Risiko Billig-Pedelec
Finger weg von E-Bikes zu Kampfpreisen

Inhalt von

Ein Pedelec für 700 Euro? Solche Angebote von Discountern, Baumärkten und anderen fachfremden Geschäften klingen für viele verlockend. Warum also 1.800 Euro und mehr im Fachhandel ausgeben, wenn es woanders erheblich günstigere Pedelecs gibt? Aber Vorsicht: Nicht immer stimmt die Qualität.

Pedelecs vom Discounter: Schnäppchen oder Risiko?
Foto: EFBe

Pedelecs und E-Bikes erobern den Fahrradmarkt. Die Verkaufszahlen steigen. Das Angebot wird immer größer und damit auch unübersichtlicher. Kein Wunder, dass auch immer wieder Discounter, Baumärkte und andere fachfremde Händler mit echten Pedelec-Schnäppchen locken.

Markus Hübner, Technikreferent des ADFC, sagt dazu: „Der ADFC empfiehlt Kunden, sich nicht von Discounter-Lockangeboten blenden zu lassen, sondern im Fachhandel zu kaufen. Dort erhält man mit einer sachkundigen Beratung nicht nur das passende Rad, sondern ein Fahrrad, mit dem man auch länger mehr Fahrspaß auf vielen Kilometern hat. Der höhere Preis im Fachhandel ist allemal gerechtfertigt.“

Untersucht man den Pedelec-Markt genauer, stellt man fest, dass die Preisrange von wenigen hundert Euro bis zu mehreren tausend Euro reicht. Verständlich, dass gerade Einsteiger versucht sind, sich erst mal ein billiges Pedelec zu kaufen.

Doch gerade die günstigen Lockangebote erfüllen meist nicht die Kriterien, die ein gutes Pedelec auszeichnen und für lang anhaltenden Fahrspaß und Freude erfordlerlich sind.

Ein Pedelec braucht einen besonders stabil konstruierten Rahmen. Denn Antrieb, das höhere Gewicht und die höheren Geschwindigkeiten, die man mit einem Pedelec erreicht, stellen höhere Belastungen für den Rahmen dar. Um diesen Anforderungen gewachsen zu sein, müssen für Pedelecs eigenständige Rahmen entwickelt werden. Es reicht nicht aus, einfach einen bereits vorhandenen Trekkingrad-Rahmen als Basis zu verwenden und mit Akku, Motor und Elektrik zu versehen. Die bei der Neuentwicklung entsehenden Kosten finden sich auch im Preis für das Pedelec wieder.

Markus Hübner sagt: "Ist dieser Rahmen nicht für die Belastungen ausgelegt, währt die Freude an dem Pedelec nicht lange. Unter 1.800 Euro sind deshalb in der Regel keine rundum empfehlenswerten Modelle zu finden."

Markus Hübner erklärt weiter : „Mit Schnäppchen sind Kunden nicht gut beraten. Die aufwändige Akkutechnik ist nicht billig und unterliegt einem schnellen Wandel, aufgrund der zur Zeit intensiven Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet. Günstige Pedelecs sind deshalb oft mit veralteter Akkutechnik ausgestattet. Da ein Akku nicht ewig hält, ist es wichtig, dass Sie sicher sein können, in der Zukunft einen identischen Ersatzakku erhalten. Den kann ein fachfremder Discounter nicht unbedingt bieten. Zu beachten ist, dass Akku und Ladegerät und Pedelec eine Einheit bilden.“

Ohne einen Akku ist ihr Pedelec wertlos. Wenn Sie für einen defekten Akku keinen Ersatz mehr besorgen können, ist ihr Pedelec unbrauchbar. Und auf einmal wirken zum Beispiel 700 Euro nicht mehr wie ein Schnäppchen.

Service? Fehlanzeige!

Frontmotor, Mittelmotor, Heckmotor? Ein Akku mit 10 Ah, 12 Ah oder doch 18 Ah? Wenn Sie sich ein Pedelec kaufen möchten, dann werden Fragen auftauchen. Bei einem Discounter beantwortet Ihnen diese Fragen niemand.
Markus Hübner, Technikreferent des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs sagt: „Elektroräder sind aufgrund ihrer Komplexität beratungsintensiver als herkömmliche Fahrräder, so dass ausschließlich im Fachhandel gekauft werden sollte. Angefangen von der Konstruktion eines Pedelecs über die Akkus bis zu den Bedienungselementen weisen diese Fahrzeuge eine große technische Vielfalt auf. Eine Beratung ist unerlässlich, damit sich die nicht unerhebliche Investition auch lohnt.“
Ebenfalls unerlässlich: Eine Probefahrt. Im Fachhandel gehört Sie zum guten Ton. Bei fachfremden Händlern ist sie eher die Ausnahme. Verzichten sollten Sie darauf aber auf keinen Fall. Erst wenn Sie mit dem Pedelec fahren, wissen Sie, ob das Pedelec für Sie in Frage kommt. Hübner erklärt: „Beim Discounter es eher unwahrscheinlich, dass Sie ein Profahrt machen können, denn dann müssten auch die Akkus regelmäßig durch den Discounter geladen werden, und Personal, dass die Bedienung erläutert, müsste zur Verfügung stehen.“
Auch wenn die Preise verlockend sind - bei Discountern und fachfremden Merken machen Sie meist kein gutes Geschäft. Ein stimmiges Paket aus sehr guten und sicheren Pedelec, kompeteter Beratung und qualifiziertem Service erhalten Sie nur im Fachhandel. Was der Radsachverständige Dirk Zedler zu spezifischen Schwächen herausgefunden hat, lesen Sie hier:

„Schlechte Pedelecs halten zwei bis drei Jahre“

Hersteller stehen vor keinen besonderen Hürden, wenn sie Pedelecs und E-Bikes bauen wollen, also motorisierte Fahrzeuge. Ernst Brust, Radsachverständiger und velotec.de-Chef, sagt: „Pedelecs sind, unter bestimmten Umständen ihrer technischen Auslegung, Fahrräder. Das bedeutet: keine Fahrerlaubnis, kein Helm, kein Versicherungsschutz, keine Betriebserlaubnis.“
Und hier liegen ernsthafte Gefahren. Brust erklärt: „Dieser freie Marktzugang und diese freie Nutzung sind große Vorteile für die Anbieter, die ihre Marktchancen im Wettbewerb oft noch dadurch erhöhen, dass sie Produktionskosten sparen und versteckte Benutzervorteile durch Überschreiten gesetzlicher Grenzen bieten.“
Ein Pedelec ist nämlich nicht einfach nur ein Fahrrad, sondern ein hochkomplexes Gebilde aus Rahmen, Motor, Akku und aufwendiger Steuerungselektronik. Wer denkt, für wenig Geld aus einem Fahrrad ein Pedelec zaubern zu können, irrt. Noch mal Brust: „Die Betriebsfestigkeit der Fahrradkomponenten reicht häufig nicht aus für ein Pedelec! Dieses fährt schneller, beschleunigt wesentlich stärker, wird häufiger und härter gebremst. Lebt ein Fahrrad 10 bis 20 Jahre, so sind bei schlechten Pedelecs nur zwei bis drei Jahre zu erwarten - obwohl man zwei bis dreimal soviel gezahlt hat.“
Die Lebensdauer des Billig-Pedelecs ist die eine Seite. Schlimmer ist, wenn die minderwertige Konstruktion auch noch zu einem Unfall mit Verletzungen des Fahrers führt.

"Pedelecs brauchen eigene Prüfnormen"

Manfred Otto, Geschäftsführer der EFBe Prüftechnik GmbH, spricht im Kurz-Interview mit der promobil-Schwesterredaktione UrbanBiking über Prüfnormen von Pedelecs und sein eigenes Testverfahren für Pedelecs und E-Bikes.

UrbanBIKING: Warum ist das Unfall- und Bruchrisiko bei Pedelecs aus dem Discount-Supermarkt oder Baumarkt höher als bei Modellen aus dem Fachhandel?
Manfred Otto: „Selbstverständlich gibt es auch bei Pedelecs immer mal wieder Risse oder gar Brüche, ähnlich wie bei normalen Rädern. Aber obwohl Fahrgeschwindigkeiten und Kilometer-Leistungen signifikant höher liegen als bei Trekking- und Cityrädern, schreibt die Sicherheitsnorm für EPACs* lediglich die niedrigsten Anforderungen der EN Fahrradnormen vor.“


Ist das nicht merkwürdig? Pedelecs werden doch viel stärker beansprucht als herkömmliche City- und Trekkingräder. Wäre es daher nicht sinnvoll, dass Pedelecs eine eigenständige Prüfnorm erhalten?
Otto: „Wir bei EFBe haben daher einen EPAC-Standard entwickelt, der den erhöhten Beanspruchungen Rechnung trägt, ohne durch überzogene Forderungen zu übergewichtigen Rädern zu führen.“


Warum hört man dann trotzdem immer wieder von Rahmenbrüchen und ähnlichem bei Billig-Pedelecs?
Otto: „Solch differenzierte Tests werden von den Lieferanten der Discounter eher selten durchgeführt. Das heißt nicht, dass alle Produkte vom Discounter gefährlich sind. Das Risiko, ein bruchgefährdetes Modell zu erstehen, ist für den Käufer aber ungleich größer als bei Markenprodukten.“

* Electrically Power Assisted Cycles (Pedelecs bis 25 km/h und 250 W)