Vorurteile gegenüber Rumänien als Reiseland gibt es reichlich. Echte Erfahrungen? Meist Fehlanzeige. Wir wollten uns ein eigenes Bild machen und sind mit dem Wohnmobil kreuz und quer durch das unbekannte Land im Südosten Europas gefahren.
Vorurteile gegenüber Rumänien als Reiseland gibt es reichlich. Echte Erfahrungen? Meist Fehlanzeige. Wir wollten uns ein eigenes Bild machen und sind mit dem Wohnmobil kreuz und quer durch das unbekannte Land im Südosten Europas gefahren.
Viele Geschichten und Halbwahrheiten ranken sich um Rumänien. Obwohl der Eiserne Vorhang seit 1989 Geschichte ist, scheint er noch immer in den Köpfen vieler Menschen zu bestehen. Die Grenzgebiete in Tschechien sind zwar mittlerweile beliebte Einkaufsziele und die kroatischen Küsten lange kein Geheimtipp mehr, doch die größten Landstriche Osteuropas bleiben unberührt von Touristenströmen. Oft sind es Vorurteile, die Reisende von einem Besuch dieser Länder abschrecken.
Als spontane Familie, die gerne fernab der Massen reist, planen wir für unsere Rumänien-Tour keine feste Route. Einzig der Kletterführer für unser liebstes Hobby soll einige Anhaltspunkte geben. Den Rest der Reise wollen wir uns von Wetter und Landschaft treiben lassen. Ist es nicht genau diese Freiheit, die einen Wohnmobilurlaub so unvergleichlich macht?
Als ersten Anlaufpunkt wählen wir Baile Herculane, auf Deutsch Herkulesbad. Hier gibt es Kletterfelsen, die laut Führer unkompliziert zu erreichen seien. Zwar steckt der rumänische Klettertourismus noch in Kinderschuhen, doch engagierte Kletterer bauen hunderte neuer Routen und restaurieren viele alte Routen nach neuesten Sicherheitsstandards.
Endlich verlassen wir die trostlose Ebene, die uns seit Ungarn begleitet, fahren in die rumänischen Westkarpaten – und verlieben uns sofort: So viele schöne Ausblicke, unberührte Wälder und herrliche Rastplätze haben wir selten auf so kurzer Distanz gesehen. Je weiter wir in die Berge fahren, desto mehr fühlen wir uns auf einer Zeitreise. Obwohl große Teile der Gegend landwirtschaftlich genutzt werden, fügen sich die Felder eher subtil in die Landschaft ein. Das liegt unter anderem an der geringen Größe der Felder, die offensichtlich noch von Hand, mit Viehkarren oder kleinen Landmaschinen bewirtschaftet werden.
Auf den Wiesen stehen Heinzen, auf denen das Heu aufgeschichtet, getrocknet und gelagert wird. In den hübschen kleinen Dörfern, die auf uns fast wie lebendige Museen wirken, wecken wir schnell die Aufmerksamkeit der Bewohner. Oft stehen Kinder winkend am Straßenrand, und auch so mancher Erwachsener lässt es sich nicht nehmen, die Hand zum Gruß zu heben.
In Baile Herculane ist jedoch wenig von der Ruhe und Beschaulichkeit der kleinen Dörfer zu spüren. Menschen bummeln durch die Stadt, und unzählige Autos stehen am Straßenrand. Das macht es uns unmöglich, mit dem Wohnmobil in Felsnähe zu parken. Die Stadt ist dank ihrer mineralhaltigen heißen Quellen schon seit der Römerzeit als Kurort bekannt, und entsprechend viel ist hier zur schönsten Badezeit los. Deshalb rollen wir vorsichtig an den eng parkenden Autos vorbei, raus aus der Stadt. Statt zu klettern steuern wir den Campingplatz an. Nachdem wir gegrillt und unseren Wasservorrat wieder aufgefüllt haben, fahren wir trotz bezahlter Nacht ein Stück weiter, um irgendwo abgelegen in der freien Natur zu schlafen.
Die ersten Tage in Rumänien lehrten uns bereits, wie die Uhren hier ticken. Ja, es gibt einige Campingplätze, doch viele sind gewöhnungsbedürftig. Einige (wie in Baile Herculane) haben weder warmes Wasser noch ordentliche sanitäre Anlagen. Auch ein Wasserhahn ist kein verlässliches Zeichen für Trinkwasser. Vor der Entnahme fragt man besser nach. Besser sieht es auf den Plätzen von deutschen oder niederländischen Besitzern aus.
Die Rumänen selbst sind geborene Freicamper. Überall auf den Wiesen an Bächen und Flüssen findet man Lagerfeuerplätze. „Wildes“ Campen ist kein Problem und wird an den Wochenenden auch ausgiebig praktiziert. Was bleibt uns da übrig, als uns anzupassen? Insgesamt verbringen wir während unserer Rundreise fünf Nächte auf Campingplätzen. Die übrige Zeit stehen wir an ruhigen Orten, oft mitten in der Wildnis.
Unsere Reise führt uns von Baile Herculane zum Fluss Sohodol. Die Schlucht nördlich von Runcu bietet ein wunderbares Klettergebiet. Die Absicherung ist perfekt, und die Routen liegen an der Straße. Das beschert uns nicht nur einen kurzen Zustieg, sondern auch viele Neugierige, die uns beobachten und fotografieren. Später folgen wir der Straße 672C Richtung Norden, bis sie kaum mehr ist als ein Feldweg durch einen riesigen Wald, als wir ein perfektes Plätzchen für die Nacht entdecken.
Am nächsten Morgen bleiben wir auf dem unbefestigten Weg, um auf eine größere Straße zu treffen. Doch nach zwei Stunden Fahrt und immer abenteuerlicheren Fahrbahnverhältnissen rät uns ein Waldarbeiter umzudrehen. Mit Blick auf den schlammigen Grund nicken wir. Immerhin konnten wir die Offroad-Tauglichkeit unseres Wohnmobils erproben.
Bran ist das nächste große Ziel. Bekannt wurden Stadt und Schloss durch die Verfilmung von Bram Stokers Roman Dracula. Auch wenn der berühmte Pfähler, Graf Vlad III. Draculea, das Schloss nie betreten hat, ist es heute als Dracula-Schloss weit über die Landesgrenzen bekannt. Obwohl Bran und das Schloss wirklich sehenswert sind, hält uns der Touristenrummel nicht lange dort.
Auf dem Weg zu unserem nächsten Kletterspot unterstützen wir durch einen Besuch das Libearty Bear Sanctuary Zarnesti: ein Reservat für Braunbären, die aus grausamer Gefangenschaft gerettet wurden. Im Nationalpark Piatra Craiului bleiben wir zum Klettern, Joggen und Wandern. Fast schon märchenhaft wirken das dichte Unterholz und die Stimmung in einem der schönsten Wälder, den wir hier sehen. Uns ist bekannt, dass die meisten Braunbären Europas in Rumänien leben, und wir hoffen natürlich auf eine Begegnung, doch mehr als Spuren, die auf Bären hindeuten, finden wir leider nicht.
Auf der Weiterfahrt stellen wir immer wieder fest, wie gegensätzlich die rumänische Welt doch ist. So überholten wir mal eine schwer beladene Pferdekarre, um im nächsten Moment selbst von einer nagelneuen BMW-Limousine überholt zu werden. Hier sieht man in die Jahre gekommene Bruchbuden und nebenan nagelneue Prachtvillen, die vor Prunk nur so strotzen.
Im Naturreservat am Sfânta Ana See können wir wählen, ob wir auf dem Campingplatz oder kostenfrei auf einer großen Wiese stehen wollen. Wir wählen die Wiese. Bei einem Spaziergang am See treffen wir dann zum ersten Mal auf einen Braunbären. Später erkennen wir, dass diese wunderschönen Tiere jeden Abend aus dem Wald auf die Wiese kommen, wo wir mit anderen Campern nächtigen. Die ansässigen Hunde hüten uns und treiben die Bären immer wieder in den Wald zurück. Dennoch sind die majestätischen Tiere manchmal nur wenige Meter entfernt. Diese Begegnungen beeindrucken uns zutiefst, allerdings hat der Park mehr zu bieten als die elf dort lebenden Bären. Der große Kratersee eignet sich zum Schwimmen, und das Tinovul-Moor, ebenfalls ein Vulkankrater, ist Heimat vieler seltener Sträucher und fleischfressender Pflanzen.
Über das beschauliche Dörfchen Ampoita mit seinen herrlichen Kletterfelsen fahren wir zu den berühmten Salzseen bei Ocna Sibiului und dann weiter bis Gârda de Sus zur Scarisoara-Höhle (siehe unten). Mittlerweile läuft der Sommer auf Hochtouren, und so kommt diese coole Sehenswürdigkeit gelegen.
Auch unser nächster Stopp führt uns unter Tage. Anders als in Gârda de Sus ist in Turda aber kein Eisblock versteckt, sondern ein Freizeitpark. Wir staunen nicht schlecht, als wir in 120 Metern Tiefe vor einem Riesenrad stehen. Die alte Salzmine wurde 1992 zu einem Schaubergwerk mit Museum umgebaut, und ein Besuch lohnt sich vor allem als Abkühlung in den heißen Sommermonaten. Sie ist in unterschiedliche Salzstöcke unterteilt. Man kann sich hier in einer Wellnessoase oder einem Echoraum wiederfinden oder in einem Freizeitpark, der wohl die Hauptattraktion darstellt. Hier fährt man mit dem Riesenrad, spielt Minigolf, Bowling oder Tischtennis und unternimmt vielleicht sogar eine kleine Bootstour auf einem Salzsee.
Unweit dieser Salzmine liegt die Turdaklamm, eine ungefähr zwei Kilometer lange Schlucht, die den Höhenrücken des Trascau-Gebirges teilt. Für Kletterer, aber auch Wanderer und alle Naturliebhaber gibt es in der beeindruckenden Felsspalte einiges zu sehen und zu erleben.
Die Hitze lässt uns dennoch schnell noch einmal für ein paar Tage in die Nähe des Stausees Gura Apelor flüchten. Generell bleiben wir während unserer Reise vor allem in den Bergen. Gerne hätten wir auch Städte wie Sibiu oder Sighisoara besucht, doch der Sommer ist unbarmherzig und bei 35 Grad in den Ebenen scheinen uns die kühleren Berge die bessere Wahl.
Dann verabschieden wir uns schweren Herzens von einem tollen Land und seinen gastfreundlichen Menschen. Alte Vorurteile können wir absolut nicht bestätigen. Statt uns auszurauben, beschenkte man uns mit Obst und Gemüse, und auch wenn wir oft die Einsamkeit der Natur suchten, hatten wir stets das gute Gefühl, willkommen und sicher zu sein.
Tököly-See statt Totes Meer: Etwa 15 km nordwestlich der Stadt Sibiu (Hermannstadt) befindet sich die Gemeinde Ocna Sibiului. Die Siebenbürger Sachsen, die im 12. Jahrhundert hier lebten, nannten die Gemeinde wegen ihrer Salzvorkommen Salzburg. Salz wird hier schon lange nicht mehr gefördert, das letzte Bergwerk in den 1930er Jahren geschlossen. Seitdem sind einige Stollen eingestürzt und füllen sich mit Grundwasser. Sie bilden heute Salzseen.
Die meisten und wirklich lohnenden Seen findet man etwa 15 Gehminuten außerhalb des Ortes. Ein geringes Entgelt ermöglicht den Zutritt zum Badepark. Der Tököly-See ist der See mit dem höchsten Salzgehalt. Mit 31 Prozent schlägt er sogar knapp den Salzgehalt des Toten Meeres. Das Mittelmeer hat etwa nur einen Salzgehalt von 3,8 Prozent. Dem Salzwasser und auch dem schwarzen Schlamm aus den Mooren, die sich auf dem Badegelände befinden, wird eine heilende Wirkung zugesprochen. Dennoch hält sich der Tourismus in Grenzen.
Gletscher in der Unterwelt: Ein kleines Abenteuer ist der Besuch der Unterwelt am Rand der Ebene von Scarisoara, etwa 10 Kilometer von Gârda de Sus entfernt. Die Scarisoara-Höhle öffnet sich auf einer Höhe von etwa 1082 Meter über dem Meeresspiegel. Um zum Eingang der Höhle zu gelangen, muss man zuvor in einen etwa 48 Meter tiefen Schacht einsteigen. Obwohl der Durchmesser des Schachtes teilweise bis zu 60 Meter beträgt, führt der Weg auf einem engen und teils steilen Pfad nach unten. Die 700 Meter lange und 105 Meter tiefe Eishöhle beherbergt einen Eisblock von etwa 7. 000 bis 100.000 Kubikmetern. Das Eis bleibt auch über den Sommer erhalten, da die Höhle und ihr schachtartiger Eingang als Kältefalle fungieren und die Winterluft einfangen. Das Alter des Gletschers wird auf 3.800 Jahre geschätzt, was ihn zum ältesten Eisblock der Welt macht.
Unser Wohnmobil, ein Alkoven von Adria, bietet für unsere fünfköpfige Familie wohl das Optimum an Platz und Wohlfühlklima. Der Coral Classic A 670 SL hat jedoch seit seinem Kauf im Jahr 2014 einige Änderungen durchlaufen.
Die hintere Federung wurde durch Acht-Zoll-Doppelfaltenbälge mit Kompressor aufgerüstet. Der Kompressor hat auch einen Anschluss, um Druckluft zu entnehmen. An der Vorderachse wurden stärkere Federn montiert. Das Wohnmobil wurde zudem auf 4,8 t aufgelastet. In den Gaskasten ließen wir Gastankflaschen einbauen, die wir an jeder LPG-Tankstelle füllen können. Eine Gassteckdose ermöglicht die einfache Entnahme beim Kochen draußen. Ein zusätzlicher Wassertank sorgt für einen größeren Wasservorrat. Eine Solaranlage mit 240 W sorgt für Strom zum Laden aller 12-V-Geräte. Der Einbau einer Trockentrenntoilette erhöht das Entleerungsintervall und den Komfort unserer Toilette an Bord. Ohne Wasserverbrauch und Chemie ist sie optimal, um wirklich lange autark zu sein. Ein Inline-Wasserfilter sorgt auch in der wildesten Natur für Trinkwasser. Infos zu den Umbauten findet ihr auf www.felsundwald.de