Wie wäre es mit einer Entdeckertour durch den Norden Polens? 500 Kilometer Ostseeküste locken hier, dazu die Masurische und die Suwalkische Seenplatte. Wir freuen uns auf herzliche Menschen, viel Tradition, leckeres Essen, günstige Preise, den unverkennbaren, morbiden Ost-Charme und vor allem viel unberührte Natur.
Aus Richtung Berlin kommend, geht es auf der Autobahn 11 Richtung Stettin, unsere erste Station im Nachbarland. Das Zentrum der siebtgrößten Stadt Polens lässt sich gut zu Fuß erkunden. Das Wohnmobil bleibt unterdessen auf dem Camping Marina in Szczecin (www.campingmarina.pl, akzeptiert Camping Cheques).
Es ist August, es ist heiß, und wir brauchen erst mal ein Eis. An den Chrobry-Wällen findet auch unser vierbeiniger Reisekumpan Yeti nötige Erfrischung, denn hier spritzen Springbrunnen. Von Terrassencafés aus genießen wir einen tollen Blick auf die Oder und das dahinter liegende Hafenviertel, dessen alte Werften zum Teil für alternative Konzepte genutzt werden: hier eine Kunstgalerie, dort ein Bio-Imbiss, da ein Tretbootverleih.

Stettin fesselt uns mit seinem maritimen Flair, dem besonderen Licht, den vielen innovativen Läden und hübschen Cafés. Nahe dem Schloss der Herzöge von Pommern reicht uns ein nettes junges Paar für unseren hechelnden Hund eine Schüssel Wasser aus dem Fenster. Gegen Abend Abkühlung. Vor der knallbunten Häuserfassade am Alten Markt speisen wir in einem der vielen Restaurants.
Durch die Dünen zum Sandstrand
Am nächsten Tag ist Baden angesagt. Auf zur Ostsee! Hinter Stettin endet die Autobahn, aber auch auf der E 28 Richtung Koszalin kommt man gut voran. In zwei Stunden sind wir auf der Landbrücke zwischen den rummeligen Badeorten Mielno und Lazy, die die Ostsee vom Jamno-See trennt. Entlang der Straße suchen wir uns eine Parkbucht und wandern durch die Dünen an den langen Sandstrand. Herrlich, zusammen mit Yeti stürzen wir uns in die seichten Wellen. Zurück am Wagen treffen wir Eddy. Der Pole stationiert seinen Wohnwagen jeden Sommer auf der anderen Seite der Straße am Jamno-See und angelt dort. Wir sind eingeladen zu gegrilltem Fisch und russischem Sekt. „Stopp, Eddy! Ein Glas muss reichen, wir wollen noch weiter.“

Im nahen Darlowo gibt es, genau wie in Stettin, ein Schloss der Herzöge von Pommern. Spannend: Erik, der letzte Wikinger der Ostsee, lebte hier. Übernachten möchten wir an der Küste, und so geht es abends noch ein Stück aus Darlowo hinaus. Zwischen Wicie und Rusinowo stoßen wir auf einen außergewöhnlichen Ort zum Wildcampen. Unter Polen scheint die ehemalige Flugzeuglandebahn im Dünenwald am Meer aber schon längst kein Geheimtipp mehr zu sein.
Die Hansestadt Danzig, „Perle der Ostsee“, wollen wir bei unserer Tour durch den Norden Polens auf keinen Fall auslassen. Da Danzig mit Sopot und Gdynia zur Dreistadt verschmelzt, wuselt der Verkehr rund um dieses insgesamt 800.000 Einwohner zählende Konglomerat. Wer sechsspurige Straßen und Stress vermeiden möchte, quartiert sich auf Camping Stogi außerhalb ein und nutzt von dort die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Nach dem Städte-Trip wieder ans Meer? Östlich von Danzig bietet sich der 70 Kilometer lange Landstreifen an, die „Frische Nehrung“, die die Danziger Bucht vom Frischen Haff trennt. Dorthin gelangt man über die Landstraßen 501 oder 502. An Sommerwochenenden zieht es viele Städter aus Danzig und Elblag an diesen schönen Fleck, und auf den Straßen bildet sich ein langer Stau. Tipp: Besser unter der Woche auf die Frische Nehrung.
Nur eine Straße führt auf der Nehrung bis zum Fischerort Piaski, hinter dem es kein Weiterkommen gibt. Dort liegt die Grenze zu Russlands Bezirk Kaliningrad. Nur die Wildschweine dürfen die Grenze durch spezielle Zaunöffnungen passieren. Die Frische Nehrung ist Naturschutzgebiet und bis auf die Strände komplett mit Kiefernwald bewachsen.
Im Hauptbadeort Krynica Morska gibt es zwei Campingplätze: Camping Gallus und Camping Piaski Nr. 182 (www.gallus.mierzeja.pl, www.campingpiaski.eu). Wir machen hier aber nur Station, um am Hafen den für Polens Küste typischen Räucherfisch zu kaufen und um auf den 27 Meter hohen Leuchtturm zu klettern. Die Aussicht reicht weit über die Bucht und das Haff bis nach Russland.
Je weiter wir auf die Nehrung hinausfahren, desto schöner und einsamer werden die Strände, und so zieht es uns bis auf einen der holprigen Sandparkplätze unter Kiefern kurz vor der Grenze. Für 30 Złoty darf man hier campen. Zur „Stunde der Mücken“ kämpfen wir gegen die kleinen Plagegeister, von denen es hier viel zu viele gibt.
Masurische Seen: Baden, Wandern und Entspannen
Wir sagen der Ostsee erst mal tschüs und fahren rund 250 Kilometer landein- und ostwärts zu den Masurischen Seen, eine zauberhafte Landschaft wie ein Flickenteppich aus Wasser und Wäldern. Wunderbarer Camping-Ausgangspunkt für Ausflüge in die Region ist Camping Elixir an der idyllischen Halbinsel Fuledski Roc zwischen dem glasklaren Dobskie-See (Dobensee) und Kisajno-See – toll zum Baden, Wandern und Entspannen fernab der Touristenzentren. Von dort bieten sich Ausflüge in die Segler-Stadt Gizycko mit der Festung Boyen und alter Drehbrücke an oder zur Wolfsschanze.
Die Bunkerstadt Wolfsschanze bei Ketrzyn, die im Zweiten Weltkrieg Hitler und seinen Schergen als Hauptquartier diente und wo am 20. Juli 1944 das Stauffenberg-Attentat missglückte, ist eine Erinnerung an Deutschlands dunkelste Zeiten. Auf markierten Pfaden schlängeln wir uns durch das bewaldete Gelände, über das zu Kriegszeiten Tarnnetze ausgebreitet waren, und treffen auf Bunker, die zum Teil von Baumstämmen gestützt vor dem Zusammensturz bewahrt werden. „Vorsicht, Einsturzgefahr“ warnen Schilder in mehreren Sprachen. Einige Besucher klettern gewagt in den alten Gemäuern herum. Nach einem Kaffee im Museumsrestaurant, auf dessen Karte es auch ein Hunde-Menü gibt, geht es auf Kopfsteinpflaster-Wegen unter Alleen langsam zurück an den Dobskie-See.
Östlichster Punkt unserer Reise ist die Suwalki-Region. Es lohnt ein Umweg durch den Borkener Forst, denn hier leben noch – oder besser gesagt wieder – Europas größte Landsäugetiere. 1956 wurden im Borkener Urwald die vom Aussterben bedrohten Wisente aus dem Białowieza-Nationalpark ausgewildert. Heute schätzt man die Zahl der urigen Rinder hier auf ungefähr 70 Tiere. Beobachten kann man die Wisente in der Zuchtstation in Wolisko, die zu Fütterungszeiten ihre Tore öffnet (9–11 Uhr und 16–18 Uhr).
Angekommen in Suwalki, bekommen wir im Dorf Krzywe bei der Verwaltung des Wigry-Nationalparks kompetente Auskunft über Wander- und Paddelmöglichkeiten und können uns im Naturkundemuseum auf die Tier- und Pflanzenwelt Suwalkis einstimmen. Das Wohnmobil findet derweil Platz auf dem Eurocamping Nr. 133 (http://osir.suwalki.pl).

Die Seen des Wigry-Nationalparks sind Teil der Czarna-Hancza-Kanu-Route, eine der beliebtesten Wassertouren Polens. Anstatt die zehntägige Paddeltour zu buchen, reicht es uns, einen der schönsten Abschnitte der Route kennenzulernen. So steigen wir am Folgetag in Mackowa Ruda an der Kanustation des Anbieters „Hobbit“ mit Yeti ins Boot und rudern sechs Stunden auf Flussschleifen durch Schilf- und Waldgebiete bis Fracki. Zwischendurch stoppen wir an Badestellen und Gärten, an deren Holzstegen Omas „Bulecki“ (Hefekuchen mit Blaubeerfüllung) an Paddler verkaufen.
Nach zweieinhalb Wochen und gut 800 in Polen zurückgelegten Kilometern sind wir bereits über Reisehalbzeit. Für die noch verbleibenden zwei Wochen haben wir uns einiges vorgenommen. Den Rückweg schlagen wir zunächst in Richtung Augustów ein, wo man sich im Necko-See vom ältesten Wasserskilift Polens ziehen lassen kann und idyllisch campt, zum Beispiel auf dem Camping Marina Borki (www.marinaborki.pl).
Wir passieren noch einmal Masuren, statten den rückgezüchteten Tarpan-Pferden auf der Landzunge im Beldany-See bei Popielno einen Besuch ab und landen auf dem außergewöhnlichsten Campingplatz der gesamten Reise: Galindia am Beldany-See beim Weiler Iznota. Auf der Parkanlage unter im Wind wehenden Weiden begegnen wir faszinierenden Holzskulpturen, und im Palast im Stil des einstmals hier siedelnden Galinder-Stammes gehen wir auf Zeitreise. Der Psychoanalytiker Cezary Kubaccy hat mit diesem Resort seine Vorstellung vom Brauchtum des alten slawischen Stammes der Galinder verwirklicht.

Über Ostroda geht es auf der E 77 zügig zurück gen Ostsee, nicht ohne in Malbork der größten Backsteinburg Europas, der Marienburg, einen Besuch abzustatten. Um den vom Deutschen Ritterorden gegründeten riesigen Burgkomplex am Ufer der Nogat zu erfassen, ist ein Tag Zeit schon fast zu wenig. Wenige Kilometer entfernt liegt Camping Tamowa (www.tamowa.pl) am Ufer des Klodno-Sees.
Kaschubische Schweiz mit urigem Campingplatz
Im Bogen umfahren wir Danzig und nehmen Kurs auf die touristisch noch kaum entdeckte Kaschubische Schweiz. Stopp am Brodno-See. Hier werden wir genüsslich baden und später im Dorf Chmielno in der traditionellen Töpferwerkstatt der Familie Necel stöbern. „Wo ist denn hier die Rezeption?“, fragen wir uns, als wir uns auf dem Campingplatz am Brodno-See anmelden möchten. Andere Gäste klären uns auf: „Einfach die Telefonnummer anrufen, die dort auf dem Wohnwagen steht. Dann kommt der Betreiber angefahren.“ Recht urig hier ...
Das letzte Stück unserer Polen-Tour führt uns noch einmal entlang der Küste. Beim Badeort Leba erklimmen wir die 95 Meter hohe Wanderdüne Lacka Góra im Slowinzischen Nationalpark. Oben auf dem „Gipfel“ eröffnet sich ein Blick bis zum Horizont über eine weiße Sandlandschaft.
Bevor es nach Hause geht, genießen wir im Badeort Misdroy auf der Insel Wolin an einer der Buden direkt am Strand ein letztes Mal geräucherten Fisch und spazieren entlang der Steilküste. Den letzten Abend begehen wir feierlich, stoßen an mit einem polnischen Bier „Piwo“ auf Góra Gosan, der höchsten Klippe an Polens Ostseeküste.
promobil-Tipps für die Camping-Tour Polen
Sicherheit: Wir können das Vorurteil, in Polen werde mehr gestohlen als anderswo, nicht bestätigen. Wir haben uns nie unsicher gefühlt und sehr gastfreundliche und hilfsbereite Menschen kennengelernt. Im Gewusel auf der Touristenmeile Danzigs sollte man natürlich trotzdem nicht mit offener Handtasche herumspazieren.
Sprache: Polnisch muss man nicht unbedingt beherrschen, um zurechtzukommen. Mit ein Paar Brocken Englisch kann man sich bestens verständigen. Viele Polen verstehen auch Deutsch.
Geld und Preise: Polnische Währung sind Złoty und Groszy. 1 Euro = 4,31 Zł (Stand: März 2017). Geldautomaten (bankomaty), an denen man Geld mit der Maestro- oder Kreditkarte abheben kann, gibt es in allen größeren Städten und touristischen Orten. Der Höchstbetrag liegt bei 1.000 bis 2.000 Złoty pro Tag. Bargeld kann man bei Banken, aber auch in Wechselstuben und Hotels tauschen. Polen zählt zu den günstigsten Zielen für Camper. In Restaurants zahlt man etwa 20 bis 40 Złoty für ein Hauptgericht.
Elektrizität: Die Netzspannung beträgt 230 Volt, die Steckdosen entsprechen der Euro-Norm Typ E. Einen Reiseadapter oder Universalstecker sollte man dabeihaben, denn in Polen sind die Steckdosen mit einem Stift versehen (so wie in Frankreich). Die genormten CEE-Stecker gibt es nur auf den neu ausgebauten Campingplätzen.
Gasversorgung: Die in Deutschland gängigen 5- und 11-Kilo-Stahlflaschen werden auch in Polen genutzt. Man kann sie dort problemlos tauschen oder befüllen lassen. Das gelingt an vielen Tankstellen oder in Werkstätten am besten in den größeren Städten.
Straßen: Besonders im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft 2012 sind in Polen Hunderte Kilometer neuer Autobahnen und Schnellstraßen entstanden. Dennoch ist das Netz dünner als in Deutschland. Auf Landstraßen kommt man eher langsam voran. Viele sind holprig oder mit Kopfsteinpflaster belegt. Auch tagsüber ist mit Abblendlicht zu fahren. Die Alkoholgrenze liegt bei 0,2 Promille. Autobahnen sind mautpflichtig. Überwiegend wird Streckenmaut an Mautstationen kassiert. Auf einigen Autobahnen gilt das viaTOLL System. Fahrzeuge über 3,5 Tonnen (bei Gespannen zählt das zulässige Gesamtzuggewicht) benötigen hier eine viaBOX, die mit einem Geldbetrag aufgeladen wird. Die Box kann an Tankstellen im Grenzbereich gegen eine Kaution geliehen werden. Info: www.viatoll.pl
Hunde: Haustiere müssen gechipt und mindestens drei Wochen, höchstens zwölf Monate vor der Einreise gegen Tollwut geimpft sein. Die Impfung muss im EU-Heimtierausweis bescheinigt sein.
Kanu und Kajak: In der Suwalki-Region paddelt man herrlich auf der Czarna-Hancza-Route. Tipp: Einstieg Hobbit (Telefon 00 48/ 8 75 67 88 97, www.hobbit.suwalki.com.pl). In Masuren liegt die beliebte Krutynia-Route. Im Dorf Ukta trifft man Kanu-Anbieter an der PTTK-Wasserstation. Tipp: ab Kajaki Centrum (Telefon 00 48/ 6 02 63 70 51) in zirka vier Stunden über Nowy Most bis Iznota (Kajaki Zentrum, Telefon 00 48/8 74 25 73 40, E-Mail: adamski@post.pl).
Unbedingt mal probieren:
- Ryba wedzona: Räucherfisch.
- Barszcz czerwony: herzhafte Rote-Bete-Suppe.
- Pierogi: maultaschenähnliche Leckerei süß und herzhaft; Pierogi ruskie sind gefüllt mit Kartoffeln und Käse, Pierogi z miesem beinhalten eine Hackfleischfüllung, Pierogi z kapusta i grzybami sind Maultaschen gefüllt mit Sauerkraut und Pilzen, Pierogi z jagodami sind süß und mit Heidelbeeren gefüllt.