Offroad-Stoßdämpfer im Test
Offroadtauglichkeit am Fahrzeug verbessern

Allradantrieb, Höherlegung, Bereifung – über vieles wird diskutiert, wenn es um Offroadtauglichkeit geht. Die Stoßdämpfer werden dabei oft vergessen. Nicht bei den Spezialisten von 4x4-proyect.

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Foto: Juergen Bartosch
In diesem Artikel:
  • Der Stoßdämpfer Praxistest
  • Ein- oder Zweirohrdämpfer?
  • Die Fahrwerkskits von 4x4-proyect
  • Stoßdämpfertechnik
  • Fazit

Wer seinen Campingbus im Gelände bewegen will, braucht offroadtaugliche Stoßdämpfer. Sie tragen dazu bei, dass der Camper offroadtauglich wird. Wir haben in Berlin in Zusammenarbeit mit 4x4-proyect drei unterschiedliche Stoßdämpfer getestet. Außerdem erklären wir unten, wie die Stoßdämpfer im Gelände mit den Federn und Reifen zusammenspielen und worauf Sie achten können.

Der Stoßdämpfer Praxistest

Sanft bewegt der Wind die Wipfel der Kiefern, der erste Schnee ist gefallen, Stille breitet sich aus im lichten, märkischen Wald, südlich von Berlin. Plötzlich dringt jäh das Stakkato von Dieselmotoren durch die Ruhe, das Geräusch von grobstolligen Reifen, die sich durch Sand und Erde wühlen und über Wurzeln und Steine poltern. Dann bricht ein Mercedes Sprinter aus dem Dickicht und schießt in atemberaubendem Tempo den Waldweg entlang, gefolgt von einem VW Crafter. Am Steuer die beiden Protagonisten des spanischen Offroad-Spezialisten 4x4-proyect, Miguel Garcia und Nico Garcia Vogel.

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Juergen Bartosch
Um den Bodenkontakt möglichst nicht zu verlieren, sind lange Federwege entscheidend.

Auf dem Beifahrersitz Platz genommen, kann einem schon etwas angst und bange werden, wenn der Wagen um die Ecke driftet und die Kiefernstämme am Fenster vorbeifliegen. Kurve um Kurve wächst aber das Vertrauen in die Fahrer und die von ihnen modifizierten Fahrwerke. Dann heißt es Platzwechsel. Selbst ans Steuer. Noch direkter spüren, was Räder, Aufhängung und Antrieb auf dem wechselnden Geläuf so treiben. Natürlich deutlich langsamer. Ersteinmal rantasten. Sie interessieren sich für Offroad-Fahrtechnik? Dann gibt es hier die besten Tipps aus der Offroad-Fahrschule.

Das Credo der Jungs, die sich lange Zeit voll auf die Optimierung der Fahrwerke von Geländewagen konzentrierten und sich seit rund zwei Jahren nun auch um Kastenwagen und Campingbusse kümmern, wird dabei Meter um Meter immer nachvollziehbarer: "Ein Reifen kann nur dann Kraft übertragen, wenn er auf dem Boden bleibt." Klingt vielleicht banal, ist aber essenziell, gerade auch im Gelände. Bei schneller Offroadfahrt dürfen die Räder nicht wie Flummis herumhüpfen – und bei langsamer Fahrt auf extremem Gelände sollen die Federwege möglichst lang sein, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren.

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Juergen Bartosch
Auch für die Vorgänger-Generation des Sprinter (906) sind die Fahrwerkskomponenten der Advance- und Prerunner-Serie verfügbar.

Darum Szenenwechsel. Weiter geht es auf der martialischen Verschränkungsstrecke, die das historische Fahrzeugversuchsgelände in Horstwalde ebenfalls zu bieten hat. Mehr als einen Meter Niveauunterschied zwischen rechts und links, immer wechselseitig, das ist echt heftig. Da kommen auch die beiden umgerüsteteten Mercedes Sprinter, der VW Crafter und der VW T5, die für die Tests zur Verfügung stehen, an ihre Grenzen. An die Grenzen der Verschränkbarkeit, ja, was aber nicht heißt, dass sie die Strecke, mit etwas fahrerischem Geschick, am Ende nicht doch meistern würden. Als hilfreich erweist sich dabei auch der aushängbare Stabilisator, den 4 x 4-proyect für die Sprinter-Hinterachse anbietet.

Durch Lösen der Splinte kann so für langsame Fahrt die Verschränkungsfähigkeit noch erhöht werden. Das Hauptaugenmerk von 4 x 4-proyect liegt aber auf der Optimierung der Stoßdämpfer. Besser wäre es eigentlich, von Schwingungsdämpfern zu sprechen – weil den eigentlichen Stoß die Federung abfängt. Der Stoßdämpfer sorgt hingegen dafür, dass das Nachschwingen der Federn weitgehend unterbunden wird – und damit das Rad auf dem Boden bleibt. Der Stoßdämpfer bremst die Auf- und Abbewegung, indem Öl durch Ventile im Kolben strömt. Dabei wird die Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt. Prinzipiell gibt es zwei unterschiedliche Bauformen von Stoßdämpfern, den Einrohr- und den Zweirohrdämpfer.

Ein- oder Zweirohrdämpfer?

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Prerunner-Vorderachse: Einrohrdämpfer mit 60-mm-Kolben und separatem Gaszylinder.

Auch wenn der Zweirohrdämpfer im Aufbau komplizierter erscheint, ist er die günstigere und vor allem kompaktere Bauform, die in den meisten Fahrzeugen serienmäßig zum Einsatz kommt. Im Einrohrdämpfer arbeitet ein Kolben mit größerem Durchmesser, was ihn stabiler macht und eine feinere Abstimmung ermöglicht.

Weiterer Vorteil ist hier, dass der Öl- und der Gasraum durch einen beweglichen Kolben getrennt sind und so das Öl nicht aufschäumen kann, was sonst zu einem deutlichen Nachlassen der Dämpfungswirkung führt. Außerdem kann der Einrohrdämpfer in jeder beliebigen Lage eingebaut werden – der Zweirohrdämpfer nur senkrecht oder allenfalls leicht schräg. Ebenfalls vorteilhaft bei Dauerbelastung – Stichwort Waschbrettpiste – ist die bessere Wärmeableitung des Einrohrdämpfers, die damit einem Totalausfall durch Ölverlust bei starker Überhitzung vorbeugt.

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Prerunner-Hinterachse: Einrohrdämpfer (60 mm) mit Coilover-Feder und separatem Gasreservoir.

Das Gas im Einrohrdämpfer steht in der Regel unter höherem Druck und entwickelt damit zusätzlich eine gewisse Federwirkung. Da dieser Gasraum aber Platz beansprucht, wird er bei hochwertigeren Einrohrdämpfern ausgelagert – als parallel angebrachtes Speicherrohr oder über Druckschlauch verbundenes, separates Reservoir. So kann auch bei Einrohrdämpfern der Federweg der Aufhängung vollständig genutzt werden.

Die Fahrwerkskits von 4x4-proyect

4x4-proyect hat drei unterschiedliche Fahrwerkkits entwickelt, die von "preiswert" bis "highend" verschiedene Ansprüche abdecken. Dabei kommen teils Stoßdämpfer und Komponenten von Partner Bilstein zum Einsatz, in der Prerunner-Variante sind es selbst entwickelte Highperformance-Stoßdämpfer.

Mit allen drei Produktreihen kann übrigens auch eine Höherlegung von bis zu 40 oder 50 Millimeter erreicht werden. Allerdings empfehlen die Spezialisten, es damit nicht zu übertreiben. Im besten Fall sollte das Höhenniveau des leeren Kastenwagens angestrebt werden, weil dann das Rad sowohl den maximalen Ein- als auch Ausfederweg zur Verfügung hat, was für die Bodenhaftung optimal ist.

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Juergen Bartosch
Im Programm gibt es auch einen aushängbaren Stabilisator, der noch mehr Verschränkung erlaubt.

Sogenannte Coilover-Federn können bei der Einstellung dieses Idealzustands hilfreich sein. Diese Zusatzfedern sind außen konzentrisch um den Stoßdämpfer gewickelt. Beim günstigeren Advance-Kit lassen sie sich optional an der Hinterachse montieren, beim hochpreisigen Prerunner sind sie serienmäßig und können zusätzlich per Gewinde auf dem Außenrohr eingestellt werden. So kann etwa auf unterschiedliche Beladungszustände reagiert oder im Bedarfsfall die Bodenfreiheit erhöht werden.

Weitere Fahrwerkkits sind in Vorbereitung. So soll es das Expedition-Fahrwerk in Kürze auch für den Fiat Ducato und den Ford Transit 4x4 geben. Als zentraler Einbau- und Vertriebspartner in Deutschland steht Expedition Vans in Coburg bereit. Für die Montage eines Kits müssen in etwa fünf bis sechs Arbeitsstunden veranschlagt werden – natürlich in Abhängigkeit von den jeweiligen Fahrzeug-Gegebenheiten.

4x4-proyect-Fahrwerkkits

Advance

Expedition

Prerunner

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Offroad Fahrwerke Expedition f

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Vorderachse

Zweirohrdämpfer

Zweirohrdämpfer (VW T6: mit individueller Höheneinstellung)

Einrohrdämpfer (60-mm-Kolben) mit Ausgleichsbehälter

Hinterachse

Einrohrdämpfer (46-mm-Kolben)

Einrohrdämpfer (46-mm-Kolben) mit externem Ausgleichsbehälter (VW T6: individuelle Höheneinstellung)

Einrohrdämpfer (60-mm-Kolben) mit extragroßem Ausgleichsbehälter, Gewinde und Coilover-Feder

Coilover-Feder

optional

nicht möglich

in Serie

Höherlegung

0-50 mm

0–40/50 mm (VW T6/Crafter)

0-50 mm

Verfügbar für

VW T5/6 4motion, Mercedes Sprinter 4 x 4 (Typ 906/907)

VW T5/6 4motion, VW Crafter/MAN TGE 4 x4, (in Kürze für Fiat Ducato und Ford Transit 4 x 4)

Mercedes Sprinter 4 x 4 (Typ 906/ 907)

Preis (ohne Einbau)

ab 3.500 Euro

ab 4.165/3.987 Euro (VW T6/Crafter)

ab 12.849 Euro

Stoßdämpfertechnik

Stoßdämpfertechnik
CAMPINGBUSSE
So sehen die Stoßdämpfertypen von innen aus.

Im Prinzip gibt es zwei Bauformen von Stoßdämpfern, den Einrohr- und den Zweirohrdämpfer. Im Einrohrdämpfer fährt ein Kolben im Ölraum rauf und runter und wird vom durch die Ventile hin- und herströmenden Öl abgebremst. Als Ausgleich und Polster ist zudem ein Hochdruckgasraum integriert, der durch einen beweglichen Kolben abgetrennt ist.

Beim Zweirohrdämpfer strömt das Öl dagegen durch Ventile im Boden in das äußere Rohr und zurück. Im äußeren Rohr befindet sich oben druckloses Gas, das nur als Ausgleich dient und nicht vom Ölraum getrennt ist. Diese Bauform ist kompakter, hat aber Nachteile bei Stabilität, Wärmeabfuhr und Aufschäumgefahr.

Fazit

Stoßdämpfer – das verkannte Wesen. Um ein Fahrwerk für Offroadeinsätze tauglich zu machen, sollte man neben Allradtechnik, verstärkten Federn und AT-Bereifung auch die Stoßdämpfer nicht vergessen. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass die Grip-Vorteile auch dort ankommen, wo sie sollen – auf dem Boden. Zudem werden die Dämpfer bei längeren Offroad-Touren stark belastet.

Dann kann ein verstärktes Exemplar vor dem Ausfall des überforderten Seriendämpfers – mitten im Nirgendwo – bewahren. Die Fahrwerkkits von 4 x 4-proyect demonstrierten bei den Testfahrten eindrucksvoll ihre Vorteile. Welches Kit für welches Fahrzeug und welchen Einsatzzweck am besten passt, klärt eine Beratung.

Oder Sie kaufen sich direkt einen Offroad-Campingbus. Hier haben wir zum Beispiel den Sprinter-Campingbus von XBull gezeigt. Kostet schlappe 239.000 Euro.

Die aktuelle Ausgabe
Promobil 06 / 2023

Erscheinungsdatum 03.05.2023

148 Seiten