VW muss sich auf eine juristische Aufarbeitung der erhöhten Schadstoffwerte in älteren Modellen des VW Grand California einstellen. Die Anwaltskanzlei Dr. Stoll und Sauer bereitet laut einer Pressemitteilung für eine ganze Reihe von Klienten die ersten Klagen vor. Die Anwälte aus Lahr (Baden-Württemberg) werfen VW Verstöße gegen das Produktsicherheitsgesetz und vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vor.
Mehr als 200 Beschwerden
Bis Ende August hätten sich mehr als 200 betroffene Personen bei Stoll und Sauer gemeldet und ihren Fall prüfen lassen. Berichtet hätten die Halter häufig von einem süßlichen, chemischen Geruch im Innenraum, der sich über Jahre hinweg gehalten hätte. Bei Hitze oder geschlossenem Fenster soll er besonders stark gewesen sein. Das hätte auch gesundheitliche Probleme ausgelöst. Das Spektrum reicht laut einer Mitteilung der Kanzlei von Übelkeit und Erbrechen beim Schlafen im Hochbett über Kreislaufprobleme während längerer Fahrten bis hin zu Schlafproblemen.

Das aktuelle Modell des Grand California ist von den Problemen nicht betroffen. Erhöhte Schadstoffwerte gibt es nur in Fahrzeugen, die vor 2022 produziert worden sind. Seitdem versiegelt VW die Dachhaube mit einem Schutzlack.
Ähnliche Beschwerden führten überhaupt erst zur Aufdeckung der erhöhten Schadstoffwerte im Innenraum vieler bis 2022 produzierten VW-Grand-California-Modelle. Das ZDF Magazin "Frontal" wurde auf die Probleme aufmerksam und ging ihnen nach. Anfang Juli 2025 veröffentlichten die Journalisten schließlich ihre Rechercheergebnisse. Sie konnten nachweisen, dass die empfohlenen Gefahrenwerte der Schadstoffe Benzol, Styrol und Formaldehyd deutlich überschritten werden. Besonders in der Dachhaube, in der sich vorn ein Schlafplatz befindet. Frontal entdeckte auch einen internen Prüfbericht, der nachweist, dass das Problem Volkswagen schon 2019 zum Marktstart des VW Grand California bekannt war. Der Hersteller reagierte aber vorerst nicht. Ab 2022 versiegelte der Hersteller die Dachhauben neuer Grand Californias mit einem Lack, um die Ausdünstungen unter Kontrolle zu bringen. Ansonsten gab es für die Halter älterer Fahrzeuge nur einen Nutzungshinweis, der auf den Geruch aufmerksam macht und bei Problemen dazu rät, das Fahrzeug abzustellen und an die frische Luft zu gehen.
Untersuchungen durch Kraftfahrtbundesamt und Staatsanwaltschaft
Ein klarer Gesetzesverstoß lässt sich Volkswagen wahrscheinlich nicht nachweisen, da es für Fahrzeug-Innenräume nur wenige festgelegte Grenzwerte gibt. Orientierung bieten lediglich die Gefahrenwerte des Umweltbundesamts, die von Sachverständigen und Gerichten häufig herangezogen werden. Laut "Frontal" enthält ein interner VW-Prüfbericht Schadstoffwerte, die diese Richtwerte deutlich überschreiten – Benzol liegt demnach rund 35-mal, Styrol etwa 15-mal über den empfohlenen Werten. Im Bericht wird zudem festgestellt, dass diese Überschreitungen "mit hinreichender Wahrscheinlichkeit" gesundheitliche Risiken für die Insassen bergen könnten.
Genau deshalb will Stoll und Sauer VW im Namen ihrer Klienten verklagen. Die Kanzlei ist nicht die einzige Seite, die eine juristische Aufarbeitung der erhöhten Schadstoffwerte im VW Grand California betreibt. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat aufgrund der Vorwürfe gegen VW die Ermittlungen aufgenommen. "Um zu klären, ob sich eine erhöhte Schadstoffkonzentration auch auf die Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugführers auswirkt und damit Belange der Straßenverkehrssicherheit betrifft, hat das KBA den Hersteller um Stellungnahme gebeten. Das Verfahren läuft," erklärte ein KBA-Sprecher im Juli. Auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat den Fall inzwischen aufgenommen und prüft, ob ein strafrechtlicher Tatbestand vorliegt. Der Verdacht auf vorsätzliche Gefährdung von Gesundheit und Leben der Verbraucher könnte zu weiteren rechtlichen Konsequenzen für Volkswagen führen.