Nass? Es dauert eine Weile, bis ich mich orientiert habe und ganz wach bin. Da hängt auch schon das freche Grinsen unseres Jüngsten von der Decke: „Ist nicht so schlimm. Das Fenster war offen, aber nur das Kissen hat was abbekommen.“ Sagt er und verschwindet sogleich wieder. Erleichtert sinke ich zurück und lausche dem regelmäßigen Prasseln des Regens auf unserem Dach.
Irgendwie gemütlich in so einem Campingbus. Nicht so eng wie im Zelt. Und trotz Donnergrollen aus der Ferne fühle ich mich richtig sicher. Ja, ich gebe zu, ich bin leidenschaftliche Zeltschläferin, aber bei Gewitter werde ich zum Angsthasen. Gut also, dass wir uns entschieden haben, die Strecke nach Montenegro mit dem Mercedes Marco Polo zu fahren. Wie den Namensgeber hat auch uns das Entdeckerfieber gepackt: 1.600 Kilometer – das klingt tatsächlich mehr nach einer Herausforderung als nach einem Kinderspiel und ist außerdem eine gute Chance, unsere osteuropäischen Geographielücken zu füllen.
Übernachtungstopps in Slowenien und Kroatien entzerrten die lange Fahrt und stimmten uns langsam auf den Balkanstyle ein. Haben wir auf dem Campingplatz in Kroatien noch die Vielfalt der westeuropäischen Kennzeichen bestaunt, fällt uns das Länderraten schwerer, je südlicher wir fahren. Außerdem werden nicht nur unsere Fragezeichen im Kopf, sondern auch das Kribbeln im Bauch größer.

Hier gibt es sie noch, die brummigen Grenzbeamten, die Kontrollen mit Warteschlangen und die Nervosität, ob man angehalten wird. Bis wir realisieren, dass die Mautstation ein Grenzposten ist, vergehen einige Minuten. Irgendwie hatten wir übersehen, dass Bosnien-Herzegowina auch noch ein Stückchen Küste sein Eigen nennt. Es heißt zwar, dass die Einreise nach Montenegro für Deutsche unproblematisch sei und ein gültiger Personalausweis sowie die grüne Versichertenkarte ausreichten, aber mit Blick auf die politische Lage und die Flüchtlingsproblematik sind wir doch etwas angespannt. Zum Glück reichen die neugierigen Knopfaugen unserer Jungs und die Frage nach Stempeln für deren Reisepässe, um dem Beamten ein Lächeln und Durchwinken abzuringen.
Am Anfang unserer Reiseplanung standen eine Menge Fragezeichen. Montenegro, das Land der schwarzen Berge, das klingt irgendwie wild und nach Abenteuer. Und bei allem, was mit Abenteuer zu tun hat, sind unsere Buben (sieben und neun Jahre alt) Feuer und Flamme. Doch wo genau liegt dieses kleine Land eigentlich? Wie kommt man da hin? Ist es für eine Familie mit zwei Kindern auch sicher zu reisen? Und was kann man vor Ort machen?
Neugierig auf die Antworten, starten wir also unsere Expedition Balkan und reisen fünf Länderstempel später in ein überraschend grünes Montenegro ein. Alles sieht so frisch und saftig aus. Die ehemalige Teilrepublik Jugoslawiens liegt auf der südlichen Balkanhalbinsel an der Adria und hat durch das milde und mediterrane Klima eine eher subtropische Vegetation.

Die ersten Tage verbringen wir auf der Luštica Halbinsel. Der Bucht von Kotor vorgelagert, bietet sie mit ihren unzähligen kleinen Buchten, Olivenhainen und idyllischen Fischerörtchen einen guten Ausgangspunkt, einen ersten Eindruck von Montenegro zu bekommen. Hier findet man belebte Sandstrände genauso wie einsame Kieselbuchten und schroffe Klippen, die dramatisch ins kristallklare Wasser der Adria abstürzen.
So machen es auch die einheimischen Klippenspringer. Ein bisschen Überwindung kostet es, es ihnen gleichzutun, aber einmal ausprobiert, können wir von dem perfekten Outdoor-Spielplatz gar nicht genug bekommen. Immer und immer wieder springen unsere frisch gebackenen Seepferdchen von den glatten Felsen ins badewasserwarme Meer und werden ruck, zuck zu geübten Salzwasserexperten. Schnell haben sie entdeckt, wo es die größten Fischschwärme und stacheligsten Seeigel gibt. Es lohnt auf jeden Fall, sich ein paar Tage an der Küste zu akklimatisieren und sich dem bunten Treiben – sei es über oder unter Wasser – hinzugeben. Mittelalterliche Siedlungen mit verrosteten Schiffswracks, vorgelagerten Gefängnisinseln und verfallenen Wehranlagen zeigen auf, dass diese Region in den letzten 2.000 Jahren Schauplatz bewegender Geschichte war.
„1.998, 1.999, 2.000! Geschafft, wir sind oben – es sind 2.000 Stufen!“ Während wir Eltern uns noch die letzten hingewürfelten Steintreppen hochschwitzen, erklimmen unsere Jungs schon mit Siegesrufen den höchsten Punkt der Festung. Sichtlich stolz lassen sie sich mit der montenegrinischen Flagge auf 260 Meter Höhe fotografieren. Der Blick vom Kastel Sveti Ivan ist großartig. Man sieht weit hinein in das fjordähnliche Meeresbecken, das in türkisfarbenen Windungen mit den schwarzen, steil aufragenden Felswänden kontrastiert. Unter uns das schmucke Städtchen Kotor. Mit seinen rotgleißenden Dächern und scheinbar ineinander gestapelten Häusern wahrt es den Charme der alten Seefahrersiedlungen und gibt der Bucht, der Boka, seinen Namen.

Wir wollen uns ein bisschen Geschichte um die Nase wehen lassen und in die vielen abenteuerlichen Piratengeschichten eintauchen. Die von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannte Bucht von Kotor ist dafür wie geschaffen. Besonders in der alten Seefahrerstadt Perast mit ihren Palästen, Kathedralen und Kirchen ist die venezianische Vergangenheit noch zu spüren. In den engen, kühlen Gassen lauschen wir dem Gerede der Matronen; Fischerboote dümpeln im smaragdgrünen Wasser und die beiden Inselschwestern St. Marien und St. Georg grüßen still mit ihrer außergewöhnlichen Silhouette. Ein Sattsehen an dem rot-grün-blauen Farbenspiel des Sommers ist kaum möglich, auch wenn die Zeit hier stillzustehen scheint.
Wären da nicht die Kreuzfahrtschiffe, die sich wie weiße Riesen durch die engen Meeresarme schieben. „Wenn früher unwillkommene Schiffe in die Bucht einfuhren, hat man mit Lichtsignalen die Bürger gewarnt. Dann wurde in der Meerenge vor Perast eine dicke Kette hochgezogen“, erzählt uns ein einheimisches Urgestein, nachdem der Luxusliner eine bunte Touristenschar ausgespuckt hat.
Für uns ist es ein spannender Zeitvertreib, den Ozeanriesen bei ihren Manövrierkünsten zuzuschauen. Für die kleinen Küstenorte erscheint der Ansturm als willkommene Einnahmequelle, aber auch zuweilen als große Herausforderung.
Das ruhige Hinterland Montenegros
Wir lassen die Touristenströme hinter uns und fahren quer durchs Land bis ins hohe Durmitor-Gebirge, das im Norden an Bosnien und Herzegowina grenzt. Unsere Tour dauert mangels Autobahnen recht lang, ist aber reizvoll und sehr abwechslungsreich. Vorbei am Skutarisee, dem größten Vogelparadies auf dem Balkan, über die Hauptstadt Podgorica, im Zickzackkurs hinein in die einsame Wildnis Montenegros. Immer wieder werden wir mit atemberaubenden Ausblicken auf tiefe Schluchten, ungezähmte Natur und majestätische Felsformationen verwöhnt. Kontrastreicher könnte die Szenerie kaum sein.
Im Gegensatz zu den quirligen Küstenorten wirkt das Hinterland der kleinen Balkanrepublik, die von direkten Kriegshandlungen glücklicherweise verschont geblieben ist, eher verschlafen. Einzelne Bauernhäuser stehen zerstreut auf schier endlosen Almwiesen. Runzelige Bäuerinnen heuen noch mit Kopftuch und Sense. Immer wieder sehen wir unfertige, dachlose Steinhäuser, verrostete Lkw, streunende Hunde.
Ein wahres Paradies für Outdoor-begeisterte Reisende offenbart sich in der gesamten Nationalparkregion Durmitor, die zusammen mit der Tara-Schlucht schon seit 1980 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes steht. Ob Klettern, Wandern, Rafting, Biken oder Reiten – hier kommt jeder auf seine Kosten.

Ganz ursprünglich und intensiv erleben wir die weite Hochebene bei Žabljak auf dem Rücken der Pferde. Instinktiv hole ich tief Luft. Ob der Tatsache, dass die Tiere noch ihren eigenen Charakter haben und bei nicht ganz so sicherer Führung selbst ihren Weg wählen, oder eben, um jenes verwegene Freiheitsgefühl, das man hier unweigerlich bekommt, ganz tief einzusaugen und zu verwahren. Unsere Blicke verlieren sich in den schier endlosen Hügeln der Pampa, bis sie irgendwo am Horizont auf die dunstige Gipfellinie des Durmitorgebirges treffen. „Da hinten ist die Tara-Schlucht!“, ruft Igi, unser ortskundiger Strippenzieher mit Cowboyhut, und zeigt auf eine entfernte Hügelkette. Unglaublich, dass wir jetzt ruhig und friedlich über sanfte Wiesen traben und gestern die gewaltigste und tiefste Schlucht Europas mit dem Schlauchboot bezwungen haben.
Mit 141 Kilometern Länge ist die Tara der längste Fluss Montenegros. Eiskalt und glasklar schneidet sich ihr unbeschreiblich grünes Wasser durch die steil aufragenden Berge. Zum Glück hat die Tara in den Sommermonaten Niedrigwasser. Eine gute Möglichkeit auch für Anfänger und Kinder, eine Raftingtour zu machen. „Im Frühling ist Rafting dagegen nur etwas für Adrenalin-Junkies“, sagt Predrag, unser Guide. Dann sorgen Schmelzwasser und Regen dafür, dass aus dem freundlichen Gurgeln der Stromschnellen ein wütender und tosender Strom wird. Die atemberaubende Kulisse lässt ahnen, wie wild und rebellisch Montenegros Hinterland sein kann. Nach sechs Stunden paddeln mit Nieselregen und unzähligen Abenteuergeschichten wärmen wir uns, irgendwo im Nirgendwo, fernab jeglicher Zivilisation, am prasselnden Lagerfeuer wieder auf.
„Auf die wilde Schönheit! Auf Montenegro!“, prosten wir uns mit einem selbstgebrannten Rakija zu und sind rundum zufrieden mit den freundlichen, atemberaubenden, spannenden und vielseitigen Antworten, die wir auf unserer Reise bekommen haben.
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Länder-Info zu Montenegro
Lage: Montenegro liegt in Südosteuropa zwischen Kroatien und Albanien. Der Balkanstaat grenzt westlich an Bosnien-Herzegowina, im Norden an Serbien und im Osten an den Kosovo. Die ehemalige Teilrepublik Jugoslawiens ist mit einer Fläche von knapp 14.000 Quadratkilometern etwas kleiner als Schleswig-Holstein.
Anreise: Von Deutschland aus führt die schnellste Anreise über Österreich, Slowenien, Kroatien (Zagreb–Split–Dubrovnik) nach Montenegro. Kurz hinter Split hört die Autobahn auf. Für die Einreise mit dem Auto ist die Grüne Versicherungskarte Pflicht.
Reise-Informationen: Die Homepage der nationalen Tourismusorganisation findet man unter www.montenegro.travel (E-Mail: info@montenegro.travel) oder www.visit-montenegro.com. Informativ ist der Reiseführer „Montenegro – Zwischen Adria und Schwarzen Bergen“ von Marko Plešnik, Trescher Verlag, oder der „Rother Wanderführer Montenegro“ von Marcus und Rosemarie Stöckl.
Camping-Info zu Montenegro
Besonders in der Küstenregion findet man jede Menge Campingplätze. Die Kleineren sind meist nur mit einem handgeschriebenen Schild mit der Aufschrift „Autocamp“ gekennzeichnet.
- Direkt am Meer und versteckt unter Bäumen: Kamp Begovic, Ponta Veslo, Luštica Halbinsel, E-Mail: pontaveslo@gmail.com
- Praktisch gelegen an der Bucht von Kotor: Camping Zlokovic, Kamenari 2, 85343 Bijela, www.campingzlokovic.com
- Im Hinterland mit sensationeller Aussicht auf das Durmitor-Massiv, eher einfache Ausstattung: Auto Camp Ivan Do, 84220 Žabljak, www.autocamp-ivando.com/sr
- In der Tara-Region, sehr weitläufiges, freies Wiesengelände oberhalb der Schlucht. Die Betreiber organisieren auch Raftingtouren auf der Tara: Eko-Oaza Tear of Europe, 84205 Dobrilovina, Telefon 0 03 82/69 44 45 90
Wer kein Zelt oder Campingmobil dabeihat, für den sind die gut ausgestatteten Appartements Mio Monte auf der Luštica Halbinsel zu empfehlen. Die herzlichen Gastgeber Igi und Helga sprechen deutsch und helfen beim Organisieren von individuellen Trips wie z. B. Rafting, Wanderungen, Reitausflügen oder Boots- und Angeltouren. Sie verleihen Fahrräder und Kajaks und haben jede Menge Tipps und eine tolle Ortskenntnis: Mio Monte Apartments Montenegro, Helga Haag, Novo Naselje, Kuca bez Broja, 85323 Radovici (Tivat), Mobiltelefon: 003 82/69 97 00 81, www.apartment-montenegro.eu, info@apartment-montenegro.eu